E-Mountainbike«Als ich erstmals auf einem E-Bike sass, entschuldigte ich mich»
Nathalie Schneitter war eine erfolgreiche Profi-Mountainbikerin. Dann wechselte sie aufs E-Mountainbike – und wurde Weltmeisterin.
Nathalie Schneitter sitzt daheim in Solothurn an ihrem Esstisch. Sie schaut hinaus, in Richtung des Walds – ihre zweite Heimat. «Im Wald fühle ich mich wohl», sagt sie. Dann meint sie: «In den letzten Wochen hatte ich coronabedingt genügend Zeit fürs Biken.» Die 33-Jährige lacht, ihre blauen Augen strahlen. «Für mich ist die Zeit also nicht sehr schlimm. Ich bin gesund, kann immer biken und habe niemanden in der Familie, der am Virus erkrankt ist.»
Bikefans kennen Nathalie Schneitter. 16 Jahre lang fuhr sie Mountainbike-Rennen auf Spitzenniveau. Einen Weltcup-Sieg feierte sie (2010), und 2008 wurde sie in der U-23 Europameisterin und WM-Zweite. Bei den Olympischen Spielen 2008 wurde sie 15. Die Solothurnerin hat in ihrer Karriere viel erreicht. Nach ihrem Rücktritt 2016 wurde es jedoch still um sie – bis das Jahr 2019 kam und die 33-Jährige Geschichte schrieb: In Kanada holte sie an der ersten Weltmeisterschaft im E-Mountainbike (E-MTB) die Goldmedaille.
«Ein E-Bike mit leerer Batterie zu fahren, macht keinen Spass»
Eine Sportart in den Kinderschuhen
Wenn ihr jemand vor vier Jahren gesagt hätte, dass sie dereinst E-MTB-Weltmeisterin werden würde, hätte sie diese Person ausgelacht. «Ich belächelte Velos mit Batterien stets», erzählt die Weltmeisterin. Und: «Als ich das erste Mal auf einem E-Bike sass, entschuldigte ich mich bei allen Fahrern, die ich überholte.» Mittlerweile ist das nicht mehr so. Schneitter schämt sich nicht mehr. Sie ist gar der festen Überzeugung, dass nur noch die Menschen über die Technologie schimpfen, die selbst noch nie auf einem E-Bike gesessen sind.
Denn einfacher ist die Sportart nicht. Sie ist anders. Das erklärt Schneitter, während sie ein wenig unruhig auf dem Stuhl sitzt. Sie, die nach ihrem Karriereende sagte, dass sie im Büro den konstanten Adrenalinschub vermisse, scheint ständig in Bewegung sein zu wollen. Die Aufstiege seien viel steiler und somit technischer, meint sie. Auch müsse man taktischer denken. Sie erklärt: «Ein E-Bike mit leerer Batterie zu fahren, macht keinen Spass. Deswegen muss man nicht nur die eigenen Kräfte genau einteilen, sondern auch die der Batterie.» Man merkt, dass ihr dieser Nervenkitzel gefällt.
Doch es ist auch genau diese Komponente, welche die Rennen momentan unberechenbar macht – denn noch hat keiner ein Erfolgsrezept gefunden. Das E-Mountainbike ist eine Sportart, die noch in den Kinderschuhen steckt. Schneitter sagt: «Mir gefällt, das alle bei null anfangen müssen.» Dass Nathalie Schneitter ihren Erfahrungsschatz jedoch schnell aufgebessert hat, sie längstens nicht mehr bei null steht, ist ihr aber sehr wohl bewusst. Wie sehr, zeigen etwa ihre Aussagen darüber, wie sich die Sportart noch entwickeln muss.
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Die Sportart sei noch nicht ausgereift, meint sie. Das Regelwerk müsse beispielsweise weiterentwickelt werden, und die Industrie müsse leichtere Bikes bauen. Auch die Kontrollen müssten strenger geführt werden. So werde zwar kontrolliert, ob die Bikes schneller als die erlaubten 25 km/h fahren, aber auch das geschehe nicht einheitlich. Schneitter sagt: «Je professioneller eine Sportart wird, desto mehr Betrüger und Doper gibt es.» Erstmals sei es aber wohl wichtig, dass der Sport noch bekannter werde. «Er braucht Helden. Und ich freue mich, dass ich zu diesen gehören darf», sagt sie.
«In meiner zweiten Karriere will ich auf mehreren Hochzeiten tanzen»
Mit dem E-Mountainbike zu fahren, an Rennen teilzunehmen, macht der 33-Jährigen Spass. Für Schneitter, der man ihre Sportlichkeit ansieht – sie hat muskulöse Arme wie Beine – bedeutet der Sport ein Ausgleich zu ihrem Berufsalltag. In diesem kümmert sie sich um die Organisation von Veloausstellungen. Sie hat etwa die Expo-Leitung der Solothurner «Bike Days» inne. Sie sagt: «Ich trainiere nicht mehr nach Plan wie früher, sondern höre mehr auf mein Körpergefühl.» Dass das E-MTB nicht ganz so viel Zeit auffresse, gefalle ihr. «In meiner zweiten Karriere will ich auf mehreren Hochzeiten tanzen: E-MTB, Skitouren, Wandern, Job.»
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Dass die E-MTB-Weltmeisterin das kann, liegt auch an ihrer erfolgreichen ersten Karriere. Durch ihre Erfolge konnte sich die Solothurnerin ein breites Netzwerk aufbauen. Aus diesem Grund ist das E-MTB kein Verlustgeschäft für sie – und das trotz des vielen Geldes, das es für den Sport benötigt. So kostet ein E-Bike schnell einmal 7000 Franken – ohne die Batterie. Hinzu kommen oftmals hohe Transportkosten, da die Batterie aus Sicherheitsgründen nicht ins Flugzeug darf. Die Preisgelder sind dagegen häufig mau. 1500 Franken waren das Preisgeld für den WM-Titel.
Nach Corona will sie Rennen gewinnen
«Das Geld ist mir nicht wichtig. Das Biken macht einfach Spass», sagt so auch Schneitter. Sie sehe sich daher auch nicht als E-Bikerin, sondern als Velofahrerin, die alles gerne fährt. «Das E-Bike ist einfach ein weiteres Pferd in meinem Stall.» Dass Schneitter so einen Spass und Ehrgeiz in einem Sport entwickelt, hätte man zu ihrer Schulzeit wohl nicht erwartet. Denn: Im Schulsport sei sie nie gut gewesen, wie sie erzählt. Erst das Biken habe sie fasziniert. Schneitter entwickelte einen Ehrgeiz, wurde immer besser. Und der Erfolg gab ihr recht, zunächst beim «normalen» Mountainbikefahren, dann beim «elektronischen». Wie sie ihre Zukunft sieht? «Nach Corona will ich Rennen gewinnen und meinen Titel verteidigen. Als amtierende Weltmeisterin aufzuhören, fände ich irgendwie feige», sagt sie und lacht dabei.
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