Grossauftrag für Start-upAirline bestellt 220 Flugtaxis
Luftfahrzeuge aus Deutschland sollen von 2025 an vor allem in der brasilianischen Region São Paulo eingesetzt werden.

Die brasilianische Fluggesellschaft Azul hat eine Absichtserklärung über den Kauf von 220 Flugtaxis des Typs Lilium-Jets unterzeichnet. Der Auftrag hat nach Angaben des deutschen Herstellers ein Volumen von rund einer Milliarde Euro und soll am Montag am Rande eines Investorentages offiziell verkündet werden. Lilium gab auch bekannt, dass die ehemalige Tesla-Managerin Gabrielle Toledano und der ehemalige Airbus-Vorstand und Chef des Leasingunternehmens ILFC, Henri Courpron, in den Verwaltungsrat des Unternehmens aufgenommen werden.
Die Einigung mit Azul ist der erste Grossauftrag für Lilium. In den vergangenen Wochen hatten schon zwei andere Unternehmen aus der boomenden Flugtaxi-Branche ähnliche Transaktionen verkündet: United Airlines bestellte 200 Maschinen beim kalifornischen Start-up Archer. American Airlines, Virgin Atlantic und der Leasingkonzern Avolon gaben den Bau von bis zu 1000 Fluggeräten bei der britischen Vertical Aerospace in Auftrag. Zwei Helikopterbetreiber bestellten 200 Flugtaxis beim brasilianischen Flugzeugbauer Embraer.
Lilium wurde 2015 von einer Gruppe von Absolventen der Technischen Universität München gegründet. Das Unternehmen mit Sitz in Oberpfaffenhofen bei München hat mittlerweile mehr als 600 Mitarbeiter.
Zwischenzeitlich arbeiteten auch die SBB mit dem Start-up zusammen: Vor zwei Jahren schaute man sich während einiger Monate gemeinsam die Veränderungen der Mobilitätsbedürfnisse und -angebote an, wie eine SBB-Sprecherin auf Anfrage schreibt. «Ziel war, Abklärungen zu treffen und sich über verschiedene Perspektiven zu informieren. Dieses Ziel wurde Mitte 2019 erreicht.»
36 schwenkbare Elektromotoren
Die ersten siebensitzigen Lilium-Jets für Brasilien sollen im Jahr 2025 geliefert werden. Das regionale Hochgeschwindigkeitsnetz von Lilium und Azul soll innerhalb von zwei bis drei Jahren aufgebaut werden, so Lilium-Strategiechef Alexander Asseily. Gebaut werden soll der erste Lilium-Jet im kommenden Jahr. Nach Flugtests und der Zulassung 2024 soll der kommerzielle Dienst beginnen, zunächst in Florida und Deutschland.
Azul wurde 2008 vom amerikanisch-brasilianischen Geschäftsmann David Neeleman gegründet, der heute noch dem Verwaltungsrat der Airline vorsitzt. Azul betreibt ein dichtes Netz von Inlandsflügen, hat aber mittlerweile auch internationale Langstreckenverbindungen, unter anderem in die USA, eingeführt. Neeleman ist auch der Gründer von JetBlue Airways und WestJet (Kanada). Zuletzt startete er mit Breeze Airways erneut eine neue Fluggesellschaft in den USA.
Der Lilium-Jet hat Platz für sechs Passagiere und einen Piloten. Er ist nicht wie andere neue Flugtaxis auf innerstädtische Verbindungen ausgelegt, sondern auf Regionalflüge von zunächst maximal 250 Kilometern und in einer Flughöhe von rund 3000 Metern. Der Lilium-Jet wird von 36 schwenkbaren kleinen Elektromotoren, die auf vier Tragflächen montiert sind, angetrieben.
Die Reichweite solle sich vergrössern, sobald bessere Batterien zur Verfügung stehen. Für Brasilien bedeutet das, dass die Flugtaxis schon drei Jahre nach dem Start so leistungsfähig sein sollen, um es von São Paulo bis nach Rio de Janeiro zu schaffen. Die Luftlinie beträgt gut 300 Kilometer.

Das staugeplagte São Paulo ist derzeit einer der grössten Hubschraubermärkte der Welt. Unternehmen und reiche Privatleute nutzen die Helikopter für den innerstädtischen Transport oder für Zubringer zum internationalen Flughafen Guarulhos. Azul will diesen Markt mit dem Lilium-Jet erobern, der laut Asseily nur auf ein Fünftel der operativen Kosten eines Hubschraubers kommt.
Für den Grossauftrag aus Brasilien weicht Lilium vom ursprünglichen Geschäftsmodell ab. Er «folgt einem leicht traditionellerem Ansatz», so Asseily. «Dabei verkaufen wir Flotten von Flugzeugen an Airlines, Regierungen und Logistikunternehmen. Wir würden uns in einem Land wie Brasilien schwer tun, das so schnell selbst und in der gleichen Qualität hochzuziehen.»
Toledano und Courpron sollen in den Lilium-Verwaltungsrat einsteigen, sobald die Übernahme durch die börsennotierte Special Purpose Acquisition Company (SPAC) Qell Acquisition Corp. abgeschlossen ist. Laut Asseily läuft der Genehmigungsprozess bei der amerikanischen Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) wie geplant wird in den kommenden Wochen abgeschlossen. Dem Verwaltungsrat wird dann der ehemalige Airbus-Chef Tom Enders vorstehen.
Mitarbeit: Konrad Staehelin
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