1200 Schwachstellen im Velonetz900 Millionen für neue Velowege im Kanton
Gegen ihren Willen muss die Regierung dem Velo im Strassenbau eine höhere Priorität einräumen und jährlich 30 Millionen Franken dafür reservieren.
Die Langstrassenunterführung war einst der mühsamste Engpass für die Zürcher Velofahrerinnen und Velofahrer. Manche nahmen Umwege in Kauf, damit sie dort nicht durchfahren mussten. Unterdessen ist das Problem zwar behoben, es wurden die Velospuren verbreitert und ausgebaut.
Doch im Velonetz des Kantons Zürich gibt es Hunderte weitere Strassenabschnitte, in denen die Velofahrenden zu wenig vor dem motorisierten Verkehr, vor Lastwagen und schnellen Autos geschützt sind.
Insgesamt sind es 1200 Schwachstellen, an 700 davon und an 200 Verkehrsknoten fehlt heute jegliche Infrastruktur für Radfahrende: Es gibt keine Radwege, keine Extraspuren, keine schützenden Signalisationen.
Das hat der Regierungsrat bereits 2018 festgestellt, als er auf eine Frage aus dem Parlament geantwortet hatte. Die Kosten, dies zu ändern, schätzt er auf bis zu 900 Millionen Franken.
Regierungsrat sieht Probleme
Nun hat die Regierung am Montag im Kantonsrat den verbindlichen Auftrag gefasst, die Schwachstellen bis 2050 zu beheben. Sie soll bis dann jedes Jahr 30 Millionen Franken dafür reservieren und ein entsprechendes Bauprogramm erstellen.
Vergeblich hat sich der Regierungsrat dagegen gewehrt. Die Probleme seien erkannt. Doch der Teufel stecke häufig im Detail jedes einzelnen Strassenbauprojektes, schreibt der Regierungsrat in seiner Antwort auf eine entsprechende Motion von GLP-Kantonsrätin Sonja Gehrig (Urdorf). Man könne das verlangte Geld bei den anspruchsvollen Planungsverfahren gar nicht rechtzeitig ausgeben, und im Übrigen habe man mit dem Veloförderprogramm bereits 20 Millionen Franken jährlich bewilligt.
Die Regierung befürchtet auch finanzielle Probleme, denn ab sofort müssen 20 Prozent aus dem Strassenfonds, in welchen die Verkehrsabgaben der Autofahrenden fliessen, an die Gemeinden bezahlt werden. Total sind das jährlich rund 70 Millionen Franken.
Kantonsrat will «Zacken zulegen»
Doch die Vorbehalte und Bedenken der Regierung hielten den Kantonsrat am Montag nicht davon ab, der Motion mit 86:80 Stimmen zuzustimmen.
Sonja Gehrig lehnte es auch ab, die Motion in ein Postulat umzuwandeln. «Wir müssen jetzt einen Zacken zulegen.» Es grenze an Arbeitsverweigerung, wenn der Regierungsrat vorgebe, die Schwachstellen nicht im verlangten Tempo beheben zu können.
«Ich habe keine Lust, in der Stadt zu einem Prellbock zwischen Velofahrern und Autofahrern zu werden.»
Vergeblich wehrten sich SVP, FDP und Mitte. Ueli Pfister (SVP, Egg) erinnerte daran, dass Maximallösungen für Velofahrer nur möglich seien, wenn man den öffentlichen Verkehr einschränke. René Isler meldete sich als leidenschaftlicher Fussgänger: «Ich habe keine Lust, in der Stadt zu einem Prellbock zwischen Velofahrern und Autofahrern zu werden.»
Für die Mitte ist der Vorstoss nur Beschäftigungstherapie für die Verwaltung. Alex Gantner (FDP, Maur) sprach von einem «Ungeduldsvorstoss» und von Zwängerei: «Wir haben beim Beheben der Schwachstellen bereits einen Gang hochgeschaltet.» Jetzt müsse man den Regierungsrat in Ruhe arbeiten lassen.
Für Felix Hoesch (SP, Zürich) sind die Gegenreden alle aus Windschutzscheibenoptik gefallen. Für Thomas Forrer (Grüne, Erlenbach) ist der Vorstoss höflich formuliert, weil er der Regierung 30 Jahre Zeit lasse. Es dürfe nicht sein, dass Velofahrer im Strassenverkehr noch länger «lebende Verkehrshindernisse» bleiben.
Carmer Walker Späh warnt vor der Wut der Autofahrer
Regierungsrätin Carmen Walker Späh (FDP) äusserte sich als «Hüterin des Strassenfonds». Es sei nötig, dass man bei der Strassenbauplanung an alle Verkehrsteilnehmer denke. Wenn es so weitergehe mit der Veloförderung, werde es den Autofahrerinnen und -fahrern vielleicht bald den «Deckel lupfen».
Kurz darauf hat der Rat mit 85:79 Stimmen einen weiteren Vorstoss zur Veloförderung überwiesen: Der Regierungsrat muss neu alle Strassenprojekte systematisch mit dem Velonetzplan abgleichen.
In einer früheren Version dieses Artikels wurde im Bild der Ulmbergtunnel gezeigt und fälschlicherweise als Langstrassenunterführung bezeichnet.
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