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Interview mit Hotelexperte
«Ich hoffe, dass wir zur Reisebibel der Schweiz werden»

Porträt von Hotel-Guru Carsten K. Rath, fotografiert im Hotel Mandarin Oriental Savoy.
Der deutsche Hotel-Guru über den wahren Luxus, Trends, die Schweizer Hotellerie und das Ranking 101 Beste Schweiz, das er 2025 mit der SoZ lancieren wird.
13.09.2024
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)
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In der Suite des Mandarin Oriental Savoy in Zürich ertönt plötzlich ein unangenehmes Brummen. Carsten K. Rath unterbricht das Gespräch und sagt: «Wenn das die Klimaanlage ist, mache ich mir Sorgen ums Hotel.» Keine Bange, es ist nur die Kaffeemaschine. 

Der 58-jährige Deutsche zählt zu den bekanntesten Namen in der europäischen Hospitality-Branche. Als begnadeter Netzwerker und Hotelier – unter anderem mit Zürcher Vergangenheit – hat er mit «Die 101 besten Hotels Deutschlands» ein hieb- und stichfestes Ranking ins Leben gerufen. 2025 expandiert Rath: «Die 101 besten Hotels in der Schweiz» wird kommenden Frühling erstmals in der SonntagsZeitung und in Le Matin Dimanche erscheinen.

Herr Rath, Sie sind 350 Tage pro Jahr unterwegs. Worüber ärgern Sie sich, wenn Sie in einem Hotel einchecken?

Wenn ich mit der Phrase «Hatten Sie eine gute Anreise?» willkommen geheissen werde. Niemand hat eine gute Anreise bei all den verstopften Autobahnen und verspäteten Flugzeugen. Diese Frage bringt mich sofort in eine negative Grundhaltung. Die Leute am Frontdesk könnten doch einfach sagen: «Herzlich willkommen, schön sind Sie bei uns.»

Und worüber freuen Sie sich im Hotelzimmer?

Über eine persönliche Aufmerksamkeit, etwa eine handgeschriebene Willkommenskarte oder einen Teller mit frischen Beeren – die gleichen, die ich vielleicht bei einem früheren Besuch hier schon genascht habe. Das Gefühl, in ein vertrautes Umfeld zu kommen, sich zu Hause zu fühlen, ist zentral.

In Dreisternhotels fehlen die Ressourcen für solche Aufmerksamkeiten – was erwarten Sie dort?

Wenn ich irgendetwas erwarte, werde ich enttäuscht. Ob Mittelklasse oder Luxus: Es kommt auf die Qualität der Serviceleistungen an – lieber weniger, dafür richtig gut, statt viel Mittelmass. Und Herzlichkeit ist immer besser als schnödes Nichtstun.

Was schätzen Sie an der Schweiz?

Ich bin schon lange hier tätig und wohne im Thurgau am Untersee. Die Schweiz hat eine gute Leistungskultur, ein exzellentes Bildungs- und Sozialsystem und bietet Qualität in sehr vielen Belangen. Gerade in der Hotellerie definiert sich die Schweiz nicht über Adjektive wie durchschnittlich oder günstig, sondern über fair und qualitätsbewusst.

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Hotelranking aufzugleisen?

Mein Sohn David fragte mich eines Tages: «Papa, warum gibt es überall Hotelrankings, nur in Deutschland nicht?» Ich wusste keine Antwort, David blieb dran und überzeugte mich, mit ihm gemeinsam «Die 101 besten Hotels» zu lancieren.

Was ist das Erfolgsrezept?

Wir bringen den Gästen Nutzen dank nachvollziehbarer Orientierung, unseren Partnern direkten Zugang zu den Entscheidern, und den Hoteliers bringen wir Geschäft. Ein Hotelranking sollte so nahe wie möglich an die Objektivität kommen, statt auf Einzelmeinungen zu setzen. Das gelingt uns dank wissenschaftlichem Ansatz.

Wie meinen Sie das? Bei Hotels geht es doch um Emotionen, nicht um Wissenschaft.

Wir holten die Internationale Hochschule München (IU) ins Boot. Sie fand ein Bewertungssystem, das auf drei Säulen beruht: Ein Drittel ergibt sich aus der Stimme der Gäste – ein Algorithmus führt die Bewertungen von Booking und Tripadvisor zusammen; ein Drittel liefern die bestehenden Rankings wie «Guide Michelin» oder «Forbes»; für das dritte Drittel sind unsere eigenen Testprofis verantwortlich.

Sie lassen alle Hotels testen?

Ja, natürlich. Sämtliche Hotels, die sich bei den genannten Beratungsportalen selbst fünf Sterne oder Punkte für guten Service geben, nehmen wir unter die Lupe. Unsere Testerinnen und Tester buchen anonym, bezahlen selbstverständlich den Aufenthalt und verbringen etwa 24 Stunden vor Ort. Sie gehen nach dem leicht abgespeckten Kriterienkatalog vor, der auch bei Tests der Leading Hotels of the World angewendet wird, und achten dabei vor allem auf die emotionale Haltung der Mitarbeitenden, die Art und Weise, wie sie mit den Gästen umgehen.

Wie kam das Ranking an?

Wir stellten die «101 besten Hotels Deutschlands» mitten in der Pandemie 2020 in Hamburg vor. Es ging durch die Decke und ist heute sehr anerkannt. Entscheidend sind starke Medienpartner: In Deutschland ist es die Bertelsmann-Gruppe mit «Capital» und N-TV. In der Schweiz arbeiten wir mit der SonntagsZeitung und Le Matin Dimanche zusammen. Wir geben die «101» jedes Jahr als Coffeetable-Book heraus und konnten in Deutschland die Auflage von 4000 auf mittlerweile 15’000 steigern.

Porträt von Hotel-Guru Carsten K. Rath, fotografiert im Hotel Mandarin Oriental Savoy.
Der deutsche Hotel-Guru über den wahren Luxus, Trends, die Schweizer Hotellerie und das Ranking 101 Beste Schweiz, das er 2025 mit der SoZ lancieren wird.
13.09.2024
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)

Was bewog Sie zur Expansion in die Schweiz?

Ein Schweizer war der Spiritus Rector für unser Projekt in Deutschland: Karl Wild, der 23 Jahre in der SonntagsZeitung und davor 5 Jahre lang in der «Bilanz» sein beliebtes Hotelrating publiziert hat. Wir wollten erst in die Schweiz gehen mit unserem Ranking, wenn er zurücktritt. Als er ankündigte, sich altershalber zurückzuziehen, nutzten wir die Chance: Ab 2025 sind wir am Zug und publizieren «Die 101 besten Hotels der Schweiz» in der SonntagsZeitung und Le Matin Dimanche.

Welchen Mehrwert erbringen die «101 Besten» im Vergleich zu bestehenden Rankings?

Wir sind sehr breit aufgestellt, bewerten im Ranking die Hotels in den beiden Hauptkategorien «Leisure» – also Freizeit – und «Business». Sie erscheinen aber auch in Unterkategorien wie etwa Grandhotels, Alpine Resorts oder Lakeside Resorts. So geben wir den Gästen Entscheidungshilfe. Im 101-Buch und auf der 101-Website stellen wir zu jedem Hotel einen QR-Code, über den man direkt buchen kann. Ich hoffe, dass die «101 besten Hotels» zur Orientierung für die Gäste und zur Reisebibel für die Schweiz werden.

Nehmen Sie persönlichen Einfluss auf das Ranking?

Wir bewerten nicht nach persönlichen Meinungen, sondern halten uns strikt an die Ergebnisse der IU München. Ausserdem wacht ein Kuratorium über das Ranking, das in der Schweiz aus zwölf namhaften Persönlichkeiten aus der Branche besteht, darunter Martin Nydegger (Schweiz Tourismus), Nicole Brändle (Hotelleriesuisse) und Tanja Wegmann (ehemals Les  Trois Rois, Basel).

Fällt es Ihnen schwer, sich zurückzuhalten?

Ja, sehr. (lacht) Als Mensch mit viel Energie habe ich zu vielem eine Meinung. Aber ich habe gelernt, mein Temperament zu zügeln.

Wie werden Ihre «101 Besten»-Pläne in der Schweiz aufgenommen?

Man schätzt, dass wir ehrlich und neutral sind und viel nachdenken. Ich spüre aber auch Skepsis, weil wir aus Deutschland kommen. Ich bemühe mich sehr, habe den Anspruch, alle hiesigen 101 Hotels persönlich zu kennen.

Welchen Stellenwert hat die Schweizer Hotellerie heute im internationalen Vergleich?

Sie war jahrzehntelang der Motor der Branche weltweit, hatte in den 1990ern einen Durchhänger und ist jetzt wieder top. Ich schätze, dass es in der Schweiz 40 Weltklassehotels gibt, in Deutschland komme ich gerade mal auf fünf.

Sie haben selbst ein Hotel in Zürich geführt: Weshalb stiegen Sie im Kameha Grand aus?

Ich hatte 2007 die Marke Kameha gegründet. Sie vereinigte Luxus und Design mit dem Service hochwertiger Hotellerie und Gastronomie. Mein erstes Hotel in Bonn, die Gastronomie in Frankfurt und die Residenzen in Düsseldorf waren sehr erfolgreich. In Zürich lief es dann nicht mehr so gut. Ich eröffnete 2015 das Kameha Grand im Glattpark zusammen mit einem Investor. Dabei unterschätzte ich die unattraktive Lage weitab von Stadtzentrum und See. Es war ein sehr schönes Hotel mit einem Gourmetrestaurant und einem Weltklasse-Spa, das in der Innenstadt prima funktioniert hätte. Wir sind  im Niemandsland zwischen Oerlikon und Airport einiges falsch angegangen, keine Frage. Wir waren vom ersten Tag an erfolglos, weil erstklassiger Service und besonderes Design nicht zur Lage passten. Wir haben im Glattpark sozusagen Champions League vor leeren Rängen gespielt. 2017 konnte ich meine Anteile dem Investor verkaufen.

Was haben Sie gelernt?

Ich bin Tennisspieler und hasse Doppelfehler.