Critical Mass in ZürichTausende Velos legten den Verkehr lahm – zwei Zwischenfälle
Die hohe Teilnehmerzahl an der Critical Mass am Freitagabend überraschte selbst die Polizei. Ein Teilnehmer wurde leicht verletzt. Bürgerliche Politiker fordern Konsequenzen.
Am Freitagabend hat in Zürich eine Critical Mass stattgefunden. Nach 19 Uhr radelten Tausende Menschen auf Velos von der Stadthausanlage aus durch die Innenstadt. Die Tour führte durch die Stadtkreise 1, 4, 5, 10, 3 und 2. Der Polizei zufolge war die Kolonne zu einem Zeitpunkt gleichzeitig am Rosengarten und beim Lochergut. Das entspricht einer Strecke von ungefähr vier Kilometern. Polizei-Mediensprecher Christian Spaltenstein spricht auf Anfrage von «mehreren tausend Personen».
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Um 22 Uhr waren die Critical-Mass-Teilnehmenden immer noch unterwegs. Mit blinkenden Lichtern und Musik radelten sie weiter durch Zürichs Strassen. Kurz vor 23 Uhr war dann Schluss, der Umzug löste sich bei der Landiwiese auf.
Beobachtern zufolge könnten 10’000 Personen am Umzug teilgenommen haben. Sie haben zahlreiche Verzweigungen blockiert, teilweise war der motorisierte und öffentliche Verkehr für 25 Minuten blockiert. Gemäss Polizei wurde auch die Arbeit von Schutz & Rettung Zürich durch blockierte Rettungsachsen behindert.
Autofahrerinnen und Autofahrer haben sich teilweise geärgert. Es kam zu verbalen Provokationen gegenüber dem motorisierten Individualverkehr. Beim Stauffacher waren vor allem gegen Ende hin lautstarke Hupkonzerte zu hören. Zu Tätlichkeiten kam es nicht. Bei der Polizei gingen jedoch mehrere Anrufe von Autofahrenden ein, die teilweise bis zu einer Dreiviertelstunde blockiert worden seien.
Während der Tour kam es zu zwei Zwischenfällen. Um 20 Uhr fuhr ein Autofahrer auf der Kasernenstrasse im Kreis 4 auf der Höhe Kaserne aus noch unbekannten Gründen einen Velofahrer an. Dieser wurde dabei leicht verletzt. An der Ecke Lang-/Militärstrasse kam es zu einem weiteren Unfall. Als die Polizei eintraf, waren die Beteiligten aber schon nicht mehr zugegen.
Die Critical Mass selber versteht sich nicht als «organisierte Gruppe» und gibt deshalb auch auf Mailanfragen keine Auskunft zum Anlass. «Alle gemeinsam bilden wird die Critical Mass», die Antwort. Die Critical Mass versteht sich nicht als Demonstration, sondern als ein «spontanes, grosses Verkehrsaufkommen von Velos». Das gilt zumindest für die Route und die Länge des Anlasses: Sie werden von den Vorausfahrenden bestimmt. Zeit und Treffpunkt sind jedoch fix: Die Critical Mass findet jeden letzten Freitagabend im Monat statt.
Die Stimmung unter den Teilnehmern war fröhlich. Viele führten Musikboxen mit, aus denen laute elektronische Musik klang. Ein Teilnehmer auf Rollerblades spielte Saxophon. Immer wieder ertönten die Rufe: «Haaalooo, Veeelooo».
Die Polizei behandelt den unbewilligten Anlass wie eine Demonstration. Die Polizei war mit Dialogteams im Einsatz. Sie wiesen die Anwesenden auch auf die Covid-Vorgaben hin. Diese sind laut Mitteilung der Stadtpolizei aber ignoriert worden. Masken wurden nur vereinzelt getragen. Diese hatten laut Spaltenstein die Aufgabe, zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern zu vermitteln. Zudem standen die Verkehrspolizei und mehrere Streifen im Einsatz.
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Die Stadtpolizei hatte wegen des schönen Wetters zwar mit mehr Teilnehmern gerechnet als bei den letzten Umzügen, nicht aber mit derart vielen. Bei den letzten Critical-Mass-Rundfahrten haben zum Teil nur ein paar Hundert Personen teilgenommen, auch wegen der Corona-Pandemie. Das Credo der Critical Mass lautet: «Wir sind kein Hindernis für den Verkehr, wir sind der Verkehr.» Sie stützt sich darauf, dass die Verkehrsregelnverordnungen das Nebeneinanderfahren von von mehr als zehn Fahrrädern im geschlossenen Verband erlaubt, sofern der übrige Verkehr nicht behindert wird.
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Seit der Pandemie hat sich das Verhältnis zwischen den Zürcher Teilnehmenden und der Polizei verhärtet. Die Critical Mass dieses auf ihrer Website. Im Anschluss an die Mai-Tour 2020 kommt sei es demnach zu verschiedenen «Repressionen seitens der Stapo» gekommen. So hat diese mehrere Rayonverbote und Bussen ausgesprochen sowie Fahrzeuge konfisziert. Darauf kommt es zur Aussprache mit Polizeivorsteherin Karin Rykart (Grüne). An der Critical Mass vom Februar diesen Jahres wird ein Soundwagen beschlagnahmt.
Linke Zürcher Velopolitiker sehen sich in ihren Bemühungen, Zürich zu einer Velostadt zu machen bestärkt. SP-Gemeinderätin Simone Brander sagt: «Die riesige Menge an Velofahrenden zeigt, dass es endlich viel mehr Platz fürs Velo und rasch sichere Velorouten braucht.» Für Sven Sobernheim, Gemeinderat für die GLP, hofft, dass die Botschaft auch bei Stadt und Kanton ankommt. Dass die Tour zweimal über die Hardbrücke führte, ist für ihn kein Zufall. «Die Hardbrücke zeigt, wie die Prioritäten in der Stadt aktuell aussehen».
Auch der FDP-Politiker Dominique Zygmont hat Verständnis, dass am Freitagabend viele Velofahrende an der Critical Mass teilnahmen. Doch er hegt Sicherheitsbedenken. «Wenn ich Bilder wie jenes von der Unterführung Tunnelstrasse sehe, mache ich mir ernsthafte Sorgen.» Deshalb übt er Kritik an der Haltung der Polizeivorsteherin Rykart und fordert für den Anlass zwingend eine Demonstrationsbewilligung, damit die Polizei den Tross in «geordnete Bahnen» lenken könne. «Karin Rykart drückt mir da beide Augen zu. Stattdessen sollte sie dringend die nötigen Schritte einleiten.»
Sein Parteikollege Përparim Avdili machte sich auf Twitter seinem Ärger über die Veranstaltung Luft. «Toleranz mit intolerantem Verhalten einzufordern» geht aus seiner Sicht «gar nicht».
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Die Stadtpolizei will den Anlass vom Freitagabend nun analysieren und mit den Teilnehmenden das Gespräch suchen. «Die Emotionen sind gross», sagt Polizeisprecher Christian Spaltenstein, «und das Verständnis für den Anlass fehlt bei vielen.» Das Thema dürfte auch politisch angegangen werden. Wie ist derzeit aber noch nicht klar.
Critical-Mass-Umzüge finden monatlich weltweit in 300 Städten statt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellen den Gemeinschaftsgedanken ins Zentrum. Lesen Sie mehr dazu: Critical Mass: Hunderte Velos ergeben einen Koloss. Die nächste Critical Mass findet am 25. Juni statt.
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