1,3 Millionen Franken Abfindung«Die hohe Summe ist unanständig»
Die Abgangsentschädigung für einen abgewählten SVP-Stadtrat löst Empörung aus – auch in den eigenen Reihen: Nationalrat Mauro Tuena übt scharfe Kritik.
SVP-Politiker Andreas Elliker ist 37 Jahre alt und schon Rentner. Weil er in Frauenfeld nach vier Jahren als Stadtrat abgewählt wurde, erhält er nun ein Ruhegehalt von insgesamt rund 1,3 Millionen Franken. Das macht 45’000 Franken pro Jahr für eine Zeit von 28 Jahren, wie die Thurgauer Zeitung publik gemacht hat.
Die «goldenen Fallschirme», wie die Abgangsentschädigungen oder Renten bei öffentlichen Ämtern genannt werden, sorgen immer wieder für Unmut. Die SVP Graubünden hat kürzlich die kantonale Volksinitiative «Schluss mit goldenen Fallschirmen für Regierungsräte» lanciert, die nächstes Jahr zur Abstimmung kommt. Damit will sie verhindern, dass Regierungsmitglieder, die aus dem Amt ausscheiden, ein lebenslanges Ruhegehalt erhalten. Das Argument der SVP Graubünden: Regierungsmitglieder fänden aufgrund ihrer Bekanntheit und ihrer Kompetenzen schnell einen neuen Job. Zudem sei ein lebenslanger goldener Fallschirm neben der Pensionskasse und der regulären AHV-Rente unnötig.
Der Bündner SVP-Parteipräsident Roman Hug sagt: «Wir erwarten von den Bürgerinnen und Bürgern, dass sie neben den üblichen Sozialabsicherungen eigenverantwortlich für sich vorsorgen, also sollten wir das auch tun können.» Hug wurde vor acht Jahren zum Gemeindepräsidenten gewählt und sagt: «Es gibt kein Menschenrecht auf eine Wiederwahl.» Wer abgewählt werde, könne sich nicht auf die Steuerzahlenden stützen.
Auch SVP-Nationalrat Mauro Tuena setzt sich in der Stadt Zürich für die Abschaffung der hohen Entschädigungen ein. Er hat die städtische Volksinitiative «Keine goldenen Fallschirme für abtretende Behördenmitglieder» eingereicht, die eine Entschädigung von maximal einem Jahressalär vorsieht. Der Zürcher Stadtrat hat die Initiative vor einem Jahr zur Ablehnung empfohlen und einen Gegenvorschlag vorgelegt. Sie dürfte demnächst vors Stimmvolk kommen.
«Elliker soll verzichten»
Angesprochen auf den Fall Andreas Elliker, fordert Tuena: «Die hohe Summe geht auf Kosten der Steuerzahlenden und ist unanständig. Elliker soll darauf verzichten.» Er sagt auch, dass das Frauenfelder Stadtparlament «dringend das Reglement anpassen» müsse. Tatsächlich stammt das Frauenfelder Reglement aus dem Jahr 1981 und kam offenbar noch nie zuvor zur Anwendung. Warum? Weil in Frauenfeld bisher kein amtierendes Stadtratsmitglied abgewählt wurde.
Auch der Thurgauer SVP-Ständerat Jakob Stark findet die Frauenfelder Regelung «unglücklich». Sie müsse angepasst werden. Er stellt allerdings den Fall von Andreas Elliker in einen grösseren Zusammenhang: «Warum verebbt die Empörung über exorbitante Managerlöhne von Grossbanken so rasch und folgenlos, während eine Abgangsentschädigung eines Lokalpolitikers schon fast zu einer Hexenjagd führt? Bestraft man die Kleinen, weil man gegen die Grossen nichts machen kann? Das finde ich ungerecht!»
«Ich verzichte sicher nicht, das Geld steht mir zu.»
Ob Elliker die Entschädigung erhält oder nicht, ist noch nicht definitiv – das Stadtparlament wird darüber befinden. Elliker war am Freitag für eine Stellungnahme nicht erreichbar, sagte allerdings bereits am Mittwoch zur Thurgauer Zeitung: «Ich verzichte sicher nicht, das Geld steht mir zu.»
Andreas Elliker ist nicht der einzige Politiker, dessen Abgangsentschädigung für eine Kontroverse sorgt. Der Zürcher SVP-Mann Reto Andrea Surber kassierte 905’246 Franken, als er 2013 nach neun Jahren aus der städtischen Vormundschaftsbehörde ausschied. Auch die frühere Zürcher SP-Stadträtin Claudia Nielsen erhielt 856’657 Franken, als sie 2018 unter massiver Kritik an ihrer Amtsführung einen Monat vor den Erneuerungswahlen ihren Rücktritt bekannt gab. Und der frühere SP-Schulpräsident Roberto Rodriguez sorgte vor zwei Jahren für Diskussionen in der Stadt Zürich, als er bei einem Stellenwechsel eine Abfindung von 687’131 Franken erhielt.
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