Zürcher Tropennacht04.27 Uhr: Drohnenflug mit Wärmebildkamera über die Europaallee, 24 Grad
Wie sieht eine Hitzenacht in der Stadt von oben aus, wenn man mit Propeller und Kamera loszieht? Diese Infrarot-Bilder zeigen einen ganz anderen Blick auf Zürich.
Sie gehören diesen Sommer schon fast zur Normalität, doch gewöhnen kann man sich kaum daran: Tropennächte. Auch von Dienstag auf Mittwoch fiel die Temperatur in etlichen Schweizer Städten nachts nicht unter die 20-Grad-Marke. Viele Menschen konnten schlecht einschlafen und sich auch nicht wirklich von der Hitze erholen, die tagsüber brütete. Wir wollten herausfinden, wo es in Zürich am schlimmsten ist, und haben unsere Drohne während der Nacht steigen lassen (Making-of: So sind die Bilder entstanden). Ein Rundflug mit Wärmebildkamera in 4 Etappen:
00.17 Uhr: Wärmeinsel in der Altstadt
In der Altstadt gibt es wenig Grün, dafür umso mehr versiegelte Oberflächen und Fassaden, die sich während des Tages aufheizen. Weil sich Haus an Haus reiht, kann die Hitze kaum entweichen und es kühlt auch in der Nacht viel weniger ab. Die Altstadt ist eine sogenannte städtische Wärmeinsel, wo die Temperaturen nachts mehr als 4 Grad über dem Mittelwert liegen können.
Die dichte Bebauung verhindert zudem, dass kältere Luft von ausserhalb reinströmen kann und es Durchlüftung gibt. Vom See her würden Winde entlang der Limmat wehen, in viele Teile der Altstadt gelangen sie jedoch nicht. Auch andere Quartiere profitieren nicht von den Kaltluftvolumenströmen, die sich nachts im Umland und am Rand der Stadt bilden. In den Kreisen 4 und 5 werden diese von Häusern abgeblockt.
Viel angenehmer ist es in Hirslanden, wo Fallwinde vom Adlisberg kältere Luft bringen. Auch das Quartier Enge zählt dank einer Kaltluftleitbahn vom Uetliberg her (siehe Pfeil auf der Karte) zu den kühleren Orten in der Stadt. Zusätzlich gibt es hier viel Luftzirkulation durch den nahen See, den Park beim Mythenquai und die offene Bauweise.
Die Enge gehört denn auch zu den Quartieren, in denen die Temperaturen zum Schlafen vergleichsweise angenehm sind. Während einer durchschnittlichen Wärmeperiode fallen sie in der Nacht auf etwa 16 bis 18 Grad. Das gilt gemeinhin als optimale Schlaftemperatur.
01.26 Uhr: Kühlender See
Spannend ist, dass der See zum Teil wärmer ist als die Umgebung. Dafür gibt es laut Thomas Stoiber vom kantonalen Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel) eine einfache Erklärung: «Wasser ist ein enormer Wärmespeicher und hat deshalb eine ziemlich konstante Temperatur. Am Tag sind 24 Grad beispielsweise kühlend, in der Nacht dann eher wärmend.»
Tagsüber hat Wasser einen guten Kühleffekt. Quartiere, die näher am See liegen, heizen nicht so stark auf und verzeichnen dann nachts weniger hohe Temperaturen als die Innenstadt. Dasselbe gilt für die Gebiete an den Hängen. Eine Temperatur, die bei der Station Fluntern am Zürichberg auf 570 Metern gemessen wird, lässt sich also meist nicht auf das Zentrum übertragen, das weiter unten liegt.
02:23 Uhr: Friedhof Sihlfeld als Oase
Wie stark Menschen die Wärmebelastung wahrnehmen, ist nicht nur von der Lufttemperatur abhängig, sondern auch von der Luftfeuchtigkeit und der Windgeschwindigkeit. «Auf wenig verbauten und begrünten Flächen ist es deshalb deutlich kühler. Das sieht man eindrücklich beim Friedhof Sihlfeld», erklärt Thomas Stoiber vom Awel. Denn die vielen Bäume dort würden nicht nur Schatten spenden, sondern der Umgebungsluft auch Wärme entziehen, wenn sie Wasser verdunsten.
Ausserdem erhitzen Grünflächen wie Friedhöfe, Parks, Kleingärten und Sportanlagen tagsüber viel weniger als Beton und andere Oberflächen. Allgemein gilt: Je heller der Belag, desto mehr Sonnenstrahlung reflektiert er und desto weniger Wärme speichert er. «Wenn ein Dach mit Dachpappe belegt ist, kann es bis zu 80 Grad heiss werden. Begrünt wird es dagegen nur 25 bis 30 Grad warm – ein riesiger Unterschied», sagt Stoiber.
04.27 Uhr: Heisse Europaallee
Die Hitze an der Europaallee ist seit Jahren ein Thema – und das kommt nicht von ungefähr. Denn die Strasse, die direkt neben den Gleisen des Hauptbahnhofs liegt, heizt sich tagsüber extrem stark auf. Ein Grossteil der Böden ist versiegelt, es gibt wenig Grünflächen und die Fassaden zahlreicher Hochhäuser sind der Sonne ausgesetzt, weshalb sie in der Nacht Wärme abstrahlen.
Den gleichen Effekt gibt es zum Beispiel auch beim Central oder im Industriequartier Binz. Hier können die Temperaturen an einem Hitzetag mehr als 10 Grad höher liegen als in anderen Gebieten der Stadt.
Die Zonen entlang der Gleisanlagen vom Hauptbahnhof bis nach Altstetten sind ebenfalls ein Hitze-Hotspot. Es gibt viele dunkle Baustoffe, die grosse Mengen Wärmeenergie speichern: Die Gleise, der Schotter und der Asphalt heizen sich mit der Sonnenstrahlung auf und geben die Wärme an die Umgebung ab. Hier sind sowohl die tatsächliche als auch die gefühlte Temperatur besonders hoch. Das gilt nicht nur am Tag, sondern – wie die Drohnenaufnahmen zeigen – auch in der Nacht.
Sie möchten wissen, wie wir in der Nacht gearbeitet haben? Making-of, das folgende Video zeigts:
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