Kinder befragen Angelica MoserWas kostet eigentlich ein Stab? Und wie wird er transportiert?
Die Stabhochsprung-Europameisterin stellte sich am Zukunftstag von Tamedia den Fragen von gut 30 Kindern. Was diese sich einfallen liessen – und wie Moser antwortete.
Als die offizielle Fragerunde vorbei ist, bleibt noch etwas Zeit. Also: Wer will noch etwas wissen? Gut zehn Hände schnellen in die Höhe – die Kinder haben noch nicht genug gehört.
Für Angelica Moser (27) und Leonardo Genoni (37) stimmt das. Die Stabhochspringerin und der Eishockey-Goalie sind am Zukunftstag bei der Tamedia-Sportredaktion zu Besuch, um sich Fragen zu stellen, die mal nicht von Journalisten und Journalistinnen kommen. Und sie haben viel Zeit.
Insgesamt eineinhalb Stunden verbringen sie mit den Kindern. Heraus kommen dabei zwei Interviews. Jenes mit Moser folgt gleich unten, das mit Genoni lesen Sie hier.
Angelica Moser, was braucht es, um im Stabhochsprung so erfolgreich zu werden wie du?
Viele verschiedene Dinge. Stabhochsprung ist sehr komplex, man muss schnell laufen, Kraft in den Beinen und im Oberkörper haben. Man muss auch turnen können, weil man irgendwann kopfüber in der Luft ist. Das muss man alles zusammensetzen für den Sprung. Dann kommt dazu, was in allen anderen Sportarten auch dazukommt: Disziplin, Freude, Ausdauer.
Worauf achtest du bei der Landung?
Auf gar nichts. Die Landung ist der Teil des Sprungs, den man geniessen kann. Wenn du über der Latte bist, kannst du dich nur noch plumpsen lassen. Und meistens landet man ja schon auf der Matte. (lacht)
Wie kommt man eigentlich auf Stabhochsprung?
Gute Frage, in der Schule macht man das ja nicht. Wie meine ältere Schwester begann ich mit Kunstturnen, dann wechselte sie in die Leichtathletik und probierte unter anderem Stabhochsprung aus. Sie konnte das relativ gut, und ich fand: Wenn sie das kann, warum sollte ich es nicht können? Es machte mir dann grossen Spass, weil es die Disziplin ist, in der man dem Fliegen nahekommt.
Ist deine Schwester immer noch im Stabhochsprung?
Nein, wir haben tatsächlich noch eine Weile zusammen trainiert, aber sie begann dann, Medizin zu studieren, und war viel beschäftigt. Jetzt ist sie Ärztin, arbeitet im Notfall und hat einen kleinen Sohn, der zwei Jahre alt ist.
War es für sie nicht traurig, dass du so gut wurdest?
Soviel ich weiss, nicht. (lacht) Sie brach früher alle Nachwuchsrekorde. Als ich sie übertraf, sagte sie dann immer: Rekorde sind da, um gebrochen zu werden – und am liebsten von meiner Schwester. Sie gönnte es mir immer und hat mich immer unterstützt. Sie fant immer noch voll mit und trainiert junge Stabhochspringerinnen in Winterthur.
Wie lange ist der Stab?
Meine Stäbe sind 4,45 m lang. Bei den Frauen springen die meisten diese Länge. Aber grundsätzlich kann man den Stab nehmen, den man will. Wir haben auch schon längere ausprobiert, aber um diese aufzurichten, braucht es mehr Tempo und mehr Kraft.
Bist du vor grossen Anlässen wie Olympia nervös?
Ja. Es wäre schlecht, wenn ich nicht nervös wäre vor einem Wettkampf, auf den ich vier Jahre hingearbeitet habe. Nervös zu sein, ist für mich ein gutes Zeichen, zu sehr ist aber auch nicht gut. Meistens ist es so, dass ich ab dem Moment, an dem ich im Stadion bin, nicht mehr nervös bin.
Wie hoch war dein höchster Sprung, und wie hast du dich gefühlt?
4,88 Meter. Das war im Sommer in Monaco. Im Wettkampf bin ich gleich zweimal persönliche Bestleistung gesprungen, zuerst 4,83, dann 4,88. Das war einer der coolsten Wettkämpfe meines Lebens, meine ganze Familie war da, darum war es noch einmal etwas spezieller.
Ist bei dir schon einmal ein Stab gebrochen?
Ja, das kommt vor, ich habe mal einen gebrochen im Jahr 2021. Dann fiel ich kopfvoran auf den Boden, also genau zwischen Matte und Einstellkasten. Da war ich recht schwer verletzt. Aber in 90 Prozent der Fälle passiert nicht viel, wenn einer bricht.
Wie transportierst du den Stab?
Wenn wir fliegen, müssen wir abklären, um welchen Flugzeugtyp es sich handelt. Bei einem Airbus A320 wissen wir, dass die Stäbe reinpassen, bei einem A319 müssen wir schon aufpassen, und wenn es ein noch kleineres Flugzeug ist, kann man es vergessen. Zum Glück habe ich aber Leute, die mir dabei helfen. Wenn ich fliege, packe ich die Stäbe in eine Hülle, nehme sie auf die Schulter und laufe so durch den Flughafen, da sind die Leute oft etwas überfordert, wenn ich an den Schalter komme. (lacht)
Bekommst du deine Ausrüstung gratis?
Wenn man mit dem Sport anfängt, werden die Stäbe manchmal von den Vereinen bezahlt, die Kleider kauft man selbst. Wenn man aber besser wird, unterschreibt man irgendwann mal einen Vertrag mit einem Ausrüster und bekommt Kleider und Nagelschuhe gratis. Die Stäbe sind bei mir vom Club zur Verfügung gestellt.
Was kostet ein Stab?
1000 Franken. Im Wettkampf habe ich eine Hülle mit 12 oder 13 Stäben, insgesamt sind es etwa 30 oder 40.
Was war deine schlimmste Verletzung?
Da sind wir wieder beim Stab, der brach. Da waren fast alle Muskeln im Rücken gerissen, ich hatte einen Pneumothorax, also eine Verletzung an der Lunge, und eine Gehirnerschütterung. Da ging es mir nicht gut, ich war relativ lange im Spital. Bis ich den Alltag selbst wieder bestreiten konnte, ging es einen guten Monat. Aber ich hatte immer ein Ziel vor Augen. Nur schon mich selbst anzuziehen, zum Beispiel.
Hast du eine Rivalin?
Das Gute am Stabhochsprung ist, dass ich nicht gegen jemanden springe, mein Resultat ist nur davon abhängig, was ich mache. Was das nachher für einen Rang ergibt, kann ich nicht beeinflussen. Aber ja, es gibt schon Gegnerinnen, bei denen man happy ist, wenn man sie schlägt. Aber ich nenne keine Namen. (lacht)
Wie ist es, berühmt zu sein?
Wir Sportler sind da relativ bescheiden, wir bleiben die gleichen Menschen, auch wenn wir oft im Fernsehen sind. Aber es ist zum Teil lustig, wenn man unterwegs ist und angesprochen wird. Nach den Spielen in diesem Sommer gratulierte mir überall jemand zu meiner Saison. Das ist sehr schön zu sehen. Und es ist eine Möglichkeit, den Menschen etwas zurückzugeben.
Gab es schon schwierige Momente in deiner Karriere?
Wir haben ja über Verletzungen gesprochen, die sind nie cool. Eine grosse Enttäuschung waren für mich die Olympischen Spiele 2021 in Tokio, weil ich viel besser parat war als das, was ich nachher zeigte. Aber daraus kann man lernen auf die nächsten Spiele hin. Es macht den Sport ja auch aus, dass Freud und Leid so nah beieinander sein können.
Hast du ein Idol?
Das waren früher oft Kunstturnerinnen. Dann wurde ich, etwas klischeemässig, auch ein Fan von Roger Federer. Weil er so erfolgreich ist und sich trotzdem treu blieb.
Was ist das Tollste an deinem Sport?
Dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte. Das ist megacool. Ich mache jeden Tag das, was ich am liebsten mache, und darf damit noch die Welt bereisen.
Verdienst du genug Geld, um davon leben zu können?
Auf dem Niveau, auf dem ich jetzt springe: ja. Wir haben keine fixen Löhne, vieles kommt von Sponsoren, oder wir bekommen Preisgeld oder Boni. Wir bekommen dann mehr Geld, wenn wir gut springen. Das Einkommen ist also sehr abhängig davon, wie die Saison läuft.
Was machst du in der Freizeit?
Neben Training und Uni bleibt nicht mehr so viel Zeit. Wenn, dann verbringe ich viel Zeit mit Familie und Freunden. Ab und zu gehe ich mit einer Kollegin in einen Töpferkurs. Und ich verbringe viel Zeit in der Eishalle, weil mein Freund Eishockey spielt. Ich probiere auch gern Sportarten aus, aber so, dass mein Trainer nicht gleich einen Herzinfarkt bekommt. Er hat immer Schiss, dass ich mich verletze.
Haben du und dein Freund Zeit, um zusammen in die Ferien zu gehen?
Nein, gar nie. Meine Saison ist dann fertig, wenn die Eishockeysaison beginnt. Das ist einerseits schwierig, aber andererseits ist es auch cool, weil er mich bei meinen Wettkämpfen besuchen kann, er war an der EM und an den Olympischen Spielen zum Beispiel. Und ich kann auch häufig bei seinen Spielen zuschauen.
Was isst du vor einem Wettkampf?
Wenn der Wettkampf am Abend ist, habe ich meine letzte Mahlzeit vier bis fünf Stunden davor. Ich mag es gar nicht, wenn ich einen schweren Bauch habe beim Wettkampf. Bei einem Anlass in der Schweiz koche ich zu Hause selbst, mache zum Beispiel Poulet mit Reis. Im Ausland muss ich zum Teil improvisieren. Sicher etwas, das nicht obsi kommt, also nicht Pizza oder Burger.
Hast du einen Glücksbringer?
Ich habe von meinem Grossmami immer einen Glücksbringer bekommen vor wichtigen Wettkämpfen. Den nahm ich immer mit.
Sind die anderen Stabhochspringerinnen auch Kolleginnen oder nur Konkurrentinnen?
Im Wettkampf schaut schon jede für sich, da ist man im Tunnel und kümmert sich nicht gross darum, was die anderen machen. Aber es ist schon so, dass wir sehr viel Zeit miteinander verbringen, da gibt es schon Freundschaften.
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