«Zukunft unserer Nahrungsmittel ernsthaft gefährdet»
Hunderte Forscher haben erstmals ein globales Gutachten zu jenem Teil der Biodiversität erstellt, welche zur Landwirtschaft beiträgt.
Die Zahlen sprechen für sich: Auf 452 Seiten tragen 175 Autoren und Redaktoren Erkenntnisse von 91 Länderstudien und 27 internationalen Organisationen zusammen. Wenn die Verfasser der Länderstudien dazugezählt würden, steigt die Zahl der beteiligten Mithelfer auf über 1300 Personen.
Das Thema: «Das erste globale Gutachten zum Zustand der biologischen Vielfalt, auf der unsere Ernährungssysteme basieren». Der wichtigste Befund: Es gibt «zunehmende Belege dafür, dass die Biodiversität weltweit abnimmt», was «die Zukunft unserer Nahrungsmittel, unserer Lebensgrundlagen, unserer Gesundheit und der Umwelt ernsthaft gefährdet». Der wuchtige Bericht wurde am Freitag von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (auf Englisch abgekürzt: FAO) veröffentlicht.
«Wichtige Ökosysteme gehen stark zurück»
Im Bericht geht es nicht generell um die biologische Vielfalt, sondern spezifisch um jenen Teil der Biodiversität, der zur menschlichen Landwirtschafts- und Nahrungsmittelproduktion beiträgt – abgekürzt als «biodiversity for food and agriculture» (BFA). Die Autoren zeigen im Detail auf, was für Services die Ökosysteme der menschlichen Nahrungsproduktion zur Verfügung stellen: wie die Erhaltung gesunder Böden, die Bestäubung von Pflanzen, die Bekämpfung von Schädlingen und Lebensraum für Wildtiere, die für die Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung sind.
Länder berichten, dass die Bestände vieler solcher Arten infolge der Zerstörung und Schädigung der Lebensräume, Übernutzung, Umweltverschmutzung und anderer Bedrohungen abnehmen. «Wichtige Ökosysteme, die zahlreiche für Ernährung und Landwirtschaft wesentliche Dienstleistungen erbringen, gehen stark zurück», so die Forscher. Die Ursachen für die abnehmende BFA sind hauptsächlich die Veränderungen der Land- und Wassernutzung gefolgt von der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen sowie der Umweltverschmutzung.
Die Forscher berichten von einer im Durchschnitt abnehmenden Pflanzenvielfalt auf den Feldern der Bauern, einer steigenden Anzahl vom Aussterben bedrohter Nutztierearten und einem Anstieg der überfischten Fischbestände:
- Von den rund 6'000 Pflanzenarten, die für die Ernährung angebaut werden, tragen weniger als 200 wesentlich zur globalen Nahrungsmittelproduktion bei – und nur neun machen 66 Prozent der gesamten Produktion aus: Zuckerrohr, Mais, Reis, Weizen, Kartoffeln, Sojabohnen, Ölpalmen, Zuckerrüben und Maniok.
- Die weltweite Tierproduktion basiert auf etwa 40 Tierarten, wobei nur eine Handvoll den überwiegenden Teil des Fleisches, der Milch und der Eier liefert. Von den 7'745 Nutztierarten, die weltweit gemeldet werden, sind 26 Prozent vom Aussterben bedroht.
- Fast ein Drittel der Fischbestände ist überfischt, mehr als die Hälfte hat ihre nachhaltige Grenze erreicht.
«Einmal ausgestorben, können sie nicht wiederbelebt werden»
Dabei nennt der Bericht ein positives Beispiel aus der Schweiz, dass die menschliche Aktivität der Biodiversität auch zuträglich sein kann: «Die artenreichen Bergwiesen der Schweizer Alpen sind das Ergebnis jahrhundertelanger extensiver landwirtschaftlicher Tätigkeit, die offene und halboffene Lebensräume unterhalb der Baumgrenze pflegt», heisst es im Bericht. «Ohne menschliche Eingriffe würden die meisten dieser Lebensräume schnell wieder in ihren natürlichen Waldzustand zurückkehren, was zum Verlust der vorhandenen biologischen Vielfalt führen würde.»
Die Autoren argumentieren, dass biologische Vielfalt als solche wertvoll sei, weil sie helfe, Schwankungen oder auch nachhaltige Veränderungen in der Umwelt abzufedern. Dabei ist die Gefahr irreversibler Schäden gross: «Einmal ausgestorben, können Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen, die entscheidend für unsere Nahrung sind, nicht mehr wiederbelebt werden», so die Forscher.
Die Autoren loben, dass zahlreiche Länder bereits für den Erhalt der Artenvielfalt kämpften – jedoch müsse mehr getan werden, forderte die Organisation. Regierungen und die internationale Gemeinschaft müssten sich deutlich mehr anstrengen. Im Vorwort bedanken sich die Herausgeber ausdrücklich bei der Schweiz, Deutschland, Norwegen und Spanien, «ohne deren Unterstützung dieser Bericht nicht möglich gewesen wäre».
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