Revolution im Zürcher ÖVSchon 2025 bringen selbstfahrende Autos SBB-Passagiere zum Bahnhof
Das Projekt dürfte europaweit interessieren: Im Furttal sollen führerlose Fahrzeuge den ÖV ergänzen. Erstmals ist ein Betrieb ohne Sicherheitspersonal geplant.

- Der Kanton Zürich testet autonome Busse ohne Sicherheitspersonal im regulären Betrieb.
- Die Busse bedienen Gebiete, wo ein herkömmlicher Busbetrieb nicht rentabel ist.
- Das Pilotprojekt startet Ende 2025 mit Pkw-Grösse, später sollen Kleinbusse zum Einsatz kommen.
Carmen Walker Späh gerät am Telefon regelrecht ins Schwärmen. Die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin spricht von einem Meilenstein, einem vielversprechenden Projekt und davon, dass Zürich «als technologiegetriebener Standort eine Vorreiterrolle übernehmen» will.
In der Tat dürfte das Projekt, das der Kanton Zürich zusammen mit den SBB und dem Verein Swiss Transit Lab (STL) im Furttal plant, europaweit interessieren. Ab kommendem Jahr sollen dort im Rahmen eines Pilotprojekts autonome, führerlose Autos und Rufbusse eingesetzt werden. Das teilt der Kanton heute mit.
Der Kanton Zürich gehört damit zu den ersten Regionen, die solche Angebote in einem grösseren Rahmen und einem grösseren Gebiet testen - und zwar im «Echt-Betrieb» und ohne Sicherheitspersonal an Bord.
Bisher durften die Fahrzeuge in der Schweiz nicht führerlos unterwegs sein, es brauchte jederzeit Sicherheitspersonal an Bord. Neu ist auch, dass die Fahrzeuge im regulären Verkehr und im normalen Tempo fahren werden, nicht nur auf Quartierstrassen und mit Tempo 20 bis 30. «Das sind die ersten Schritte hin zu einem wirklich kommerziellen Betrieb», sagt STL-Präsident Matthias Rödter.
Ergänzung dort, wo sich ein regulärer Bus nicht lohnt
Die Idee: Menschen, die etwas abgelegener wohnen und zur nächsten regulären Haltestelle einen längeren Fussmarsch unternehmen müssen oder aufs Velo steigen, sollen künftig per App ein Auto bestellen können, das sie an einem definierten Punkt in der Nähe abholt und zum Beispiel an den nächsten Bahnhof bringt.
Das Angebot soll vor allem dort zum Einsatz kommen, wo sich ein regulärer Busbetrieb mangels Nachfrage nicht rentabel betreiben lässt. Das Furttal sei dafür die ideale Region, heisst es in der Mitteilung des Kantons. Es ist ein relativ abgeschlossenes Tal mit längs verlaufender, zentraler Bahnlinie und teils dichter, teils aber auch sehr lockerer Besiedlung.
Passagiere können ab Ende 2025 einsteigen
Bis es so weit ist, sind umfangreiche Vorarbeiten nötig. In den nächsten Wochen werden die Fahrzeuge vor Ort kalibriert: Mittels Sensoren werden die Strassen, auf denen sie zum Einsatz kommen, vermessen. Hindernisse müssen erfasst werden und Haltepunkte definiert. Ab dem Frühling 2025 folgt dann ein ausgiebiger Testbetrieb. In dieser Zeit begleiten Sicherheitsleute die Fahrzeuge.
Passagierinnen und Passagiere sollen das Angebot voraussichtlich Ende 2025 erstmals auf einer Linie nutzen können. Zunächst werden Fahrzeuge zum Einsatz kommen, die nicht grösser sind als ein normaler Personenwagen. Im Verlauf des Jahre 2026 sollen dann auch Kleinbusse im Furttal verkehren.
Noch ist nicht genau definiert, wo die Fahrzeuge verkehren sollen. Das Testgebiet umfasst die Gemeinden Otelfingen, Dänikon, Boppelsen, Hüttikon, Buchs, Dällikon und Regensdorf.
Leitstelle überwacht die Fahrzeuge
Carmen Walker Späh ist überzeugt, dass die Zeit für das Projekt reif ist: «Die Technik funktioniert.» Ohnehin fahren die automatisierten Busse auch dann, wenn kein Personal mehr an Bord ist, nicht völlig unkontrolliert. Sie werden künftig von einer zentralen Leitstelle überwacht, die jederzeit eingreifen kann.
Ob die Menschen der neuen Technik auch trauen, ist freilich eine ganz andere Frage. «Genau das wollen wir mit dem Versuchsbetrieb herausfinden», sagt Walker Späh. Ziel sei es zu verstehen, ob und wie das Angebot funktioniert, ob es einen Markt dafür gibt und wie die Reaktionen der Bevölkerung sind. Laut STL-Präsident Rödter ist auch noch offen, ob es eine Art Linienbetrieb gibt oder eher ein Ruftaxi-System. Auch dazu soll der Test Erkenntnisse bringen.
Die Otelfinger Gemeindepräsidentin Barbara Schaffner sieht in den autonomen Fahrzeugen jedenfalls eine zukunftsträchtiges System - gerade im Furttal. Dort seien die Anschlüsse der Busse auf die S-Bahn schon seit langem ein Diskussionsthema. «Wir waren deshalb sofort dabei, als uns der Kanton angefragt hat.»
Gras bringt die Fahrzeuge nicht mehr aus dem Konzept
Das Pilotprojekt soll maximal fünf Jahre dauern. Der Kanton Zürich zahlt als Anschubfinanzierung 3,8 Millionen Franken daran, die SBB finanzieren den Betrieb mit maximal 1 Million Franken pro Jahr. Danach soll das Angebot selbsttragend sein und schrittweise ausgebaut werden.
Und was ist mit den legendären Kinderkrankheiten der autonomen Fahrzeuge, die in Schaffhausen zum Beispiel bockten, weil sie im Herbst die blätterlosen Bäume nicht mehr erkannten oder weil hoch stehendes Gras sie aus dem Konzept brachte? Rödter lacht laut, als er darauf angesprochen wird: «Diese Probleme sollten mit der neuen Technologie behoben sein. Die Fahrzeuge sind ja auch schon kommerziell im Einsatz.» Klar sei aber auch: Wo es allenfalls hakt, lässt sich nur herausfinden, wenn die Fahrzeuge auf der Strasse unterwegs sind.
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