Zukunft der Social Media Zuckerberg sichert seine Macht bei Facebook
Der Tech-Gründer will das soziale Netzwerk zur uneinholbaren Nummer eins der Welt machen. Kritische Stimmen werden aus dem Unternehmen gedrängt.
Der Erfolg scheint Mark Zuckerberg recht zu geben. Wegen der Corona-Krise vernetzen sich in den vergangenen Wochen mehr Nutzer denn je über Facebook- und Instagram-Videos und Whatsapp. Zwei Drittel aller Internetnutzer haben sich während der Corona-Quarantäne auf seinen Plattformen eingefunden und ihm hohe Gewinne gesichert. Der Konzern hat den Börsensturz bereits wettgemacht, und Zuckerberg konnte sein Vermögen auf über 90 Milliarden Dollar erhöhen.
Hinter den Kulissen aber hat der 35-jährige Mogul weit mehr getan, um seine Macht zu erweitern. Obwohl er bereits mit nur einem Sechstel der Aktien 58 Prozent der Stimmrechte kontrolliert, baute er in nur einem Jahr den Verwaltungsrat um. Kritische Mitglieder gingen, Gleichgesinnte kamen.
Unzufriedene Aktionäre wollten im vergangenen Jahr solch eine Machtballung eigentlich verhindern. «Facebook agiert im Wesentlichen als Diktatur», kritisierten sie. «Unser Verwaltungsrat ist an eine veraltete Governance-Struktur gebunden, die die Rechenschaftspflicht des Verwaltungsrats gegenüber den Aktionären verringert», so die Kritik. Doch ihre Forderungen nach einem unabhängigen Präsidenten und gleichberechtigten Stimmen für alle Aktionäre stiessen auf taube Ohren.
Fünf von neun Verwaltungsräten gingen
Seither sind fünf der neun Verwaltungsräte des von Zuckerberg kontrollierten Gremiums ausgeschieden und haben Nachfolgern Platz gemacht, die dem Boss näher stehen. Seinen Sessel geräumt hat auch Chris Cox, Produktmanager von Facebook, der in den letzten Jahren einige der wichtigsten Neuerungen der Plattformen durchsetzte und als möglicher Nachfolger von Zuckerberg gehandelt wurde.
Cox kritisierte den Entscheid, künftig auf Facebook verschlüsselte und private Eintragungen höher zu gewichten als öffentliche. Er befürchtete, verschlüsselte Beiträge würden es erschweren, kriminelle Aktivitäten von Terroristen oder Kinderschmugglern zu entdecken. Zuckerberg liess sich nicht überzeugen; und Cox ging.
Zuckerberg sollte gemäss dem «Wall Street Journal» umgangen werden. Das misslang.
Im März dieses Jahres setzten sich in kurzer Folge zwei unabhängige Verwaltungsräte ab. Zunächst zog sich Kenneth Chenault, Ex-Chef von American Express, nur knapp zwei Jahre nach seinem Eintritt aus dem Verwaltungsrat zurück. Er war zunächst so etwas wie ein väterlicher Freund von Zuckerberg gewesen und stand ihm mit Rat und Tat bei.
Offenbar stiess aber auch er auf taube Ohren. Deshalb schuf er eine externe Beratergruppe und wollte auf diesem Weg den Verwaltungsrat mit unabhängigen Meinungen zu den Datenschutz-, Image- und Kontrollproblemen des Konzerns versorgen. Zuckerberg sollte gemäss dem «Wall Street Journal» umgangen werden. Das misslang.
Frustrierter Ex-Berater Obamas
Auch Jeffrey Zients, Ex-Wirtschaftsberater von Präsident Obama, kehrte Facebook den Rücken. Er wollte die Rolle der unabhängigen Verwaltungsräte stärken und rief sie zu Sitzungen ohne den Vorsitzenden zusammen. Auch er war frustriert vom Krisenmanagement von Zuckerberg und wollte das Unternehmen öffnen.
Sie alle bissen auf Granit, gleich wie zuvor der Ex-Banker und Bill-Clinton-Berater Erskine Bowles, der Netflix-Chef Reid Hastings und die Ex-Genentech-Managerin Susan Desmond-Hellmann. Sie wollten die Unternehmenskultur ändern und die Transparenz und soziale Verantwortung verbessern. Sie hatten keinen Erfolg und verliessen den Verwaltungsrat.
Dies erlaubte Zuckerberg, sie mit ihm nahe stehenden Personen wie dem Dropbox-Chef Drew Houston und der Paypal-Managerin Peggy Alford zu ersetzen. Sie können als Teil der erweiterten Zuckerberg-Familie gesehen werden, zu der auch die verbliebenen Verwaltungsräte Sheryl Sandberg, Peter Thiel und Marc Andreessen zählen.
Weltweite Führung in «sozialer Infrastruktur»
Der Deutsche Thiel sitzt bereits seit 2005 im Verwaltungsrat und teilt nicht nur die libertären Ansichten von Zuckerberg, er verstärkt sie sogar. Obwohl der Venture-Capital-Investor Andreessen in den letzten Jahren wiederholt mit Zuckerberg lautstark Meinungsdifferenzen austrug und eine Demission erwog, entschied er sich zum Bleiben. Sandberg bleibt die rechte Hand von Zuckerberg, doch ist ihr öffentliches Profil seit 2017 stark gesunken.
Als die Pandemie ausbrach, übernahm Zuckerberg das Corona-Ruder; er wollte Facebook als Helfer in der Not positionieren.
Damals hatte Zuckerberg seinen Machtanspruch in einem 6000 Worte langen Manifest deutlich kundgetan. Er wollte Facebook zur weltweit führenden «sozialen Infrastruktur» ausbauen und auch eine führende Rolle im Kampf gegen globale Krankheiten spielen. Die Absicht wurde von den Enthüllungen um die Rolle russischer Agitatoren in den Wahlen 2016 zunächst zunichtegemacht, bevor Zuckerberg sie dieses Jahr erneut und mit aller Kraft geltend machte.
Als die Pandemie ausbrach, übernahm er das Corona-Ruder; er wollte Facebook als Helfer in der Not positionieren. Von seinen Kaderleuten waren grosse Ideen gefragt, die auch das «öffentliche Image von Facebook ändern» sollten. Viel mehr als eine PR-Kampagne ist bisher allerdings nicht zu sehen. Titel der Kampagne: «Wir sind nie verloren, wenn wir uns finden können.»
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