Simon Bodenmanns letzte DerbysDer ZSC-Stürmer hört auf – und verkauft eine eigene Mundspülung
Nach 18 Jahren, zwei Meistertiteln und WM-Silber ist Schluss: Simon Bodenmann wechselt Ende Saison in die Privatwirtschaft. Was er vermissen wird und welche Geschäftsideen er verfolgt.
Er beschrieb sich als loyal, ehrgeizig und unpünktlich. Und sagte: «Ich komme immer zu spät, ausser zu den Trainings. Doch selbst da bin ich oft der Letzte.» Elf Jahre ist das her. Nun öffnet Simon Bodenmann mit entschuldigendem Blick die Tür zum Restaurant Zett und sagt fünf Minuten nach dem vereinbarten Termin: «Sorry, ein Skandal. Jetzt bin ich 35 und schaffe es noch immer nicht, pünktlich zu sein.» Dabei habe er extra noch auf den Saunabesuch verzichtet. Lukas Flüeler ärgere sich schon seit 20 Jahren über seine Unpünktlichkeit.
Flüeler und Bodenmann sind beste Freunde. Zehn Jahre lang teilten sie sich eine Wohnung. Im Frühjahr 2022 trat der dreifache ZSC-Meisterkeeper zurück, nun zieht Bodenmann am Ende der Saison nach. «Ein schönes Alter, um aufzuhören», sagt der Stürmer, der im März 36 wird. Noch vor einem Jahr konnte sich der WM-Silberheld von 2013 mit dem Gedanken nicht anfreunden.
Der läuferisch und technisch begnadete Flügel erhielt von Trainer Marc Crawford viel Vertrauen. Wann immer der ZSC ein Tor benötigte, wurde Bodenmann aufs Eis geschickt. Dieser dankte es mit 16 Treffern und 30 Punkten. Auf noch bessere Werte (35 Punkte) kam der gebürtige Winterthurer einzig in seiner letzten Spielzeit in Bern 2017/18. Dennoch wollten die Verantwortlichen den Kontrakt zunächst nicht verlängern. Es gelte, den Verjüngungsprozess einzuleiten, hiess es.
Damals wurde Bodenmann erst bewusst, dass seine Karriere in wenigen Monaten zu Ende sein könnte. Er war nicht darauf vorbereitet, sagt: «Das hätte mich aus etwas gerissen, das nicht fertig war.» Vier Bodenmann-Tore in den zwei Derbys gegen Kloten führten schliesslich zu einem Umdenken. Der ZSC stattete den 73-fachen Nationalspieler mit einem neuen Einjahresvertrag aus.
Im Sommertraining hat sich Bodenmann noch einmal abgemüht. Er fühlt sich körperlich fit und sagt: «Mir tut nichts weh.» Dennoch begannen Gedanken übers Karriereende in ihm zu reifen. Dass er in Crawfords Plänen nur noch eine untergeordnete Rolle spielt und kaum über die vierte Linie hinauskommt, beschleunigte den Prozess. Als Sportchef Sven Leuenberger ihn im November nach seiner Zukunft fragte, kam die Antwort prompt: «Ich höre auf.»
Ambri warb um die Gunst des Stürmers. Ein Wechsel hätte Bodenmanns Karriere perfekt abgerundet, schliesslich fieberte er als Kind in der Valascia von der Fankurve aus mit. Vor einem Jahr hätte Bodenmann noch zugesagt, nun zog er ein Angebot aus der Privatwirtschaft vor. Ab September wird der Zürcher, der 2019 ein Fernstudium in Betriebsökonomie mit Master abgeschlossen hat, eine Stelle im Asset-Management bei der Immobiliengesellschaft Swiss Prime Site Solutions antreten. Dort arbeitet er bereits jetzt an zwei Nachmittagen die Woche.
Auch im Büro schon abgeklatscht
Die Momente im Eishockey lebt der Stürmer nun bewusster. Er denkt an die Derbys. Am Samstag in Altstetten, am Sonntag am Schluefweg. Es sind Bodenmanns letzte Duelle gegen seinen Stammclub. 2006 debütierte er für Kloten in der höchsten Liga. Aus dem damaligen Team sind heute einzig Damien Brunner und Robert Mayer noch aktiv.
Auf die Frage, was Bodenmann künftig vermissen wird, kommt er aufs Garderobenleben zu sprechen. Er denkt an die Leichtigkeit und die Sprüche, sagt aber auch, dass sie sich im Büro auch schon abgeklatscht hätten. Generell stellt er im Vergleich zu seinen Anfängen Unterschiede fest.
«Der Druck auf jeden Einzelnen ist noch einmal grösser geworden. Gerade bei uns ist aufgrund des breiten Kaders jeder noch mehr mit sich selbst beschäftigt, um spielen zu können. Das macht es automatisch schwieriger, abseits der Eishalle als Team Zeit zu finden, etwas zu unternehmen.» Früher hätten sich die Profis auch mal für den Ausgang verabreden können, sofern es der Spielplan zugelassen habe. «Nun kommt mit Vinzenz Rohrer und Co. eine Generation, die noch professioneller und bereits in jungen Jahren auf Leistung getrimmt ist. Aber das haben Liniger, Jenni und Co. bestimmt auch schon über uns gesagt – nichts als normal, dass sich die Dinge verändern.»
Mundspülung-Idee kam nach einem Unfall
Bodenmann freut sich auf Dinge, die ihm während des Profilebens verwehrt blieben. Auf das Skifahren. Oder darauf, selbstbestimmter leben und vorausplanen zu können. Zudem will der zweifache Meister mit Bern weiter an Geschäftsideen tüfteln.
Mit Flüeler und einem weiteren Studienkollegen entwickelte er unter dem Label Okkaw – die Herkunft des Namens ist ein Betriebsgeheimnis – eine Ingwer-Minze-Mundspülung. Ideen hatte das Trio einige. Die der Mundspülung setzte sich durch, nachdem ein Spieler bei einem Unfall mehrere Zähne verloren hatte. «Unser Kollege fragte, wie der Spieler nun seine Zähne putze. Wir antworteten: Gar nicht, er benutzt Mundspülungen.»
Dem Trio ging es darum, das im Studium Gelernte in die Praxis umzusetzen, wie Bodenmann festhält. Und er schmunzelt: «‹Flüeli› lachte mich immer aus, weil ich früher stets ein spezielles Mundwasser verwendet habe. Witzig, dass wir nun eine eigene Mundspülung herstellen.» Wichtig: Im Vergleich zu einem Mundwasser kann eine Mundspülung unverdünnt angewendet werden.
Bald sollen auch Mundspray und Zahnpasta folgen. Noch aber gilt Bodenmanns Hauptaugenmerk dem Eishockey. Er freut sich auf die letzten Monate. Und sagt: «Ich hatte die beste Zeit im Eishockey, bin nur dankbar. Wenn ich gesundheitlich so aufhören kann, wie es mir jetzt geht, bin ich der glücklichste Mensch. Für den maximalen Erfolg werde ich nochmals alles in die Waagschale werfen.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.