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Schweizer Buchpreis 2024
Sie gewinnt den wichtigsten Schweizer Literaturpreis – mit einem Buch, das uns alle betrifft

Schriftstellerin Zora del Buono Portraitiert am Mittwoch, 23. Oktober 2024 in Zuerich. Tora del Buono ist mit ihrem Roman, «Seinetwegen» (C.H. Beck Verlag) fuer den Schweizer Buchpreis 2024 nominiert.  (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Sie kann erzählen und hat etwas, das verhandelt werden muss. Also bitteschön, sagen Sie jetzt? Klingt einfach, ja, aber damit ist alles da, was ein gutes Buch braucht. Immer wieder fehlt einem das eine oder das andere und manchmal leider auch beides. Mit «Seinetwegen» wird eine Recherche, die zum Roman wurde, ausgezeichnet. Es sei ein Text, der uns alle betreffe, findet die Jury des Schweizer Buchpreises. Es gehe um Schuld, Verlust und Versöhnung.

Zora del Buono ist acht Monate alt, als ihr Vater bei einem Autounfall stirbt. Manfredi del Buono wurde gerade einmal 33 Jahre alt. Sechzig Jahre später, die Tochter räumt die Wohnung der Mutter, die dement in ein Heim umziehen muss, und findet die Initialen des Unfallverursachers: «E. T.»

Sie rechnet nach, es könnte sein, dass der «Töter ihres Vaters» noch lebt. Wie hat er all die Jahre mit dieser Schuld gelebt? Del Buono beginnt mit ihrer Suche. Und ihre Leserschaft schaut dabei zu, wie sie teils assoziativ, teils mäandrierend und immer wieder herrlich ironisch erzählt, von dem, was sie findet.

Listen, Akten, Fotos – daraus wurde grossartige Literatur

Sie schreibt Listen, zitiert Statistiken, zeigt Auszüge aus Akten und stellt diese Textsorten dem hoch emotionalen Erzählen gegenüber. Zum Beispiel eine Auswahl prominenter Opfer des Strassenverkehrs trösten die Autorin auf eine gewisse Art: Albert Camus, James Dean, Diana Princess of Wales, Falco, Grace Kelly, Helmut Newton, Jackson Pollock oder W. G. Sebald.

In einer anderen Liste zählt sie die eigenen Deformationen auf: «Irritation, wenn Menschen von tragischen Schicksalsschlägen sprechen, die eigentlich keine sind, zum Beispiel das Sterben greiser Eltern.» Dem gegenüber Erinnerungen, wie sie als Kind die Bartstoppeln aus dem Rasierapparat in der Hand gehalten und dann versucht hat, sie wieder in den Apparat zurückzulegen. Es wurden immer weniger. Wortwörtlich entglitt dem Kind der Vater, bis keine Stoppeln mehr da waren.

Keine Sentimentalitäten

Schicksalsgeschichten haben, nebst dem, dass sich viele Menschen damit identifizieren können, leider auch das Potenzial, ins Pathetische abzustürzen. In «Seinetwegen» sucht man vergebens nach solchen Momenten. Das ist ganz grossartig, dieser unsentimentale Ton von Zora del Buono, man würde auch noch hundert Seiten weiterlesen. Und wann will man das schon?

Die Tochter hat die Trauer der Mutter ein Leben lang nicht abnehmen können und die zerstörerischen «Was-wäre-wenn-Fragen», sie hängen wie ein Fluch über dem Frauenhaushalt. Offenbar war der eigentliche Plan, dass Mutter und Tochter damals auch mitfahren. Das Kind war aber krank, und Zora del Buonos Mutter entschied, nicht ins Auto zu steigen.

Es sind Sekunden, die unser Leben in die eine oder andere Richtung verändern. Wäre das Kind nicht krank gewesen und das Auto später losgefahren, wäre der Unfall deshalb nicht passiert? Oder aber der Unfall wäre passiert und die ganze Familie danach tot? «Seinetwegen» erzählt, wie zerbrechlich unser Leben ist, aber auch davon, wie zäh wir sind.