Motofestival BernZehn entkräftete Töff-Vorurteile
Vom 23. bis 26. Februar findet in der Bernexpo das nationale Motofestival statt. Wir haben Mediensprecher Markus Lehner mit zehn Vorurteilen gegenüber Töfffahrern konfrontiert.
Die Schweizer Autofahrer haben erkannt, dass die Umwelt geschont werden muss – Fahrzeuge mit alternativen Antrieben boomen. Das ist bei den Zweirädern nicht der Fall.
Falsch. Im urbanen Bereich setzen sich elektrisch angetriebene Roller und Kleinmotorräder immer mehr durch, der Anteil bei den Neufahrzeugen betrug 2022 rund 15 Prozent. Tendenz stark steigend. Bei den grossen Motorrädern fürs Freizeitvergnügen gibts hingegen zwei noch ungelöste technische Probleme: Wohin mit dem vielen Strom für eine ausgedehnte Weekend- oder gar Ferienausfahrt, und wo sind auf Pässen und kleinen Landstrassen die Ladestationen? Das bestehende Angebot an grossen E-Motorrädern ist für einen wirtschaftlich denkenden Normalverbraucher noch keine echte Alternative und nur für eine solvente Avantgarde interessant. Nicht unähnlich, wie es vor einem Jahrzehnt die Teslas bei den Vierrädrigen waren.
Während ein Grossteil der Autofahrer aus beruflichen Gründen mit dem Fahrzeug unterwegs ist, verbrennen Töfffahrer Benzin in erster Linie zum Spass.
Jeder, der mit dem Auto am Weekend in die Berge, zur Grossmutter oder an einen Fussballmatch düst, ist nicht beruflich unterwegs. Aber es stimmt natürlich, Motorradfahren ist heute fast zu hundert Prozent eine Freizeitbeschäftigung. Kleinmotorräder und Roller hingegen werden in Stadt und Agglomeration vorwiegend als Nutzfahrzeuge eingesetzt.
Töfffahrer verhalten sich besonders in Gruppen rücksichtslos und sind für andere Verkehrsteilnehmer ein Risiko.
So was kann nur ein Nicht-Motorradfahrer behaupten. Denn im Falle eines Falles tut sich der Zweiradfahrende mit Sicherheit mehr weh als Vierrädrige in ihrem Blechkäfig. Also drängt sich die Einhaltung von Sicherheitsreserven auf. Aber natürlich, schwarze Schafe gibts immer – auf zwei oder vier Rädern.
Im Stau nach vorne drängeln ist verboten, trotzdem tun es immer noch viele.
Es sind nicht viele, sondern eine Minderheit. Die Gesetzgebung ist klar: Wer nach vorne drängelt, wird bestraft. Aber aus unserer Sicht wäre eine Lockerung des Verbots zumindest bei stehenden Kolonnen im Sinne einer Verkehrsentflechtung wünschenswert.
Überholt wird, wo es Lust macht. Und Abstand halten ist für Biker ein Fremdwort.
Wie schon gesagt: Im Falle eines Falles tut sich der Zweiradfahrende mit Sicherheit mehr weh als ein Autofahrer. Zudem zeigen die seit Jahren rückläufigen Unfallzahlen klar auf, dass die Vernunft im Vergleich zu den längst vergangenen, wilden Zeiten Einzug gehalten hat.
Junge fahren zu dicke Maschinen, mit denen sie nicht umgehen können.
Falsch. Seit 1. Januar 2021 gilt in der Schweiz ein neuer Stufenführerschein. Ab 18 Jahren dürfen Neueinsteiger mit maximal 35 kW (48) PS starken Motorrädern unterwegs sein, erst danach kann mit einer neuen Prüfung in die Oberklasse gewechselt werden. Ganz im Gegensatz zu den Autos, wo gut betuchter Nachwuchs schon ab 18 mit BMW, Mercedes, Ferrari, Maserati & Co. die Gegend unsicher machen darf.
Ältere Biker führen sich auf den Strassen auf wie einst im Film «Easy Rider».
«Easy Rider» wurde 1968 gedreht und ist schon mehr als ein halbes Jahrhundert Vergangenheit. Wer diese Zeit live als Töfffahrer miterlebt hat, ist heute – falls er oder sie noch unter uns weilt – in einem Alter, in dem das Motorradfahren wohl kaum noch eine Hauptrolle spielt. Man sollte also diese nicht totzukriegenden Vorurteile aus der Dinosaurierzeit des Zweirads endgültig begraben.
Und unter dem grimmig-coolen Look steckt eventuell der Betriebsleiter von der Migros nebenan, der Werkstattchef des städtischen Elektrizitätswerks, Ihr Banker oder Ihre Coiffeuse. Aber ganz sicher nicht der böse Outlaw, Drogenhändler und Lebensverweigerer aus «Easy Rider» der wilden 60er-Jahre. Das Töffvolk von heute setzt sich aus allen sozialen Schichten zusammen. Der SVP-Sympathisant fährt eher ein grosses Motorrad, die grün angehauchte Veganerin liebt ihren trendig-flippigen, vielleicht schon elektrisch betriebenen Stadtroller.
Die meisten Motorräder machen mehr Lärm als erlaubt.
Stimmt nicht. Die grosse Mehrheit des Töffvolks ist mit den serienmässigen Standardauspuffanlagen unterwegs, einige mit homologierten Zubehöranlagen, welche die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Grenzwerte erfüllen. Wie bei den Autos gibt es leider schwarze Schafe, die mit Anlagen unterwegs sind, die nur auf abgesperrten Rennstrecken eingesetzt werden dürften. Dass der Staat gegen diese Leute vorgeht, ist auch in unserem Sinn. Mit einer breit angelegten, von sämtlichen Verbänden unterstützten Lärmkampagne haben wir im vergangenen Jahr auf diese Thematik aufmerksam gemacht und zu Rücksicht und Respekt vor anderen Verkehrsteilnehmern aufgerufen.
In jeder Töffwerkstatt hängt auch heute noch ein Erotikkalender.
Der Anteil an weiblichen Motorradmechanikern nimmt ständig zu. Gut möglich, dass sich auch die Inhalte der Erotikkalender entsprechend geändert haben. Aber im Ernst: In einer modern eingerichteten Töffwerkstatt gibt es heute kaum noch Raum für eine Schmuddelecke.
Mitglieder eines Töffclubs sind fast alle kriminell.
Haha, wieder so ein unhaltbares Vorurteil aus der Urzeit des Töffahrens. Es gibt in der Schweiz mehrere Hundert Motorradclubs mit vielen Tausend Mitgliedern, die nichts anderes wollen, als das Hobby Töffahren gut vernetzt gemeinsam zu erleben. Mit klaren, gutschweizerischen Vereinsstrukturen, inklusive Mittwoch-Höck, Raclette-Abend und Jahresversammlung. Kriminell agierende «Rockerclubs» sind eine verschwindend kleine Gruppierung und haben mit dem heutigen Motorradvolk, das einen Querschnitt durch die helvetische Bevölkerung darstellt, nicht das Geringste zu tun.
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