Bakterien in der MundhöhleUnterschätztes Zahnfleischbluten – ab wann es gefährlich wird
Mundhöhlebakterien haben einen grossen Einfluss auf die Gesundheit. Ist das Zahnfleisch entzündet, können sie nicht nur im Mund, sondern auch körperweit Schaden anrichten.
Ein Biss in ein knuspriges Brot oder einen knackigen Apfel hinterlässt manchmal winzige Blutspuren. Das ist normal, denkt man sich. Doch blutendes Zahnfleisch ist ein Hinweis auf kleine Wunden, in die Bakterien eindringen können. Und diese treiben ihr Unwesen oft nicht nur in der Mundhöhle, sondern im ganzen Körper.
Sie können für einen Herzinfarkt verantwortlich sein, eine bestehende Zuckerkrankheit vorantreiben oder Frühgeburten und Untergewicht bei Neugeborenen mitverursachen. Dies kommt zwar nur in seltenen Fällen vor, doch die Folgen sind gravierend. Die Kleinstlebewesen können sich manchmal auch auf Implantaten wie Herzklappen oder künstlichen Gelenken niederlassen und zu Entzündungen führen. Neuere Studien deuten darauf hin, dass Mundhöhlebakterien auch bei der Entwicklung von Alzheimer eine Rolle spielen könnten. «Sie haben einen grossen Einfluss auf den allgemeinen Gesundheitszustand», betont Christoph Ramseier, Professor an den zahnmedizinischen Kliniken der Universität Bern. «Zahnfleischbluten ist deshalb nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.»
Bakterien greifen Knochen an
Vor allem aber richten die Bakterien in der Mundhöhle selbst viel Schaden an. Bei länger bestehendem Zahnfleischbluten kann es zu einer sogenannten Parodontitis kommen – einem Knochenschwund, der die Lockerung und im schlimmsten Fall sogar den Verlust von Zähnen nach sich ziehen kann. Es treten Probleme beim Kauen auf und Speisereste in den Zahnzwischenräumen können zu dumpfen Schmerzen führen. Beeinträchtigt können auch das deutliche Sprechen, das Singen oder Spielen von Blasinstrumenten sein.
Eine Parodontitis zeigt sich bei rund 40 Prozent der Bevölkerung. Weil in einer frühen Phase der Erkrankung die Zähne noch nicht unbedingt wackeln, merken viele nichts davon. Bei 10 Prozent liegt die Parodontitis in einer schwereren Form vor. Bis sie entdeckt und behandelt wird, sind die Betroffenen meist schon über 50. Doch die Krankheit beginnt in der Regel schon mit 35. «Wer über 40 ist und noch keine Parodontitis hat, ist meist über dem Berg», sagt Ramseier. In fortgeschrittenem Stadium werden teure und unangenehme Eingriffe wie Zahnfleischoperationen, Implantate oder sogar Totalprothesen nötig. Frühzeitiges Vorbeugen sei deshalb wichtig, betont der Dozent und Forscher.
Von der Entzündung zum Zahnstein
Einer Parodontitis geht stets eine Zahnfleischentzündung voraus – im Fachjargon Gingivitis. Leicht gerötete und geschwollene Stellen sind etwas sehr Häufiges. Sie treten auf, wenn Bakterien vom Zahnbelag auf das Zahnfleisch übergreifen und das Immunsystem zu einer Abwehrreaktion ansetzt. Dies passiert bei ungenügender Mundhygiene. Denn Essensresten – vor allem Zucker – sind Nahrung für Mundbakterien, die sich munter vermehren können. Ihre Hinterlassenschaften aus dem Stoffwechsel greifen das Zahnfleisch und den Zahnschmelz an. Aber auch Stress, ein beanspruchtes Immunsystem und Rauchen können eine Zahnfleischentzündung begünstigen. Meist erholt sich das Zahnfleisch bei guter Mundhygiene innert ein paar Tagen von selbst wieder.
Setzt sich der Prozess jedoch fort, werden aus den leicht entzündeten Bereichen dunkelrote Herde und die Bakterien besiedeln zunehmend den Zahnhals – den Übergang vom Schmelz der Zahnkrone zur Wurzel, der bei einem gesunden Zahn vom Zahnfleisch bedeckt ist. «Es entsteht ein Biofilm, der sich zusammen mit den Mineralien aus dem Speichel zum Zahnstein verhärtet», erklärt Christoph Ramseier. Die raue Oberfläche des Zahnsteins bietet den Bakterien eine ideale Grundlage, um sich weiter anzusammeln, sodass der harte Belag stetig wächst. Diesem kommt man nicht mehr selbst mit der Zahnbürste bei, sondern es braucht einen Besuch in einer Zahnarztpraxis, um ihn mit speziellen Gerätschaften zu entfernen.
Regelmässig zur Dentalhygiene
Unbehandelt kann sich eine Parodontitis mit der Zeit ausweiten. Der Knochen und die Verankerungsfasern bilden sich zurück, worauf die Zähne zu wackeln beginnen. Es können Zahnfleischtaschen entstehen, die mit der Zahnbürste nicht erreichbar sind. Darin siedeln sich weitere gefährliche Bakterien an.
Parodontologieprofessor Ramseier empfiehlt deshalb, das Problem rechtzeitig anzupacken. Mit regelmässigen zahnärztlichen Kontrollen und dentalhygienischen Behandlungen würden nicht nur Karies, sondern auch Entzündungen im Anfangsstadium erkannt und Zahnstein könne entfernt werden. Bei Paradontitis rät er zu zwei bis vier Terminen pro Jahr. Weil die meisten das Schaben und Stochern an den Zähnen als schmerzhaft empfinden und die Behandlung auch ins Geld geht, würden viele das Problem zu wenig ernst nehmen, bedauert Christoph Ramseier. «Doch wenn am Ende die Zähne gezogen werden müssen und es eine Prothese braucht, ist das deutlich unangenehmer und teurer.»
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