Wirtschaft lässt SVP beim CO2-Gesetz in der Schwebe
Es braucht ein «Wunder», dass die SVP vom Referendum gegen die Vorlage absieht. Die Partei hofft auf die Hilfe der Wirtschaft. Doch die wartet zu.
Nur ein «Wunder» kann noch verhindern, dass das Volk über die neue Klimapolitik der Schweiz abstimmen wird. Christian Imark verwendet das Wort nicht zufällig. Seine Partei, die SVP, hält es für ziemlich unwahrscheinlich, dass das Parlament das neue CO2-Gesetz in ihrem Sinne justieren wird. Eines der zentralen Elemente ist das CO2-Reduktionsziel von 50 Prozent bis 2030 gegenüber 1990, davon mindestens 30 Prozentpunkte im Inland, der Rest im Ausland. Die SVP dagegen will nur eine Verringerung um 40 Prozent, dazu soll unbestimmt bleiben, ob die CO2-Emissionen im In- oder Ausland eingespart werden.
Nächste Woche beugt sich der Nationalrat über die Vorlage, die der Ständerat im letzten Herbst verabschiedet hat. Die kleine Kammer hatte das Gesetz gegenüber der ursprünglichen Variante des Bundesrats punktuell verschärft, etwa mit einer Flugticketabgabe zwischen 30 und 120 Franken. Die vorberatende Kommission des Nationalrats hat das Paket des Ständerats inzwischen überarbeitet und in einigen Punkten zurechtgestutzt.
So etwa müssen die Kantone erst 2026, also drei Jahre später als vom Ständerat beschlossen, Vorgaben haben, um beim Heizungsersatz auf klimafreundliche Alternativen statt Öl- und Gasheizungen zu setzen. Während die Umweltverbände die Abschwächungen für «vollkommen unverständlich» halten, geht der SVP die Vorlage nach wie vor zu weit.
In einer Gesamtbeurteilung kommt Imark zum Schluss: «Das Gesetz ist derart sozialistisch geprägt, die Milliarden-Umverteilerei derart ziellos, dass jedem nur ansatzweise liberal denkenden Menschen die Haare zu Berge stehen müssen.» Das faktische Öl- und Gasheizungsverbot etwa sei allein schon aus demokratiepolitischer Sicht «höchst heikel». Kantone wie etwa Solothurn, die entschieden hätten, auf ein solches Verbot zu verzichten, würden jetzt «vom Bund abgestraft». Die Geprellten seien insbesondere ältere Menschen, die nicht einfach so 100'000 Franken für eine Wärmesanierung und eine neue Heizung aus dem Ärmel schütteln könnten.
Wie viel Schlagkraft die SVP im Referendumskampf entwickeln kann, hängt nicht zuletzt von ihren potenziellen Verbündeten ab. Imark rechnet mit Unterstützung aus der Wirtschaft, namentlich vom Hauseigentümerverband, weiten Teilen des Gewerbeverbands, den meisten Verkehrsverbänden sowie der Luftfahrt.
«Wir werden am Schluss der Debatte eine Gesamtbewertung der Vorlage vornehmen.»
Doch diese Kreise halten sich noch bedeckt, wie Anfragen zeigen. «Wir werden vorerst unsere Interessen in die parlamentarische Diskussion einbringen und am Schluss der Debatte eine Gesamtbewertung der Vorlage vornehmen», sagt beispielsweise Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizer Gewerbeverbands.
Das Problem aus Sicht der SVP: Die Wirtschaftsakteure haben teils sehr spezifische Interessen, die sie im neuen Gesetz abgedeckt sehen möchten, oder eben nicht. Der Automobil-Club der Schweiz (ACS) etwa will den maximal möglichen Treibstoffaufschlag bei 8 Rappen pro Liter deckeln – und nicht bei 12, wie es geplant ist. Der Flughafen Zürich seinerseits hält eine nationale Flugticketabgabe für einen globalen Mobilitätsträger, wie es das Parlament anstrebt, als «nicht zielführend».
Wie bei Energiestrategie 2050?
Die einzelnen Wirtschaftsbranchen werden es sich genau überlegen, ob sie an der Seite der SVP in die Volksabstimmung ziehen wollen, sollte die Beratung in den für sie zentralen Punkten in ihrem Sinne ausfallen. Die Ausgangslage erinnert an die Kontroverse um die Energiestrategie 2050. Die Abstimmung darüber legte vor drei Jahren einen tiefen Riss in der Wirtschaft offen. Der Gewerbeverband etwa unterstützte die Vorlage mit dem Argument, dass die Schweizer Unternehmen davon profitieren würden, da sie erneuerbare Energieanlagen und ein Mehr an Energieeffizienz planen und installieren könnten.
Die Gegner indes, zu denen etwa die energieintensive Metallindustrie zählte, warnten, die Energiestrategie koste zu viel. Und sie lasse offen, wie die Versorgungssicherheit nach dem schrittweisen Ausstieg aus der Atomkraft sichergestellt werden solle. Economiesuisse verzichtete in der Folge darauf, eine Parole zu fassen.
Und nun, beim CO2-Gesetz, möchte sich der Wirtschaftsdachverband zumindest vorderhand noch nicht festlegen. Zwar unterstützt er die «ambitionierte Stossrichtung» der Vorlage, fordert aber gleichzeitig eine «wirtschaftsfreundliche Umsetzung». Entscheidend für das Klima, sagt Geschäftsleitungsmitglied Kurt Lanz, sei aber letztlich eine internationale Abstimmung des Vorgehens. «Sonst verpuffen unsere Bemühungen ohne Resultate.» Die Schweiz, so Lanz, solle sich darum hier noch stärker in die internationale Diskussion einbringen.
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