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«Wir waren Getriebene unserer Musik ohne Plan B»

Chris von Rohr und Krokus verfolgten keinen Plan B, sondern setzten alles auf eine Karte, ohne Rücksicht auf Verluste.

Sie sind das einzige «überlebende» Gründungsmitglied von Krokus (1975) und die Konstante in einer bewegten Bandgeschichte. Fordert die Verinner-lichung des Rock'n'Roll, das vielleicht unbeschwerte an Körper und Geist kräfteraubende, «wilde Leben» irgendwann seinen Tribut, oder haben Sie zu einer anderen, nicht minder aufregenden Lebensweise gefunden?Chris von Rohr: Ich war als Skorpion immer auch ein Kontrollfreak, auch was Drogen und Frauen anging. Ich tat selten etwas, was meinem Körper oder meiner Seele wirklich schadete. Das zahlt sich langfristig aus. Und sei versichert, mein Leben ist totzdem extrem spannend. Klar ist aber auch – die Gesundheit bestimmt unseren «Organizer» – nichts anderes und dafür muss man auch etwas tun.

Vor allem Ihre Bandkollegen haben mit Krokus Höhen und Tiefen des Musikerdaseins ausgelotet oder sie spüren müssen. Wie hat sich das von umjubelten Rockstars, die Stadien füllten und später hin zum «auseinanderbröseln» der Formation mit teilweise nicht sehr erfolgreichen Neuanfängen, angefühlt? Ich war und bin eigentlich nur in der Krokus-Originalformation dabei, und die ist zum Glück immer noch erfolgreich. Die Zeit ohne Krokus nutzte ich für meine eigene Karriere als Produzent und Buchautor während die anderen wirklich harte Zeiten durchlebten.

Ist es ein Gefühl von: «himmelhochjauchzend – zu Tode betrübt»? Greift man in solcher Situation (clichébehaftet) vermehrt zu «Fruchtsäften», lässt sich treiben? Ich sah Scheitern und Misserfolge immer als Wegweiser die zum Erfolg führen. Du lernst nicht im Erfolg sondern im Misserfolg – mit oder ohne Fruchtsäfte. Das Zweifeln und Hinterfragen ist wichtig, ja sogar eine Triebfeder.

Macht das Tourleben – von welchem man als junger Musiker immer schon geträumt hat – abseits des Bühnenlichtes, Hotelzimmern (abgesehen von Groupies, oder wart ihr Kostverächter…) einsam? Nicht einsam sondern müde und ausgebrannt. Es gibt keine Schweizer Band die nonstop Endlos-Tourneen hatte wie Krokus. Es ist unvorstellbar wie sich da ein Mensch fühlt. Zunehmend wie ein Tier. Groupies sind nur Notfalltropfen. Du lebst in einer anderen Welt.

«Ich sah Scheitern und Misserfolge immer als Wegweiser, die zum Erfolg ­führen.»

Chris von Rohr

Der Crash kommt wenn du wieder zu Hause bist. Es ist wie ein Doppeldeckerbus der gegen eine Brücke fährt-der ober Teil «crashed» der untere fährt weiter.

Haben Sie sich damals manchmal wie in einem Hamsterrad, von der Plattenindustrie angetrieben gefühlt, oder die Freiheit gehabt/genommen, sich als Musiker kreativ auszuleben? Man muss bei Grossfirmen knallhart seine Vison durchboxen.Das ist nicht immer einfach und kräfteraubend. Wir waren Getriebene, aber nur so schaffst du es an die Spitze. Wir hatten nicht wie die meisten schweizer Künstler einen Plan B, sondern setztenalles auf eine Karte, ohne Rücksicht auf Verluste.

Wer Musik aus seiner Mitte heraus spürt, dem müsste doch der multimedial verströmte Mainstream ziemlich Bauchschmerzen machen, oder ist das gar nicht so tragisch? «No problem», jeder kann sein eigenes Programm machen und muss nicht den Radio-Einheitsbrei hören. ich entdecke vor allem wieder die alten Sachen wie Zappa, Hendrix, Cream, Dylan, Van Morrison, Free, Doors. Aber es gibt auch jüngere Künstler die ich spannend finde wie zB. Chainsmokers, Two Gallants, oder Korn.

Sie stehen nicht «nur» als Musiker (zupfen den Bass) auf der Bühne sondern amten auch als Produzent, früher u.a. auch für Gotthard. Haben Sie sich zu Anfangszeiten überhaupt um PR, Image gar Bühnenoutfit gekümmert oder ging es euch einfach darum, drauflos zu rocken? Es ging nur darum, von der Musik leben zu können, für die Musik da zu sein. Da war noch keine Industrie. Wir wollten einfach so viel wie möglich spielen, alles andere, auch das Business interessierte uns lange Zeit überhaupt nicht.

Als Produzent ziehen Sie gerne auch im Hintergrund die Fäden. Sind Sie ein Kontroll-Freak? Ich weiss einfach was ich will und was nicht. Man kann das auch Erfahrung nennen. Aber Produzent ist nicht gleich Manager-mich interessiert der Song, die Musik.

Mit Ihnen als Produzent hat Gotthard einen kommerzielleren Weg eingeschlagen. Bedeutet das auch bis zu einem gewissen Grad, die eigenen Wurzeln zu untergraben oder anders gefragt, macht man dabei Kompromisse? Meine Wurzeln waren nebst der Improvisation klar der Song. Für mich steht der Song immer im Vordergrund und bei Gotthard mit Steve Lee war das für mich klar die melodiösere Seite als bei Krokus. Diese Stimme verlangte danach. Ich folgte da meinem Instinkt was schon immer mein grösstes Kapital war. Der Erfolg gab mir da recht. Es gibt für mich nur gute und schlechte Musik, egal in welchem Stilgewand.

Bei welcher Gelegenheit/Tätigkeit können Sie komplett loslassen oder tun es liebend gerne? Beim Klavier- oder Gitarrenspiel, beim Lesen, mit meiner Tochter und in der Natur.

Apropos vergessen: Ihr bisheriges Leben war wohl ziemlich t(o)urbulent. Welches Ereignis hat Sie im positiven wie negativen Sinn stark bewegt? Tourbezogen sicher die England-, Amerika- und Kanada-Tourneen. Dann sicher die Geburt meiner Tochter, der Erfolg meiner Bücher und natürlich das Comeback von Krokus – grossartig. Über Negatives denke ich nicht zu lange nach.

Gab es irgend einen Lebens-abschnitt (auch wenn man sagt, alles Durchstandene reift einen) auf den Sie wirklich hätten verzichten können? Nein, es brauchte jeden Abschnitt, um eine gewisse Reife zu erlangen. Ich wäre nicht der, der ich heute bin ohne die Lebensdellen, Höllenritte und die Hinterfragung. Sie haben mich weitergebracht und demütig gemacht.

2008 hat sich die Urformation mit Marc und Fernando wieder zusammengerauft. Hattet ihr einfach erneut Lust drauflos zu brettern oder fanden Sie in der aktuellen Musikszene fehlt es an «Dräck» und ihr müsst das nun selber an die Hand nehmen? Die Musik war einfach stärker als das was uns trennte. Das konnte man nicht aufhalten, erst recht nicht, wenn du in derselben Stadt wohnst – zum Glück!

«Nach Endlostourneen fühlt man sich wie ein Tier, da sind Groupies nur Notfalltropfen.»

Chris von Rohr

Manche Medien schrieben, ihr hättet zu alter Stärke gefunden. Müsste es nicht eher heissen: «es kam zusammen was zusammen gehört». Manches klingt eben nur in bestimmter Konstellation wie es tönen muss... Die Band, die Veranstalter die Fans wissen heute, dass das Original mit Marc, mit Fern und mit mir als «Leader of the Pack» das ist, was am besten funktioniert und alle happy macht. Die Zeiten der Zoffereien sind vorbei. Heute ist eine gegenseitige Wertschätzung da, die wir erst lernen mussten.

In der Schweiz feiert ihr Erfolge wie in alten Zeiten. Ist es ein Ziel – ich rede nicht von reizvollen Club Gigs – z.B. in den USA wieder die Bühnenhöhe zu erklimmen, von welcher ihr euch (auch der vielen Formationswechsel wegen) verabschiedet hattet? Wir sind äusserst zufrieden mit dem was seit unserem Comeback 2008 läuft. Spielen überall erfolgreich auf grösseren und kleineren Bühnen. Auch in Amerika auf Festivalbühnen und dann wieder im legendären «Whiskey a Gogo», das reicht uns. Wir bestimmen heute selbst wann, wo und vor allem wieviel wir spielen möchten. Das hat uns befreit. Wir sehen das Ganze als grosse Zugabe.

Hauptsächlich werden die Sänger einer Band wahrgenommen. Bei Krokus sind aber doch eher Sie das Sprach-Rohr. Sind Ihr und Marc Storaces Organ einfach für unterschiedliche Aufgaben bestimmt? Nun, Marcs Stärke ist seine Stimme, meine ist die Kommunikation und die Führung. Das ergänzt sich bestens und das Schöne: heute weiss jeder dem anderen seine Stärke zu nutzen und weiss wohin er gehört.

Sie sind ein kommunikativer Mensch, welcher geradlinig sagt was er denkt. Das polarisiert ist aber vermutlich auch befreiender Seelenbalsam? Ich bin gut damit gefahren offen und ehrlich das zu sagen was ich denke, erlebe und sehe. Klar hat das seinen Preis, aber den bezahle ich gerne. Es ist auch einfacher für mich als für Jemanden der ernsthaft um seinen Job zittern muss wenn er Klartext zu Reizthemen und Missständen spricht.

Mit «Rock The Ring» schliesst sich sozusagen ein Kreis – ihr seid wieder da wo ihr hingehört: auf der grossen Bühne. Wie fühlt sich das an? Es ist ja nicht das erste mal dass wir dort spielen. Wir freuen uns und danach kommen mehrere Grossfestivals in Europa und der Schweiz.

Mit Gotthard habt ihr ja eben gemeinsam Konzerte gegeben, sozusagen ein Familientreffen auf und neben der Bühne? Absolut, vielleicht spielen wir sogar wieder einen Song zusammen, wie auf der grossartigen Tour im März.

Hattet ihr mit Deep Purple – die am selben Abend in Hinwil auftreten – schon Begegnungen und worüber spricht man da «backstage» so zwischen den Containern: über die guten (oder weniger), alten Zeiten, die Familie, oder welche Altersbeschwerden einen plagen? Wir kennen Drummer Jan Paice von Amerika Tourneen und ich werde sicher ein paar Sätze mit Bassist/Produzent Roger Glover verlieren, der ja auch in der Schweiz wohnt.

Und noch Werbung in eigener Sache: weshalb lohnt es sich auf jeden Fall nach Hinwil zu «pilgern»? Weil es ein einzig grosses Rockfest für den Rockfan gibt und vor allem am 24ten – das könnt ihr mir glauben. Also auf gehts, kommt herüber und seht die Dinos fliegen: «lets fetz!».