Meilenstein für die UmfahrungEglisau bekommt eine Calatrava-Brücke
Eine Brücke von Santiago Calatrava soll dereinst die Umfahrung Eglisau ermöglichen. Der spanisch-schweizerische Stararchitekt hat mit seinem Projekt den anonymisierten Wettbewerb gewonnen.

Abgesegnet und in trockenen Tüchern ist sie noch nicht, die Umfahrung Eglisau. Von einem absehbaren Ende der täglich 22’000 Fahrzeuge umfassenden Blechlawine – davon 10 Prozent Lastwagen – durch die Gemeinde kann noch keine Rede sein. Und trotzdem: Als Regierungsrätin Carmen Walker Späh an der Medienkonferenz am Donnerstag von einem «ersten Meilenstein» spricht, hat sie damit nicht unrecht.
Präsentiert wurde das Siegerprojekt eines Wettbewerbs, welchen der Kanton vergangenes Jahr lanciert hatte. Gesucht wurde eine Möglichkeit, wie der Dorfkern von Eglisau auf der Achse Zürich–Schaffhausen–Deutschland westlich der Eisenbahnbrücke umfahren werden kann. Zwölf Teams hatten dabei insgesamt dreizehn verschiedene Vorschläge eingereicht.
Als Sieger aus dem Wettbewerb hervorgegangen ist das Projekt «Weiter_Bauen_2» des Stararchitekten Santiago Calatrava. Es sieht ein zweispuriges Brückenbauwerk vor, welches mit einer Länge von 499,3 Meter knapp an der Marke von einem halben Kilometer vorbeischrammt. Das Bauwerk besteht aus drei Teilen: Der Rhein wird mit einer Bogenspannweite von 165 Meter in 30 Meter Höhe überquert, auf der Nord- und auf der Südseite werden sogenannte Vorlandbrücken gebaut. Als Materialien kommen Stahl und Beton zum Einsatz.
So soll die Brücke dereinst aussehen:
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Design hat die Jury überzeugt
Als Sieger ging Calatravas Projekt nicht nur, aber auch wegen der Optik hervor. Es trete «trotz einer gewissen Zurückhaltung äusserst elegant und selbstbewusst in Erscheinung», so die Würdigung der Jury. «Die beiden Hauptstützen mit ihren herauswachsenden Doppelbögen fungieren spannungsvoll und wohlproportioniert als Scharnier zwischen den Land-Wasser-Land-Bereichen.» Durch die grosszügige Bogenspannweite werde der Flussraum vorteilhaft freigespielt. Insgesamt gelinge es dem Projekt, eine Brücke mit grosser Identität über den Rhein vorzuschlagen, die sich im Zusammenspiel mit den bestehenden Brücken in Eglisau behaupten könne, ohne diese zu konkurrenzieren.
Eine erste Schätzung geht davon aus, dass das Bauwerk rund 24 Millionen Franken kosten wird. Darin nicht enthalten sind allerdings die Kosten für weitere Bauten, die für die Umfahrung nötig sind.
Vor allem zwei Kriterien waren für die siebenköpfige Jury, zu welcher auch Gemeindepräsident Peter Bär (Fokus Eglisau) gehörte, bei der Beurteilung entscheidend. «Es muss bewilligungsfähig sein. Das heisst die verschiedenen Schutzziele so wenig wie möglich beeinträchtigen», führte Walker Späh aus. «Und es muss wirtschaftlich vertretbar sein. Das heisst, Varianten mit langen, teuren Tunneln entfallen aus Kostengründen.»
Preis und Bewilligungsfähigkeit sind matchentscheidend
Diese beiden Kriterien kristallisierten sich in den vergangenen Jahrzehnten als essenziell heraus. Denn immer wieder wurde eine Umfahrung Eglisau verzögert, zurückgestellt oder nicht genehmigt, obwohl der Schuh in der Region seit rund 40 Jahren drückt. Bereits 1985 wurde eine entsprechende Kreditvorlage vom Stimmvolk bachab geschickt. Der heutige Richtplaneintrag ist 32 Jahre alt und stammt von 1988. Weil der Kanton in den 90er-Jahren ein Sparprogramm umsetzte, wurde die Umfahrung aber nicht ins Strassenbauprogramm aufgenommen. Auch 2011 wurde sie auf der Prioritätenrangliste der Ortsumfahrungen aufgrund ihrer hohen Kosten weit hinten platziert.
Bewegung in die Sache kam erst 2012, als im Kantonsrat eine Motion zur Vorlage eines Ausführungsprojekts überwiesen wurde. In den darauffolgenden Jahren zeigte sich dabei vor allem, dass der Spielraum für eine Umfahrung äusserst begrenzt ist. Nicht nur ist die Landschaft zwischen der Strassenbrücke und dem Viadukt geschützt, auch das Ortsbild und die Bahnbrücke selbst sind quasi unantastbar. Aus genau diesem Grund hatten es frühere Lösungsvorschläge für eine Umfahrung Eglisau schwer. So kamen etwa die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) und die Eidgenössische Denkmalpflege (EKD) im November 2015 in einem Gutachten zum Schluss, dass eine Umfahrung mit Brücken als schwerwiegende Beeinträchtigung der Schutzobjekte einzustufen sei. Als der Regierungsrat im Februar 2015 gleich sieben Umfahrungsvarianten zur Diskussion gestellt hatte, stellten die Kommissionen fest, dass diese sich zwar unterschiedlich stark auf Schutzgüter des Natur-, Landschafts- und Denkmalschutzes auswirkten. Keine Variante ermögliche es indes, alle von den Kommissionen beurteilten Schutzgüter zu beachten. Deshalb verlangten ENHK und EKD, ausschliesslich Tunnelvarianten zu prüfen.
Diese waren aus Kostengründen keine wirkliche Option. 800 Millionen Franken, um ein Verkehrsaufkommen von 22’000 Fahrzeugen umzuleiten, das sei einfach zu viel, sagte Walker Späh schon damals. Insbesondere, weil eine Brückenlösung trotz Kritik von der ENHK und der EKD nicht kategorisch ausgeschlossen worden war.

Calatrava entwarf schon Lösung für Grüningen
Nicht wenig spricht dafür, dass es dieses Mal tatsächlich klappen könnte. So etwa der Fall Grüningen. Die Situation war jener in Eglisau sehr ähnlich. Auch für dieses Städtchen im Bezirk Hinwil hatte die Regierung jahrelang nach einer Lösung gesucht, um den Dorfkern zu umfahren. Auch in Grüningen ist das Ortsbild geschützt. Und auch in Grüningen galt es, auf ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission Rücksicht zu nehmen. Schliesslich setzte die Regierung auf einen Projektwettbewerb. Und konnte schliesslich ein Projekt vorlegen, dass innerhalb der Rahmenbedingungen eine Lösung ermöglichte. Und was weiter dafür spricht, dass es mit der Umfahrung in Eglisau vorwärtsgeht: Auch das Siegerprojekt von Grüningen wurde von Santiago Calatrava erarbeitet.
Allerdings: Zum Jubeln ist es definitiv noch zu früh. Denn von der Bekanntgabe des Siegers eines Projektwettbewerbs bis zum Bau einer Umfahrung ist es noch ein weiter Weg. Bis 2020 soll nun erst einmal eine Projektstudie für das Gesamtprojekt erstellt werden. Darin inbegriffen sein soll auch eine erste Kostenschätzung. Einen Grundsatzentscheid über das Vorprojekt fällt der Regierungsrat voraussichtlich nächstes Jahr.
Mehr Lärm für andere Ortsteile?
Vieles ist daher weiter unklar. Darauf wies auch Gemeindepräsident Peter Bär hin. «Ich bin über das Resultat des Wettbewerbs sehr erfreut», sagte er zwar. «Wichtig für eine Akzeptanz in der Bevölkerung sind aber auch die Anschlussbauwerke vor und nach der Brücke.» Im Vergleich zu früheren Linienführungen einer möglichen Umfahrung Eglisaus liegt das nun geplante Bauwerk noch einmal etwa 500 Meter weiter flussabwärts. «Das bedeutet, dass auch die Anschlussbauwerke länger werden.» Im Süden muss die Brücke mit dem Kreisel Hardwald, im Norden mit dem Kreisel nach Rafz und nach Hüntwangen verbunden werden. «In der allerersten Richtplanvariante wurde diese Linie vor allem im Süden durch einen Tunnel geführt», erklärte Bär. «Das ist für das Siedlungsgebiet die ideale Lösung.»
Wenn die Anschlusslinie nun aber etwa parallel zur bestehenden Bahnlinie geführt würde, hätte dies zur Folge, dass es für einen Grossteil des Siedlungsgebietes neuen Verkehrslärm geben würde. «Dann hätten wir die sehr unglückliche Situation, dass wir zwar im Ortskern eine Entlastung haben, aber dafür andere Ortsteile neu beschallt würden.» Nun gehe es darum, eine optimale Lösung zu finden. Mehr Tunnel würden mehr Kosten bedeuten, weniger Tunnel dafür eine schlechtere Verträglichkeit für das Siedlungsgebiet. «Unsere Forderung für das weitere Vorgehen ist deshalb, dass die Planung der Linie sehr sorgfältig gemacht wird, vor allem im Hinblick auf den Lärm.»
mst/nav
Fehler gefunden?Jetzt melden.