Das Schicksal von Amanal PetrosWie soll er rennen, wenn die Familie im Kriegsgebiet leidet?
Der Marathonläufer kam 2012 als Asylbewerber nach Deutschland, seine Mutter und die Schwestern blieben in Äthiopien. Lange hatte er nicht einmal ein Lebenszeichen von ihnen.
Albträume und Ängste, aber auch Hoffnung auf ein gutes Ende: Der deutsche Marathon-Rekordhalter Amanal Petros erlebt fast täglich eine Achterbahnfahrt.
Petros ist in Sorge um seine Familie. Die Mutter und die beiden jüngeren Schwestern des 25-jährigen gebürtigen Eritreers leben noch immer in Äthiopien, woher Petros 2012 nach Deutschland floh, um dort Asyl zu beantragen. Seit 2015 hat er die deutsche Staatsbürgerschaft – und ist in Gedanken dennoch ständig in Äthiopien. Petros erzählt traurig: «Es tobt immer noch Krieg. Wir haben keine Krankenhäuser mehr, keine Kliniken, keine Apotheke, keine einzige Fabrik steht mehr. Alles zerstört, alles verbrannt, null.»
Und da irgendwo stecken weiterhin seine Liebsten. «Sie sind direkt an der äthiopisch-sudanesischen Grenze in einem Dorf. Ich konnte sie bis heute nicht erreichen, ich kann sie auf keinen Fall besuchen, aber ich weiss jetzt, wo sie sind. Das ist besser als gar nichts», sagte Petros in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur erleichtert und besorgt zugleich. Monatelang wusste er überhaupt nicht, wo sich seine Familie befindet – die Frauen waren in den Kriegswirren verschollen. Nun hat er sie gefunden, über einen guten Freund aus Mekele, der Hauptstadt der äthiopischen Kriegsregion Tigray, hält er Kontakt.
«Das belastet mich brutal»
Die Situation ist eine enorme Belastung für den Marathonläufer, der kürzlich den deutschen Rekord aufgestellt hat – und wirkt nicht gerade förderlich für die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele im kommenden Sommer in Tokio, die sein Karriere-Höhepunkt sein sollen. «Das ist brutal hart. Manchmal schlafe und träume ich sehr schlecht. Das belastet mich brutal», sagt er.
Sein Freund aus Mekele fährt einmal pro Woche zu den Frauen, das sind 42 Kilometer. «Und er sagt mir dann, was meine Familie braucht, was sie sagt, wie die Lage ist», berichtet Petros. Telefonischer Kontakt ist unmöglich. Wie es seiner Familie wirklich geht, kann er nur ahnen. «Die sagen mir: ‹Uns geht es gut.› Auch wenn sie krank wären.» Er spüre schon, «dass ich eine Hoffnung für sie bin, weil ich ja in Sicherheit bin».
Für Petros ist klar, dass er etwas unternehmen muss: «Ich will sie unbedingt in den Sudan bringen – da sind sie auf jeden Fall sicherer als jetzt.» Eine Flucht über die Grenze, wie auch immer, ist die einzige Lösung. «Das ist aber sehr gefährlich, richtig gruselig. Da wurden schon viele Frauen vergewaltigt. Ich suche jetzt eine sichere Lösung mit möglichst wenig Risiko.»
Aber wie will er das anstellen? Nur einmal, 2018, konnte der Sportsoldat der deutschen Bundeswehr seit seiner Flucht nach Äthiopien zurück, um seine Familie zu besuchen. Von seinem früheren Haus in Wukro wurde ihm jetzt ein Foto zugespielt. Ein Schock: «Da sitzen Soldaten mit einem Maschinengewehr davor. Das ist richtig schlimm, das ist nur 25 Meter von unserer früheren Wohnung entfernt.»
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dpa
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