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Die Rolle Chinas im Ukraine-Konflikt
Wie lange hält Pekings Treue zu Putin?

Autokraten unter sich: Wladimir Putin und Xi Jinping bei ihrem Treffen am 4. Februar in Peking. 
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Chinas Präsident Xi Jinping und sein Amtskollege Joe Biden waren vergangene Woche noch am Telefon, als Fernsehzuschauer in China einen Nachrichtenbeitrag über die aktuelle Lage in der Ukraine sahen. Die Bilder stammten vom russischen Verteidigungsministerium, wie die Organisation China Media Project dokumentierte. Angeblich sahen die Zuschauer russische Truppen, die Einheiten der «Volksrepublik Donezk» im Kampf gegen ukrainische Nationalisten unterstützten.

Beim Telefonat mit US-Präsident Biden erklärte Xi indes, «Konflikt und Konfrontation» wie in der Ukraine lägen in niemandes Interesse. Die USA und China müssten ihren Teil an internationaler Verantwortung und Arbeit für den Weltfrieden und Stabilität tragen. «So etwas wie die Ukraine-Krise wollen wir nicht sehen.»

Wie so häufig in den vergangenen Tagen waren die Worte des chinesischen Präsidenten zunächst Anlass für Optimismus, spiegelten sie doch wider, was sich viele Beobachter von Peking erhoffen: eine friedliche Vermittlerrolle, die womöglich einen Ausweg bieten könnte aus der Katastrophe. Chinas Aussenminister Wang Yi ging am Wochenende sogar noch weiter und behauptete, die meisten Staaten stimmten mit Chinas Haltung im Ukraine-Konflikt überein.

Propaganda in den Staatsmedien

Doch wer durchs chinesische Fernsehprogramm zappt oder die Staatsmedien liest, merkt schnell, dass dort ein gänzlich anderer Ton herrscht, als Xi ihn im Gespräch mit internationalen Partnern anschlägt. Gibt sich China im Ausland als Friedensstifter, fungieren die Staatsmedien zu Hause als Brandstifter. Ohne Risiko ist dieser Balanceakt für Chinas Präsidenten nicht, der sich im Herbst eine weitere Amtszeit als Parteichef sichern will.

Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine übernehmen die Staatsmedien fast uneingeschränkt die Propaganda Russlands, sprechen von einer «Spezialoperation» oder der «Ukraine-Frage». In vielen Statements des Aussenministeriums klingt es nicht einmal so, als sei die Ukraine ein unabhängiges Land. Kurz vor dem Gespräch zwischen Xi und Biden zitierte die «Global Times» einen anonymen Regierungsvertreter, der die USA als «Verursacher» der Krise bezeichnete. In den vergangenen Tagen berichteten viele Medien zwar zunehmend auch über das massive Leid in der Ukraine. Doch die Erzählung ist meist die gleiche: Während China Hilfsgüter liefere, schickten die USA neue Waffen.

Zu den meistgelesenen Geschichten im Netz gehörten in den letzten Wochen vor allem Berichte über die russische Behauptung, die USA würden in der Ukraine in geheimen Laboren Biowaffen entwickeln. Gerüchte über die angebliche Forschungsarbeit kursieren seit Jahren, im Januar befeuerte Russland den Verschwörungsmythos erneut. Kurze Zeit später fabulierte auch Wladimir Putin vage von Massenvernichtungswaffen in der Ukraine.

Peking scheint weiter vor allem die Chance zu sehen, den Krieg für seinen primären Konflikt zu nutzen: die Rivalität mit den USA.

Anfang März nutzte ein Sprecher des Aussenministeriums in Peking eine Frage zu den russischen Vorwürfen, um Washington zu beschuldigen, seine Forschung zu biochemischen Waffen zu verschleiern. «Was sind die wahren Absichten der USA?», fragte Sprecher Zhao Lijian. Zwei Tage später griff die «Global Times» die Behauptung des Sprechers des russischen Verteidigungsministeriums auf, in von den USA finanzierten Laboren würde zu Coronaviren in Fledermäusen geforscht werden – diese gelten als möglicher Ursprung für das Virus Sars-CoV-2. Die US-Behörden hätten versucht, die «sogenannten Gerüchte» über die Labore zu zerstreuen, hiess es in dem Bericht. «Aber können wir ihnen glauben?»

US-Präsident Joe Biden und Chinas Führer Xi Jinping während eines Videogesprächs.

Liest man Nutzerkommentare im chinesischen Netz, hat sich die von Peking etablierte Erzählweise festgesetzt. Und die geht so: Die USA haben den Krieg in der Ukraine provoziert, Washington ist der Aggressor in dem Stellvertreterkrieg mit Russland. Während die Ukrainer unter Wolodimir Selenski leiden, hat die Welt zum Glück Putin, der sich den amerikanischen Kriegstreibern mutig in den Weg stellt. Viele Internetnutzer verurteilen den Krieg und zeigen sich aufrichtig empört über die USA, die das Leben von Tausenden Menschen riskierten. Putin ist für sie ein Held. Einige sehen auch keine Alternative zum Krieg, da sich die Welt nicht länger von den Amerikanern gängeln lassen dürfe.

Peking scheint weiter vor allem die Chance zu sehen, den Krieg für seinen primären Konflikt zu nutzen: die Rivalität mit den USA. Doch der Balanceakt ist zu einem Risiko geworden. Denn auch wenn sich China inzwischen um etwas sanftere Töne bemüht, hat das Image des Landes massiv Schaden genommen. Die USA drohen mit «Konsequenzen», sollte Peking dem Nachbarland militärische oder wirtschaftliche Hilfestellung leisten. Viele europäische Staaten ärgern sich über Chinas Weigerung, sich vom Angriffskrieg Russlands zu distanzieren.

EU-China-Gipfel am 1. April

In Osteuropa war 2012 die Euphorie noch gross, als China mit seinem sogenannten 17+1-Format ein jährliches Treffen mit den Ländern der Region ins Leben rief, um gemeinsame Geschäfts- und Investitionsinteressen voranzutreiben. Die anfängliche Begeisterung ist zwar schon in den letzten Jahren immer grösserer Ernüchterung gewichen. Das ausbleibende Bekenntnis für ihre Sicherheit dürfte jedoch das endgültige Aus für die Pekinger Charmeoffensive in Osteuropa bedeuten.

Wie gross der Schaden in Brüssel ist, dürfte der EU-China-Gipfel am 1. April zeigen. Chinas aggressiver aussenpolitischer Kurs unter Xi, die Lage in Hongkong und Xinjiang und die Drohungen gegenüber Taiwan haben das Unwohlsein über die Macht im Osten wachsen lassen. Peking ist es zwar gelungen, sich als unersetzlicher Partner bei Themen wie dem Klimawandel oder der Entwicklungshilfe zu positionieren. Die Bereitschaft, über Chinas in vielen Bereichen destruktives Verhalten hinwegzusehen, erscheint dennoch zunehmend aufgebraucht zu sein. Das dürfte spätestens so weit sein, wenn bekannt werden sollte, dass Peking seinen russischen Partner mit mehr unterstützt als mit Worten.

«Selbstüberschätzung vermeiden»

Scheitert Pekings Strategie, dürfte das auch innenpolitisch Konsequenzen haben. Die chinesische Wirtschaft schwächelt, die Sanktionen gegen Russland belasten die globale Konjunktur. Sanktionen durch den Westen oder eine zunehmende Isolation muss Peking selbst unbedingt vermeiden. Auch wenn Xi viele seiner Widersacher verdrängt hat, gibt es immer wieder Stimmen, die für mehr Zurückhaltung plädieren. 2018 fasste der Sohn des Reformers Deng Xiaoping die Sorgen zusammen. Wichtig sei es, «die eigenen Stärken und Schwächen zu kennen und Selbstüberschätzung zu vermeiden», sagte Deng Pufang in Anspielung auf seinen Vater. Dieser hatte einst eine Aussenpolitik gefordert, in der China sein eigenes Licht unter den Scheffel stelle, um «im Verborgenen» stärker zu werden.

Noch scheint Xi davon überzeugt zu sein, mit seiner Strategie Erfolg und von seinen westlichen Partnern nichts zu befürchten zu haben.