Vulkanausbruch im PazifikWie geht es Tonga nach dem Tsunami?
Der gewaltige Ausbruch eines Unterwasservulkans hat im Pazifik Flutwellen ausgelöst. Noch ist unklar, wie schwer es den Inselstaat getroffen hat.
Der gewaltige Ausbruch eines unterseeischen Vulkans in der Nähe des Inselstaates Tonga hat in weiten Teilen des Pazifiks Flutwellen ausgelöst. Sie wurden nicht nur in Tonga, sondern auch in Neuseeland, Japan und Fidschi registriert. Überschwemmungen in Santa Cruz im US-Staat Kalifornien werden ebenfalls auf den Ausbruch zurückgeführt.
Zwar hat das US-amerikanische Pacific Tsunami Warning Center (PTWC) vorläufig Entwarnung gegeben und auch die japanische Wetterbehörde hat ihre zuvor herausgegebene Tsunami-Warnung aufgehoben. Doch derzeit ist völlig unklar, welche Schäden das Unterwasserbeben in Tonga ausgelöst hat.
Der australischen Wetterbehörde zufolge war die Welle, die Nuku'alofa, die Hauptstadt des Inselreiches, traf, etwa 120 Zentimeter hoch. Die britische BBC berichtet unter Berufung auf Bilder aus sozialen Netzwerken, dass in Nuku'alofa Wasser durch eine Kirche und mehrere Wohnhäuser geströmt sei. Ausserdem versuchten Bewohner in besonders niedrig gelegenen Gebieten, sich mit ihren Autos vor der Flutwelle zu retten. Medienberichten zufolge wurde auch Tongas König Tupou VI. aus dem Königspalast in Sicherheit gebracht.
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UN-Generalsekretär António Guterres sagte, er sei «zutiefst besorgt». Die UN beobachteten die Situation genau und seien jederzeit in der Lage, zu helfen. US-Aussenminister Antony Blinken twitterte: «Die Vereinigten Staaten sind bereit, unseren Nachbarn im Pazifik Unterstützung zu gewähren.»
Jacinda Ardern, die Premierministerin von Neuseeland, das etwa 2400 Kilometer südlich der Inselgruppe liegt, informierte auf einer Pressekonferenz über die Lage. Man wisse noch zu wenig, sagte die Regierungschefin. Durch den Vulkanausbruch sei Tonga in vulkanischen Staub gehüllt, die Kommunikation mit dem Inselreich im Südpazifik sei eingeschränkt, da ein Unterseekabel in Mitleidenschaft gezogen sei. Auf der Insel habe es einen massiven Stromausfall gegeben, Handys funktionierten nur sporadisch.
Klar sei aber, dass ein Tsunami die Hauptstadt von Tonga «erheblich getroffen» habe. Boote und Felsbrocken seien an Land gespült und Gebäude beschädigt worden. Die neuseeländische Armee werde am Montag versuchen, einen Überwachungsflug zu starten. Derzeit sei das Fliegen zu unsicher, da in knapp 20 Kilometern Höhe Asche gesichtet worden sei.
Tonga liegt auf dem sogenannten Ring of Fire, der sich auf etwa 40'000 Kilometern Länge im Kreis um die Pazifische Seenplatte gebildet hat und auf dem 450 spuckende Krater liegen, etwa 75 Prozent aller weltweit bekannten Vulkane. Die tektonischen Platten, die anstossen, drücken die pazifische Seenplatte in Richtung des Erdinneren. Dort erhitzt sich das Gestein und wird zu Magma.
Der Vulkan mit Namen Hunga-Tonga-Hunga-Ha'apai ist seit Dezember aktiv. Er liegt etwa 30 Kilometer südöstlich der zu Tonga gehörenden Insel Fonuafo'ou, die auch als Falcon Island bekannt ist. Der Ausbruch am Samstag war offenbar derart heftig, dass die Erschütterungen auch noch in 800 Kilometer Entfernung auf den Fidschi-Inseln zu spüren waren. Auch dort kam eine Flutwelle an, ausserdem ging Asche nieder.
«Was da passiert ist, nennen wir eine phreatomagmatische Explosion. Wenn Magma auf viel Wasser trifft, kann der daraus resultierende Wasserdampf das tausendfache Volumen von Wasser haben und gewaltige Druckwellen auslösen» erklärt der Vulkanologe Tim Yilmaz aus München.
In Japan löste der Ausbruch des Hunga-Tonga die erste Tsunami-Warnung seit 2016 aus. Weil der Unterwasservulkan knapp 8000 Kilometer weiter südlich liegt, hatte das Wetteramt in Tokio zunächst keine Sorgen. Aber das änderte sich am sehr frühen Sonntagmorgen. Bis zu drei Meter hoch könne der Tsunami an Japans Küste werden, hiess es. Nach Angaben des Amtes für Feuer- und Katastrophen-Management waren zwischenzeitlich 210'000 Menschen aufgerufen, sich aus ihren Häusern an höhergelegene Orte zu begeben.
In Japan erinnerte man sich sofort an Fukushima
Viele, die am Sonntagmorgen aufgerufen waren, sich in Sicherheit zu begeben, hatten am 11. März 2011 den verheerenden Tsunami erlebt. Dieser brachte Wellen von bis zu 40,5 Metern Höhe. In den Präfekturen Fukushima, Iwate und Miyagi kamen 20'000 Menschen ums Leben. Im Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi löste eine Riesenwelle in drei Reaktoren eine Kernschmelze aus. Selbst für das erdbebengewohnte Japan war das ein Trauma. Deshalb unterschätzte niemand die Gefahr, als das Wetteramt seine Tsunami-Warnung ausgab. Tief in der Nacht bewegten sich die Leute zu den ausgeschilderten Fluchtpunkten.
Umso grösser muss die Erleichterung gewesen sein, als die Wellen relativ niedrig blieben. Die Insel Amami-Oshima im Süden der japanischen Inselkette meldete 1,20 Meter, die Stadt Kuji in Iwate 1,10 Meter. An den meisten Orten blieben die Wellen unter einem Meter. In den Präfekturen Kochi und Tokushima brachten sie ein paar Boote zum Kentern. Berichte über schwerere Verletzungen gab es bis zum Sonntagabend nicht. Trotzdem setzte diese Nacht wieder ein Zeichen: In Japan kann die Natur jederzeit zuschlagen.
Extremer Asche-Auswurf
Erdbeben und Tsunamis gibt es um die pazifische Seenplatte häufig, die ganze Tektonik ist permanent in Bewegung. Die Katastrophe von Fukushima ist genauso auf tektonische Aktivität zurückzuführen, wie der Tsunami im Indischen Ozean, der 2004 von Thailand bis auf die Philippinen viele Inseln verwüstete.
Es sei bekannt, erklärt Vulkanforscher Tim Yilmaz, dass der Hunga-Tonga auch 1912, 1937, 1988 und zuletzt 2014 ausgebrochen sei. Häufig würden Unterseeausbrüche auch lediglich Schlamm hervorbringen, aber diesmal sei es zu einem extremen Asche-Auswurf gekommen, ähnlich wie bei dem Vulkan Eyjafjallajökull, der im Jahr 2010 den Flugverkehr in Europa lahmlegte. «Die Asche macht aber nicht nur die Kiwis im Supermarkt teurer, weil die Lieferketten gestört werden, sie kann auch zu saurem Regen führen, der die Landwirtschaft ruiniert und möglicherweise Lungenschäden verursacht», sagt Yilmaz.
Die letzte Naturkatastrophe auf dem Pazifischen Feuerring gab es erst vor einem Monat. Der Semeru auf Java in Indonesien brach aus; mehr als 30 Menschen starben. Wie viele Menschen nun durch den Ausbruch des Hunga-Tonga ums Leben gekommen sind, ist noch unklar. 2014, beim letzten Ausbruch, hatte der Unterwasservulkan eine neue Insel geschaffen. «Normalerweise werden solche Inseln schnell wieder vom Meer abgetragen, aber diese scheint zu bleiben und sich durch den neuen Ausbruch auch vergrössert zu haben», erklärt Vulkanologe Yilmaz. Mittlerweile würden dort Pflanzen wachsen und Vögel nisten. Aus schwarzer Asche entsteht neues Leben.
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