Urheberrechts-Posse um MusikWer zitieren will, fragt besser vorher
Seit mehr als 20 Jahren streiten sich Musikproduzent Moses Pelham und die Band Kraftwerk um zwei Sekunden Musik. Das Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs ist nicht das, was viele Künstler sich gewünscht haben dürften.
Nein, der Endlosprozess um das Sampeln einer zwei Sekunden kurzen Sequenz aus einen Stück der legendären Band Kraftwerk ist auch nach 22 Jahren nicht zu Ende. Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat den Fall zum wiederholten Mal an das Oberlandesgericht Hamburg zurückverwiesen. Immerhin zeichnet sich aber ein Ergebnis ab, oder besser gesagt: zwei Ergebnisse. Der Produzent Moses Pelham, der die Kraftwerk-Töne ohne Erlaubnis verwendet hatte, dürfte sich im Wesentlichen durchsetzen, zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht. Doch nach einem Grundsatzerfolg für den Hip-Hop sieht das Urteil des BGH eher nicht aus.
Geklagt hatte der Kraftwerk-Gründer Ralf Hütter, weil Pelham den hämmernden Sound aus dem Stück «Metall auf Metall» als rhythmische Grundierung für den Song «Nur mir» von Sabrina Setlur verwendet hatte, 1997 erschienen und eigentlich längst vergessen. Daraus wurde ein Grundsatzstreit um die Kunstfreiheit, genauer: um die Frage, ob ein rigides Urheberrecht das Sampling abwürgen darf, also die Wiederverwendung von Musiksequenzen aus anderen Stücken, um daraus neue Werke zu basteln. Der kreative Soundklau gehört zu den Wesenselementen des Hip-Hop, und ob man die Musik mag oder nicht – unter dem Schutz der Kunstfreiheit steht sie allemal. Der Fall wanderte durch die Instanzen, war beim Bundesverfassungsgericht, beim Europäischen Gerichtshof, und mit jeder Etappe wurde die Sache komplizierter.
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Jetzt dürfte Pelham recht bekommen, zumindest, was die für die Verwertung des Songs relevanten Jahre nach 1997 angeht. Denn bis 2002 ist der Fall nach dem deutschen Urheberrecht zu entscheiden, das ein «Recht zur freien Benutzung» kennt. In diesem Sinne liegt es laut BGH nun nahe, dass Pelham sich zulässigerweise bei Kraftwerk bedienen durfte. Das Oberlandesgericht Hamburg muss noch prüfen, ob «Nur mir» ein «selbstständiges Werk» ist, aber das dürfte eine Formalie sein.
Alles änderte mit einer EU-Richtlinie
Nur: Am 22. Dezember 2002 änderte sich die rechtliche Grundlage. Damals trat eine EU-Richtlinie zur Harmonisierung des Urheberrechts in Kraft, die das deutsche Gesetz an den Rand drängt. Das EU-Recht kennt keine «freie Benutzung», doch das musikalische Zitat könne erlaubt sein, «wenn der Schöpfer eines neuen musikalischen Werks ein Audiofragment (Sample) nutzt, das einem Tonträger entnommen und beim Hören des neuen Werks wiedererkennbar ist» – vorausgesetzt, das neue Werk «interagiert» mit dem Ursprungsstück. Das klang gut in den Ohren der Hip-Hopper.
Umso ernüchternder fällt nun das Fazit des BGH aus. Nach seiner Lesart eröffnet das Zitatrecht für die Zeit nach 2002 den Musikern keinen Zugriff auf den Kraftwerk-Sound. Und zwar deshalb, «weil kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Hörer annehmen könnten, die ‹Nur mir› unterlegte Rhythmussequenz sei einem fremden Werk entnommen worden». Soll heissen: Zitieren darf nur, wer das Zitat kennzeichnet. Damit aber ist der Freiraum für den kreativen Prozess, den das Gericht öffnen wollte, arg zusammengeschrumpft. Wer Audiofragmente anderer Künstler für seine Stücke verwenden will, sollte drum besser vorher fragen.
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