Weibelinnen und WeibelWer sind die Kostümierten im Bundeshaus?
Scheinbar aus der Zeit gefallene Figuren begleiten die Schweizer Politik – auch wenn nur am Rande. Sie üben auch heute noch eine Funktion aus.
Die Kleidungsvorschrift im Bundeshaus scheint klar zu sein: Anzug, Bluse oder Hemd, bescheiden, nicht zu auffällig. Bei genauerem Hinsehen aber fallen einige Figuren in den Berner Räumlichkeiten aus diesem Modekonzept. Neben den modern gekleideten Nationalräten und Bundesrätinnen stehen Personen im mittelalterlichen Umhang. Wer sind die kostümierten Menschen, und was machen sie im Parlament? Auf Spurensuche einer scheinbar veralteten und dennoch präsenten Tradition.
Zu einer Zeit, als es noch Grundherren und Vögte gab, sorgten Weibel für Recht und Ordnung auf den Strassen und im Gericht. Damals gehörten zu ihren Aufträgen die Erledigung von Botengängen, Stimmenzählen bei Wahlen, die Wahrung von Sicherheit und das Einziehen von Bussen. Je nach institutioneller Zugehörigkeit gestalteten sich diese Aufträge mehr oder weniger mondän. So durften die Weibel Plunder verpfänden und als Kläger im Gericht dienen. Auch im polizeilichen Bereich machten die Weibel bei der Fahndung nach Delinquenten und dem Bewachen von Gefangenen mit. Anderen wurde die «Aufsicht über die Jugend im Dorf» auferlegt.
Chauffeur und Assistenz
Im digitalen Zeitalter scheint der Beruf obsolet. Warum gibt es heute trotzdem noch Weibel? Heutzutage verrichten sie administrative und zeremonielle Aufgaben. Zum Jobprofil gehöre Loyalität, gute Umgangsformen und Verschwiegenheit. So stehen dem National- und dem Ständerat während der Session um die fünfundzwanzig Weibel und Weibelinnen zur Verfügung. (1997 schaffte es die erste Frau in das Amt). Die Mitglieder des Bundesrates haben ihren persönlichen Weibel. Sie erledigen Aufgaben, die man sonst wohl eher einem Sekretär oder einer Assistentin zuschreiben würde: Akten tragen, Termine organisieren, Kaffee kochen. Manche arbeiten auch als Chauffeur.
Nebst dem Botendasein sorgen die Weibel zweitrangig auch für die Sicherheit der höchsten Schweizerinnen und Schweizer, angeblich mit Pfefferspray bewaffnet. Zu schweren Zwischenfällen kommt es dabei wohl eher selten. Dennoch schreiten sie im Ernstfall schnell ein, so beispielsweise, als 2012 Ueli Maurers Weibel einen Tibeter zu Boden ringen musste. Gardisten sind sie aber nicht.
Die Ornate sind farblich abgestimmt, rot-weiss im Bundeshaus, gelb-schwarz für den Kanton Uri.
Die Auftritte im öffentlichen Rahmen variieren von Kanton zu Kanton. Auch pflegen rechte Politikerinnen und Politiker einen engeren Umgang mit den Weibelinnen und Weibeln, als linke, sagt die Präsidentin der Weibelvereinigung Diana Boner Sagaria. Weil diese «mehr Wert auf das Wahren von Traditionen» legen würden. Boner Sagaria war vor fünfundzwanzig Jahren die erste Weibelin, die den traditionellen Ornat tragen durfte.
Die mittelalterliche Aufmachung tragen die Weibel und Weibelinnen jedoch nur bei öffentlichen Auftritten. Die Ornate sind farblich auf die Ebene der Dienstleistung abgestimmt, rot-weiss im Bundeshaus, gelb-schwarz für den Kanton Uri. Zürich, Zug und Luzern können sich dank Zepter und Broschen auseinanderhalten. Beim Kostümverleih kann man eines dieser Gewänder für knapp 100 Franken mieten. Dass es den Beruf auch in zehn Jahren noch brauchen wird – einfach digitalisierter –, ist für Boner Sagaria klar: «Nur anhand der Weibelinnen und Weibel sieht man, welche Regierung vertreten ist.»
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