Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Wenn Schwulsein tödlich ist

Der Kölner Mordkommissar Schenk (Dietmar Bär, rechts) recherchiert im Fall eines toten Teens und gerät dabei selbst ins Visier von Ermittlungen. Foto: Das Erste
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Durchs offene Fenster hüpft ein Rabe, hinaus aus der regnerischen Nacht, hinein ins verlassene Haus. Der Totenvogel verschwindet im Dunkel, und im schmalen Taschenlampenstrahl sieht man kurz einen Jugendlichen stehen, wartend, rauchend. Wenig später liegt der junge Mann nackt und leblos im Dreck vor dem Fenster.

Ein Job für die altgedienten Kölner Mordkommissare Ballauf (Klaus Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär). Schenk hat zwar Geburtstag. Aber vom Gespräch mit der Lehrerin des toten Jan am Morgen bis zur nachmittäglichen Befragung von Jans Kameraden aus dem Biologieprojekt – die Maturanden untersuchen, genau!, Raben und Nebelkrähen – läuft alles recht mies fürs Geburtstagskind. Robin, Lennart und Nadine vom Rabenprojekt verhalten sich widerspenstig. Sie haben Jan und seinen Freund Paul gepiesackt, seit sich Jan unlängst als schwul geoutet hat.

Kommissar in der Falle

Als sich Nadine schliesslich rotzfrech ums Eck verzieht, läuft Schenk ihr hinterher – und die Falle schnappt zu. Nadine rast kreischend zurück zur Schülerschar: «Er hat mir an die Brüste gelangt!», und alle filmen genüsslich, wie der aufgelöste Ermittler ihr hinterhergeschnauft kommt. «Da war nichts», beteuert er vergeblich.

Kurz darauf sind die Bilder im Netz, Schenk hat ein Disziplinarverfahren am Hals, und jeder ausser Ballauf guckt ihn schräg an.

Drehbuchautor Johannes Rotter treibt seinen Krimi «Kein Mitleid, keine Gnade» über Mobbing anhand zweier Themen voran: Hier zeichnet er die menschenverachtende Homophobie an einem deutschen Gymnasium einerseits und in der Parallelwelt einer Einwandererfamilie andererseits. Und da gehts um Cybermobbing und falsche #MeToo-Beschuldigungen.

Richtig überzeugend ist allerdings bloss dieser zweite Erzählstrang: Wie die Macht der Bilder, das Klima des Misstrauens und Schenks psychisches Zerbröckeln vorgeführt werden, trifft. Die Folge von Regisseur Felix Herzogenrath paradiert da nicht mit dem Etikett «gesellschaftlich relevant» über den Schirm, sondern sie schafft diese Relevanz mit einer anschaulichen Story.

Ausgestossenes Bio-Genie im knallroten Kapuzenpulli: Paul ist ohne Jan auf sich allein gestellt. Foto: Das Erste

Gekonnt nutzt Herzogenrath auch den Horrorzitate-Fundus. Und für die Not jugendlicher Queers findet er gleichfalls starke Bilder. Schade, dass sie oft so grob und holzschnittartig gezeichnet sind, die rund 18-jährigen Schülerinnen und Schüler und ihr familiäres Umfeld: vom Putzfrauenkind mit verzweifelten Aspirationen über das nerdig-begabte Problemkind mit knallrotem Kapuzenpulli bis zum wohlstandsverwahrlosten Professorenkind, das im Grunde ebenso verloren herumtaumelt wie alle anderen.

Diese Stereotype passen überhaupt nicht in die Realismus-Behauptung von «Kein Mitleid, keine Gnade»; und so dumpfbackig homophob ist die Atmosphäre auch an Kölner Gymnasien nicht. Aber immerhin: Zum Schluss gibts noch mal einen bitteren Schuss Komplexität – und süsses Mitgefühl für alle Heranwachsenden in unserer Welt.