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Lockdown als Augenöffner
Wenn Reiseblogger nicht reisen können

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«Bei mir fand ein extremes Umdenken statt»

Ellen Gromann betreibt den Reiseblog Patotra.

Ellen Gromann befand sich gerade auf der spanischen Insel La Palma vor der Nordwestküste Afrikas, als dort auf einmal ein Lockdown ausgerufen wurde. «Wir mussten so schnell wie möglich zum Flughafen kommen, überall gab es Polizeikontrollen, und am Flughafen herrschte ein dichtes Gewimmel aus Menschen – keine Spur von Sicherheitsabstand!», erzählt die Betreiberin des Reiseblogs Patotra. Patotra steht für «Passion to travel», Leidenschaft fürs Reisen. Eine unschöne Situation, die sie nicht noch einmal erleben möchte, sagt die dreifache Mutter, die in Kreuzlingen TG wohnt.

Zurück in der Schweiz wurden die Konsequenzen der Corona-Pandemie ebenfalls schnell spürbar: Mit den Reisen fielen auch alle Aufträge, die Ellen Gromann in Zusammenhang mit ihrem Blog erhält, ins Wasser. Auch die Leserzahlen brachen ein. Doch dann begann sie, statt Reisereportagen fiktive Kurzgeschichten zu publizieren. Diese kamen sehr gut an – jetzt verzeichne sie fast höhere Leserzahlen als vor Corona. Um sich finanziell über Wasser zu halten, begann Gromann zudem, selber Masken zu nähen – passend mit Landkartenmotiven oder Reisekoffern und Fotokameras.

«Mir stellte sich in dieser Zeit aber auch die Sinnfrage nach den Reisen rund um die Welt», sagt Gromann, «und bei mir fand ein extremes Umdenken statt.» Zwar wusste sie bereits vorher, dass etwa gerade Flugreisen sehr schädlich fürs Klima sind, «aber ich hatte diese Problematik immer vor mich hergeschoben.» In der Corona-Krise fasste sie dann einen Entschluss: Von nun an würde sie nachhaltiger reisen, nicht ständig wegfahren, und vor allem nicht nur für ein paar Tage, sondern wenn, dann für längere Zeit. Ganz aufs Reisen verzichten möchte Gromann trotzdem nicht: «Das Reisen ist meine Passion, mir geht es vor allem auch um das Entdecken fremder Kulturen und den Austausch mit anderen Menschen.»

«Froh, zwei Standbeine zu haben»

Anita Brechbühl alias Travelita ist froh um ihren Beruf als Raumplanerin.

Anita Brechbühl, bekannt für ihren Reiseblog Travelita, arbeitet hauptberuflich als Raumplanerin. Gerade während der Corona-Krise war sie froh darum. «Ich werde oft gefragt, warum ich nicht nur noch für den Blog arbeite. Aber ich mag die Arbeit als Raumplanerin und gerade in so einer Krisenzeit ist es gut, nicht nur ein Standbein zu haben.» Dennoch traf Corona auch sie: Ein fünfstelliger Betrag hätte sie innerhalb dieser knapp vier Monate eigentlich einnehmen sollen, doch alle Aufträge wurden abgesagt. Da sie aber nicht darauf angewiesen sei, war dies nicht einschneidend, sagt Brechbühl.

Bezüglich Leserzahlen erlebte sie hingegen eine positive Überraschung: «Ich hatte noch nie so viele Leserinnen und Leser auf dem Blog wie während Corona.» Über 100'000 Unique Visitors zählt ihr Blog inzwischen monatlich. Den Inhalt passte die Bernerin, die in Zürich wohnt, allerdings kurzfristig an die neue Situation an: Ideen, wie man Hotels während des Lockdowns unterstützen könne, Empfehlungen für Spaziergänge durch die Stadt Zürich oder ein Listicle mit 55 speziellen Hotels in der Schweiz publizierte sie.

«Ich will weniger populäre Orte empfehlen.»

Die Reaktionen aus ihrer Community waren vorwiegend positiv, doch zwei, drei kritische Kommentare zu ihren Empfehlungen für Stadtspaziergänge habe sie dennoch erhalten, weil es doch hiess, man solle zuhause bleiben. «Aber nicht alle haben eine grosse Wohnung mit Balkon, und von Spaziergängen durch die eigene Stadt wurde in der Schweiz nie abgeraten», sagt Brechbühl. Sie nimmt die Kritik gelassen.

Dass sie als Reisebloggerin eine gewisse Verantwortung trägt, ist sie sich dennoch durchaus bewusst: «Mir ist die Rücksicht auf die Natur und das Klima sehr wichtig. Flugreisen innerhalb von Europa mache ich schon seit längerem nicht mehr», sagt die Bloggerin. «Auch will ich nicht den tausendsten Bericht über den Creux-du-Van schreiben, sondern lieber weniger populäre Orte empfehlen.» Sie hoffe, dass die Corona-Krise zu einem höheren Qualitätsbewusstsein in der Branche führe und sich die Reiseblogger stärker mit den Destinationen auseinandersetzen, statt auf möglichst viele Klicks zu zielen.

«Das Beste aus dieser schwierigen Situation machen»

Valeria Mella und Adrian Rüedi mussten nicht nur das Reisen, sondern auch ein Herzensprojekt auf Eis legen.

Valeria Mella und Adrian Rüedi, bekannt als Little City, sind seit 2012 als Reise-, Food- und Lifestyle-Blogger tätig. Statt Reisereportagen publizierte Valeria Mella während des Lockdowns Bastelideen, Kochrezepte oder Aktivitäten für zu Hause. «Ich wollte aus dieser schwierigen Zeit, in der man in den Medien viel Negatives las, das Beste daraus machen und etwas Positives publizieren», sagt sie. Diese Beiträge seien bei der Community gut angekommen. Auch hätte sie auf Social Media immer wieder betont, wie wichtig es nun sei, zu Hause zu bleiben. «Da haben wir als Reiseblogger, wie auch andere Menschen mit einer hohen Reichweite, schon auch eine Verantwortung», sagt Mella.

Gleichzeitig war diese Zeit aus geschäftlicher Sicht schwierig: Von einem auf den anderen Tag wurden alle Veranstaltungen abgesagt, alle Projekte verschoben oder auf Eis gelegt. Auch ihr eigenes Herzensprojekt musste ruhen: Der Umbau einer Gondel zum vermietbaren Tiny House. «Glücklicherweise konnten wir das Projekt bald fortführen und starteten nun halt einfach mit etwas Verspätung», sagt Mella.

«Vieles findet jetzt gleichzeitig statt, wir können nicht überall teilnehmen.»

Inzwischen steht die Gondel auf rund 3000 Metern über Meer auf dem Piz Nair oberhalb St. Moritz. Besser hätte das Timing wohl nicht sein können, jetzt, wo selbst von den Behörden Ferien in der Schweiz empfohlen werden: Nach nur 10 Stunden waren bereits fast alle Nächte für die drei Monate ausgebucht. Die Gondel ist Teil der Kampagne «Million Stars Hotel» von Schweiz Tourismus mit rund 50 schweizweit verteilten «Hotelzimmern» mit Blick auf den Sternenhimmel.

Auch wenn das Paar hauptsächlich im Reise- und Tourismusbereich tätig ist, so hätte die Corona-Krise nicht dazu geführt, dass sie sich eine berufliche Neuorientierung überlegt hätten. «Wir haben schon vor dem Lockdown vor allem Reisen innerhalb der Schweiz promotet, und das werden wir auch weiterhin tun», sagt Mella. Seit fünf Jahren als GmbH tätig, konnten sie zudem eine begrenzte Erwerbsausfallentschädigung beantragen. Inzwischen sei die Agenda aber wieder gut gefüllt: «Weil viel verschoben wurde, können wir einen Teil nun nachholen. Das einzige Problem dabei: Weil nun einige Veranstaltungen gleichzeitig stattfinden, können wir nicht überall teilnehmen.»