Interview mit Roger Federer«Wenn das für einige komisch aussieht, stört mich das nicht»
Roger Federer überzeugte in Paris beim 6:2, 6:4, 6:3 gegen Denis Istomin und bekräftigte, Rückschläge nehme er in Kauf. Er wolle jetzt einfach spielen.
Wie fühlten Sie sich auf dem Court im Vergleich zu Ihrer Niederlage in Genf?
Es war ein anderer Gegner, eine andere Situation, best of five statt best of three. Aber insgesamt fühlte ich mich viel klarer im Kopf. Natürlich hat mir auch die Art und Weise des Gegners erlaubt, so zu spielen, wie ich wollte. Ich hatte viele verschiedene Möglichkeiten, um den Punkt zu gewinnen. Ich konnte ans Netz kommen, einen Stoppball spielen, den Ball früh nehmen. In Genf versuchte ich es mit der Brechstange, und es hätte ja fast geklappt, ich lag gegen Andujar im dritten Satz 4:2 voraus. Ich hätte eigentlich gewinnen müssen.
Man hatte das Gefühl, Sie bewegten sich auch besser. Einverstanden?
Ich fand auch, dass ich mich ziemlich gut bewegte. In Genf hatte ich Mühe, nach vorne ans Netz zu kommen. Ich fühlte mich einfach nicht wohl. Diesmal konnte ich angreifen, wenn ich wollte. Ich hielt die Ballwechsel bewusst kurz, wollte mich nicht in lange Duelle verwickeln lassen. Das funktionierte gut. Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Ich brauche einfach Matchs, um zu spüren, welcher Schlag in welchem Moment der richtige ist. Djokovic und Nadal versuchen auch nicht Longline-Winner zu schlagen, wenn sie im Rückstand liegen. Die Schlagwahl war gegen Istomin schon viel besser. Aber ich hatte gegen ihn auch mehr Marge.
«Solange ich damit kein Risiko eingehe und auf einem akzeptablen Niveau spiele, ist das für mich okay.»
Wie sehr schmerzen Sie ungewohnte Niederlagen wie gegen Pablo Andujar? Und wie beeinflussen diese Ihr Comeback und Ihre Lust, weiterzuspielen?
Solche Niederlagen gehören leider zum Prozess. Ich wusste, ich muss das Risiko früher Niederlagen auf mich nehmen, wenn ich jetzt zurückkehre. Wie in Doha, in Genf, vielleicht auch in Paris. Die Alternative wäre gewesen, zu warten, bis ich wieder bei 100 Prozent bin. Aber ich habe genug Reha gemacht, genug trainiert, ich will spielen. Und solange ich damit kein Risiko eingehe, die Situation mit dem Knie zu verschlechtern, und auf einem akzeptablen Niveau spiele, ist das für mich okay. Klar: Wenn ich nochmals mehrere Trainingsblöcke hätte absolvieren können, hätte das geholfen. Aber diese Zeit haben wir momentan nicht. Deshalb muss ich da durch. Diese Niederlagen dürfen mich nicht aus der Bahn werfen. Ich muss positiv bleiben, meinem Weg vertrauen. Auch wenn es für einige Leute, für Journalisten oder Experten, komisch aussehen mag. Aber das stört mich nicht.
Gab es Ihnen Aufschwung, als Sie sahen, dass Andujar, Ihr Bezwinger in Genf, nun in Paris Dominic Thiem geschlagen hat?
Nicht wirklich. So denkt man nicht. Wobei: Was mir ein bisschen Auftrieb gab, war der Fakt, dass Evans, den ich in Doha schlug, in Monte Carlo gegen Djokovic gewann. Das zeigte mir, dass ich vielleicht nicht so weit weg bin. Aber natürlich ist jedes Duell anders. Wenn ich jetzt gegen Djokovic spielen würde, würde es vielleicht ganz anders aussehen, würde er mich ohne Satzverlust schlagen. Und man muss auch sehen, dass Thiem momentan nicht er selbst ist. Aber er kommt schon wieder. Er muss einfach die nötige Energie finden.
Auf Twitter kursierte ein Foto, das Ihre Waden zeigte im Herbst, wie sie ganz dünn sind, und eines daneben von jetzt. Der Unterschied ist enorm. Hat Sie das auch schockiert?
Ich habe diese Fotos nicht gesehen. Aber es ist normal, dass du viele Muskeln verlierst, wenn du fünf Wochen an Krücken gehst, kein Krafttraining machen darfst, nicht einmal aufs Laufband. Es fiel mir mehr bei meinen Oberschenkeln auf als bei den Waden. Seit ich gegen Ende letzten Jahres wieder voll trainieren konnte, habe ich wieder viele Muskeln aufgebaut. Das ist sehr positiv. Und auch meine Reaktionsfähigkeit wird immer besser.
«Schade ist nur, dass meine Familie nicht hier ist. Und wahrscheinlich wird sie in Wimbledon auch nicht dabei sein.»
Sie haben immer gesagt, dass Wimbledon Ihr erstes grosses Ziel ist. Wo stehen Sie auf dem Weg dahin?
Ich weiss es nicht, um ehrlich zu sein. Aber ich mag diese Situation. Dass ich nicht weiss, was als Nächstes kommt. Ich nehme Match für Match. Ich bin sehr happy, dass ich gewonnen habe, und das gibt mir eine Chance, am Donnerstag wieder zu spielen. Es ist schön, zurück im Turnierrhythmus zu sein. Schade ist nur, dass meine Familie nicht hier ist. Und wahrscheinlich wird sie in Wimbledon auch nicht dabei sein. Und in Tokio wäre sie es wohl auch nicht.
Haben Sie schon entschieden, ob Sie an den Olympischen Spielen antreten?
Ich weiss es noch nicht definitiv. Ich würde gerne spielen. Aber ich würde mir erhoffen, dass die Dinge besser wären auf der Welt. Mein Wunsch, meine Hoffnung, mein Traum ist, dass ich in Tokio spielen kann. Aber ich muss schauen, wie sich die Situation entwickelt. Es muss Sinn machen für mich, für mein Team, meine Familie, mein Land. Ich warte einmal ab, wie sich die Dinge in den nächsten Wochen oder Monaten entwickeln.
«Offenbar dürfte ich sogar eine Stunde nach draussen, das habe ich aber noch nicht getan.»
In Paris spielen Sie vor 1000 Zuschauern. Die Massnahmen sind in Frankreich etwas strenger als in der Schweiz, man muss auch draussen eine Maske tragen. Wie erleben Sie das?
Ich habe bisher viel Zeit im Zimmer verbracht mit dem Team. Und habe immer lange ausgeschlafen. Dann gingen wir auf die Anlage, trainierten, assen dort zu Mittag. Danach jassten wir. Massage, zurück, dann isst du wieder, bald geht es dann auch schon ins Bett. Ich habe noch nicht gross etwas unternommen. Wegen der Bubble wollte ich nicht zu früh anreisen, ich bin ja erst am Donnerstag gekommen. Offenbar dürfte ich sogar eine Stunde nach draussen, das habe ich aber noch nicht getan. Ich musste zuerst einmal verstehen, was wir hier alles dürfen und was nicht. Bis jetzt kann ich mich nicht beklagen. Es ist alles okay.
Einen ausführlichen Matchbericht sowie den Liveticker der Partie zum Nachlesen finden Sie hier.
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