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Löscheinsatz im Wallis
Warum die Armee-Helis im Kampf gegen das Feuer blockiert waren

Allein über dem brennenden Wald beim Riederhorn: Ein Super Puma beim Löscheinsatz am Dienstag.
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Der Vorgang ist beispiellos. Am Dienstagmorgen steht die Flanke des Riederhorns in Flammen, Dutzende Hektaren Wald brennen. Zwei Super Pumas der Armee sind bereit, um Löscheinsätze zu fliegen. Aber die beiden Helikopter sind nicht willkommen – zumindest nicht bei der Air Zermatt. Das private Unternehmen leitet den Luftlöscheinsatz im Oberwallis.

Stattdessen attackiert der oberste Verantwortliche der Air Zermatt die Armeespitze. In einer E-Mail, über welche der «Walliser Bote» zuerst berichtete und die dieser Redaktion ebenfalls vorliegt, schreibt VR-Präsident Philipp Perren um 11.25 Uhr an verschiedene Armee-Exponenten und einen Politiker: «Nun wird die Armee angefordert, weil diese gratis ist.» Dies entspreche «natürlich nicht dem Subsidiaritätsprinzip, wonach die Armee nur dann zum Einsatz kommen darf, wenn die zivilen Mittel nicht ausreichen».

Perren insistierte, die Air Zermatt sei fähig, mit drei Helikoptern den Löscheinsatz selbst zu bewältigen, zumal ihr ein Partnerunternehmen mit zwei zusätzlichen Helikoptern zur Seite stehe. Aus Sicherheitsgründen sei es aktuell ohnehin nicht möglich, dass mehr als drei Helikopter in der Luft seien. Perren drohte damit, dass die Air Zermatt «aus Sicherheitsgründen» seine Helikopter abziehen werde.

Die Privaten hätten die Lage im Griff, bestätigte Perren dem «Walliser Boten» auch mündlich. «Wahrscheinlich ist beim Kanton betreffend Subsidiarität etwas falsch gelaufen. Sonst hätte man die Armee gar nicht aufgeboten.»

Art Furrer lobt die Armee

Die Aussagen zeigen: Rund um den anspruchsvollen Noteinsatz am brennenden Riederhorn tat sich ein Graben auf, der quer durch die Rettungskräfte und -behörden ging: hier die Air Zermatt, die den Einsatz selbst abwickeln wollte – da die Walliser Behörden, die ein Aufgebot der Armee als dringend notwendig ansahen. Es geht im Wortsinn um die Lufthoheit – aber auch um einen teuren Auftrag.

Für Hotelierlegende Art Furrer ist der Fall klar. Philipp Perren habe mit seinen Aussagen erheblichen Schaden angerichtet. Als «unverzeihlich» und «riesigen Bock» bezeichnet er dessen Worte. Furrer lebt auf der Riederalp, die genau neben dem Waldbrandgebiet liegt und nur knapp einer Evakuierung entging. Er habe mit eigenen Augen gesehen, wie die Feuerwalze immer weiter talaufwärts und damit näher an «seine» Riederalp gekommen sei. 

Gerade mithilfe der grossen Armeehelikopter habe der Waldbrand wirkungsvoll bekämpft werden können, beobachtete Furrer. «Die Armee hat effizient, ja mustergültig gearbeitet», hält er fest. Die Region sei «einer riesigen Katastrophe entgangen». Eine wirkliche Katastrophe hat Furrer in den 1940er-Jahren erlebt, als er als Sechsjähriger mit ansehen musste, wie der Aletschwald vor seinen Augen abbrannte. Dieses Erlebnis präge ihn bis heute.

Mit Bewilligung Viola Amherds

Gemäss Recherchen dieser Redaktion ging schon am Montagabend ein Gesuch um Unterstützung der Armee beim Walliser Sicherheitsdirektor Frédéric Favre (FDP) ein. In Bitsch VS befürchteten die Verantwortlichen, dass die Air Zermatt mit den gefährlichen Löschflügen bei Tages- und Nachtzeit über dem Waldbrandgebiet rasch an Kapazitätsgrenzen komme. Bekannt ist auch, dass Super-Puma-Helikopter pro Einsatz mehr Wasser abwerfen können als ein Teil der Hubschrauber von Air Zermatt und Air Glacier.

Staatsrat Favre unterstützte in der Folge ein entsprechendes Hilfegesuch an das Departement für Verteidigung und Bevölkerungsschutz in Bern, geführt von der Oberwalliserin Viola Amherd (Mitte). Die Armee handelte rasch. Bereits am Montagabend lief der Löscheinsatz der Luftwaffe in Bitsch an. Keine drei Stunden nachdem der Kanton Wallis Antrag auf Unterstützung gestellt hatte, war der erste Super Puma der Armee mit über zwei Tonnen Wasser angehängt über dem Brandherd. Aufseiten der Armee ging alles reibungslos, inklusive der formell benötigten Bewilligung durch Bundesrätin Amherd, die gegenwärtig in den Ferien weilt.

Gemäss Recherchen dieser Redaktion traf das Gesuch aus dem Wallis am Montagabend nach 18 Uhr beim Kommando Operationen an der Papiermühlestrasse in Bern ein, bei jener Stelle also, welche die Einsätze der Armee führt. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits ein Super Puma einsatzbereit auf dem Militärflugplatz in Dübendorf ZH. Aufgrund der Trockenheit hatte man damit gerechnet, für Löscheinsätze aufgeboten zu werden.

Das Kommando Operationen in Bern gab der Helikopterbasis in Dübendorf den Auftrag zum unterstützenden Löscheinsatz im Wallis. Während der Super Puma bereits erste Löscheinsätze über Bitsch flog, bereitete die Luftwaffe in Dübendorf einen zweiten Grosshelikopter vor.

Am Dienstagmorgen waren schliesslich zwei Super Pumas in Bitsch vor Ort. Sie kamen aber morgens nicht zum Einsatz. Stattdessen hatte die Air Zermatt inzwischen einen privaten Super Puma einer befreundeten Firma aufgeboten.

Geht es der Air Zermatt ums Geld?

Am Mittwochnachmittag erklärt sich die Air Zermatt. In einer Stellungnahme auf der Website der Firma schreibt Geschäftsführer Gerold Biner: Ihr Einsatzkoordinator für Lufttransporte sei am frühen Dienstagmorgen «unter permanenten Druck von verschiedenen Seiten» gekommen, die beiden Armeehelikopter endlich einzusetzen. Man habe «dem politischen Druck standhaft entgegentreten müssen». Hätte man die Super Pumas eingesetzt, wäre daraus ein Sicherheitsrisiko entstanden – weil dann zu viele Helis in der Luft gewesen wären. Man hätte dann die Sicherheit der Piloten nicht mehr garantieren können – und hätte in einem solchen Szenario die eigenen Maschinen abziehen müssen.

Im Laufe des Dienstags habe sich dann die Lage geändert und man habe immer mehr Helikopter einsetzen können, so Biner. Am Dienstagnachmittag schliesslich sei es möglich gewesen, auch die beiden Super Pumas  der Armee einzusetzen, was «umgehend» passiert sei. Dass es der Air Zermatt um den (bezahlten) Auftrag für sich selbst und befreundete Firmen gegangen sei, weist Biner zurück: «Geld spielt keine Rolle.» Der Fokus liege auf der Sicherheit und dem Schutz der betroffenen Gemeinden sowie deren Bewohner.

Am späten Mittwochnachmittag meldet sich auch noch VR-Präsident Philipp Perren bei dieser Redaktion. Auch er argumentiert mit der Sicherheit vor Ort. Hilfe der Armee sei bei Grossereignissen «willkommen oder sogar erforderlich».

«Wichtige zusätzliche Mittel»

Der Walliser Regierungsrat Frédéric Favre (FDP) steht nach wie vor zu seinem Antrag für Armeehilfe. «Die Armee verfügt über grössere Wassertransportkapazitäten, spezielle thermische Beobachtungsmittel für diese Art von Ereignissen und die Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum Einsätze zu leisten», teilt er auf Anfrage mit. In solchen Situationen sei die Armee «ein wichtiger Pluspunkt». 

Sowieso liege die Verantwortung für die Bewältigung eines solchen Einsatzes bei den kommunalen und kantonalen Behörden und nicht bei einem Privatunternehmen. «Die Air Zermatt leistet hervorragende Arbeit und verfügt über viel Erfahrung. Die Armee verfügt jedoch über wichtige zusätzliche Mittel, um einen solchen Waldbrand effizient zu bekämpfen», so Favre.