Von Horch zu AudiTriumphe und Tragödien im sächsischen Detroit
120 Jahre ist es her, dass Automobilpionier August Horch das sächsische Zwickau in eine europäische Kapitale des Automobilbaus verwandelte. Am Anfang waren es Horch und Audi, dann DKW und Trabant, mit denen Zwickau gross wurde. Heute sollen elektrische VW- und Audi-Modelle dort Erfolge einfahren.

Vor 125 Jahren meldete der Automobilpionier und Audi-Gründer August Horch sein erstes Unternehmen als «A. Horch & Cie.» in Köln an, nachdem er als Betriebsleiter bei Carl Benz kein Vorwärtskommen gesehen hatte. In der eigenen Firma und mit Autos, die seit 1900 seinen Namen trugen, trieb der geniale Konstrukteur Horch die Automobiltechnik dann in die Zukunft, aber es fehlte ihm an Geldgebern für die Serienproduktion. Investoren fand Horch erst durch die Verlegung seines Firmensitzes nach Sachsen, zuerst ins kleine Reichenbach, dann 1904 in die Bergbaustadt Zwickau. Hier etablierte Horch vor 120 Jahren eine Wiege der deutschen Autoindustrie.
Frühe luxuriöse Horch-Fahrzeuge gewannen durch Motorsportsiege europaweites Renommee. Dennoch verliess August Horch schon 1909 die Aktiengesellschaft, die seinen Namen trägt, im Streit mit dem Aufsichtsrat. Der rastlose Ingenieur gründete stattdessen am gleichen Standort die Marke Audi – der neue Firmenname ist die lateinische Übersetzung von Horch. Als sich Audi 1932 mit Horch, DKW und Wanderer zur Auto-Union zusammenschloss, entstand der zweitgrösste deutsche Autokonzern – und Zwickau galt als Autokapitale fast wie Detroit in den USA.
Robustheit und Power im Überfluss
Die Marke Horch stieg erst mit der Verlegung des Firmensitzes nach Zwickau in die ultraluxuriöse Liga von Rolls-Royce, Maybach und Hispano-Suiza auf. Dazu zeigte Konstrukteur August Horch die Siegergene seiner Marke bei Motorsport-Events wie der berüchtigten Herkomerfahrt. Das war 1906 eine Herausforderung ähnlich wie später die Mille Miglia oder die Rallye Dakar. Für seine Automobile verwendete Horch als Erster in Deutschland stabilen und leichten Aluminiumguss bei Motoren und Getriebegehäusen und hochfesten Stahl für Getriebezahnräder. Robustheit und Power im Überfluss zeigten die Horch-Motoren von Beginn an – sogar als Vierzylinder, und die wohlhabenden Kunden der High Society honorierten dies.

Später präsentierte der Horch 12/60 als erstes deutsches Serienauto einen Achtzylindermotor – aber da hatte Ingenieur Horch längst die Horch Motorwagenwerke verlassen und die neue Firma Audi etabliert. Während die Marke Horch Anfang der 1930er ein Drittel des deutschen Luxusmarkts beanspruchte, fiel sie nach dem Zweiten Weltkrieg und mit dem Auslauf der finalen, in Zwickau (nun DDR) gebauten repräsentativen Sachsenring-Sechszylinder in einen komatösen Tiefschlaf, der erst kürzlich durch eine mit Horch-Logo geschmückte Nobelversion des Audi-Flaggschiffs A8 für chinesische Kunden beendet wurde. Ansonsten versucht vor allem das August-Horch-Museum in den ehemaligen Werksanlagen in Zwickau die Erinnerung an die verblichene Marke zu bewahren. Hinzu kommen Aktivitäten von Audi: So gibt es zum 125. Gründungstag der ersten Horch-Firma eine Sonderschau im Audi-Forum Neckarsulm.
Eine lange Unterbrechung
Gehörte Horch früher zu den glanzvollsten deutschen Premiummarken, gilt dies für Audi bis heute – trotz langer Unterbrechung. Die im April 1910 in Zwickau gegründeten Audi-Automobilwerke wurden weltweit bekannt, als das Audi-Werksteam ab 1912 drei Jahre in Folge die Internationale Österreichische Alpenfahrt gewann, damals die schwerste Motorsport-Challenge. Weiteres Renommee als Ingenieur-getriebene Premiummarke erzielte Audi nach dem Ersten Weltkrieg: 1921 etablierte das Zwickauer Unternehmen als erste deutsche Marke Linkslenkung und die Verlegung des Schalthebels in die Mitte. Bahnbrechende Sechszylinder und der Achtzylinder im Audi Imperator konnten allerdings finanzielle Probleme nicht verhindern, sodass Audi 1928 von Jørgen Skafte Rasmussen, dem Herrn über das DKW-Imperium, übernommen wurde.

DKW, damals weltgrösster Motorradhersteller und 1930 mit dem DKW Front der Erfinder des frontangetriebenen Kleinwagens zu volkstümlichen Preisen, produzierte diesen in jener Zeit beliebtesten Kompaktwagen auf den Audi-Werksanlagen in Zwickau. Auch die DKW-Reichs- und -Meister-Klasse-Familie sorgte europaweit für Furore, inspirierte sogar die schwedischen Saab-Modelle der späten 1940er-Jahre. Trotz aller Erfolge blieben die Kassen in Zwickau klamm, und so entstand 1932 der Konzern Auto-Union im Zeichen der bis heute bekannten vier Audi-Ringe.
Anfangs symbolisierten sie den Zusammenschluss der Marken Audi, Horch, DKW und Wanderer, Letzterer ein bis 1940 aktiver Autobauer. Globalen Ruhm erntete die Auto-Union – wie zuvor Horch und Audi – im Motorsport. Die Duelle der Silberpfeile von Mercedes-Benz und der Auto-Union auf Renn- und Rekordkursen fesselten in den 1930er-Jahren Millionen, Piloten wie Bernd Rosemeyer wurden wie Popstars gefeiert. Bis nach Detroit gelangte der Ruf der Zwickauer Autobauer, und in Europa inspirierte der Markterfolg der Sachsen neue Hersteller, die in den Jahren nach dem Krieg antraten.
Räng-täng-täng
Damals gab es zeitweise sogar fast baugleiche DKW aus Zwickau in der DDR und aus der Bundesrepublik. Dann verschwand DKW mit den markanten Räng-täng-täng-Zweitaktmodellen zugunsten der in Ingolstadt wiederbelebten Marke Audi und der im Osten ab 1957 in Grossserie gebauten Trabant. Ähnlich wie der Fiat 500 ganz Italien motorisierte der Trabant die DDR, und wie der Turiner Cinquecento beschwört der bis 1990 gebaute sächsische Millionenseller heute emotionale Erinnerungen. Abzulesen ist das an den steigenden Oldtimerzulassungen dieses Klassikers mit ungewöhnlicher Kunststoffkarosserie.

Eine regelrechte Emanzipation von seiner wechselhaften Vergangenheit gelang allein Audi. Im Jahr 1910 als fortschrittliche Premiummarke gegründet und 1965 revitalisiert, gelang es Audi mit Turbo- und Quattro-Modellen, aber auch der Audi-A8-Kanzlerlimousine und den heute aktuellen Stromern, die frugale DKW-Ära vergessen zu lassen und an den Vorsprung in den 1930ern anzuknüpfen. Damals, als Zwickau in Europa in einem Atemzug mit anderen globalen Zentren des Automobilbaus wie Paris, Turin, Coventry und auch Detroit genannt wurde.
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