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«Italiens Robinson Crusoe»
Vertrieben aus dem Paradies

Wenn nötig, mobilisierte er das Netz und die Weltpresse: Mauro Morandi, 82 Jahre alt, aus Modena.
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Das Paradies verliert seinen Wächter, seinen einzigen Bewohner. Mauro Morandi, 82 Jahre alt, verlässt Budelli. So heisst eine kleine Insel im Archipel von La Maddalena im Norden Sardiniens, nur 1,6 Quadratkilometer gross, feinster rosafarbener Sand. Nicht freiwillig natürlich, aber müde vom Kampf gegen die Behörden. «Ich habe die Nerven verloren», schreibt Morandi auf Facebook, und das will etwas heissen. Er zieht auf die Hauptinsel, in eine Mietwohnung mit Sicht aufs Meer am Rand des Orts, damit er nicht allzu viel Kontakt zu Menschen haben muss. Das wäre wohl ein Kulturschock.

In Italien nennen sie ihn «Robinson Crusoe von Budelli» oder «Unseren Robinson Crusoe». Hager, lederne Haut, rebellische Natur, alle kennen ihn. Er ist eben auch ein wunderbarer Selbstvermarkter.

«Wir wollten nach Polynesien.»

Mauro Morandi

Morandi kommt ursprünglich aus Modena in Mittelitalien, weit weg vom Meer. Ferien machten sie jeweils im Delta des Po. Früher war er Sportlehrer an einer Schule, mit 50 war er schon in Rente. Mit Freunden mietete er einen Katamaran. «Wir wollten nach Polynesien», erzählte er einmal am Telefon. Weit kamen sie aber nicht. Vor Budelli gerieten sie in eine Havarie, das Meer ist halt kein Fluss.

Sie lernten den Aufpasser der Insel kennen, die damals einer Privatfirma gehörte, und der klagte über sein einsames Leben. Im Winter war es öd und einsam. Im Sommer aber kamen viele Touristen auf Tagesausflügen, die er daran hindern sollte, den schönen Sand vom Strand zu klauen. In zwei Tagen höre er auf, sagte er. So beschloss Morandi, Polynesien gegen Budelli einzutauschen und zu bleiben.

Ein Naturschutzgebiet – und die Tagesausflügler kamen oft nur, um rosafarbenen Sand vom Strand zu stehlen: Budelli, eine Insel des Archipels von La Maddalena.

Auf der Insel gab es nur ein schmuckloses, braunes Haus aus dem Zweiten Weltkrieg, ein militärischer Unterstand. Er baute ihn ohne Bewilligung ein bisschen aus, um es sich gemütlicher zu machen in seinem neuen Leben. Kamen Touristen, zeigte er ihnen die Schönheit von Budelli und schickte sie wieder weg. Vor einigen Jahren ging die Besitzerfirma bankrott, der italienische Staat übernahm die Insel, um sie vor Immobilienspekulanten zu schützen. Keine gute Entwicklung für den Einsiedler.

Die Naturparkbehörde des Archipels wollte ihn loswerden und schickte Räumungsbefehle wegen illegalen Bauens. Doch Morandi wehrte sich mit aller Macht und sehr modern: mit Appellen und Petitionen im Netz. Seit er Instagram und Facebook für sich entdeckt hat und darauf Fotos der Insel postete, Sehnsuchtsbilder aus dem Paradies, war seine Gefolgschaft immer schnell mobilisiert. Auch die Medien liebten seine Geschichte, sogar CNN kam mal vorbei. So schob der Staat die Räumung immer wieder auf, bis jetzt.

Monatelang kam nur der Freund mit den Besorgungen

Das braune Haus wird renoviert, endgültig, die illegalen Zusatzbauten müssen weg. Und der Wächter gleich mit.

Morandi sagt, er sei wohl einfach zu alt für den Kampf, er leide ja auch an Diabetes. Als Erstes werde er sich nun impfen lassen. Budelli war immer Covid-free. Alle zwei Wochen kam ein Freund vorbei und brachte Lebensmittel, sofern es der Seegang erlaubte. Oft war der rau, kalte Nordwinde peitschten über die Insel. Ausser dem Freund mit den Besorgungen sah er seit vergangenem Sommer niemanden mehr. Aber das war nicht seine grösste Sorge. «Der Kühlschrank läuft nicht mehr richtig», sagt er, «die Batterien sind kaputt.» Alltagsprobleme, auch im Paradies.