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Neues Album
Versöhnliche Wut

«Ich hatte lange keine Ahnung, wer ich überhaupt bin»: Sängerin und Pianistin Alicia Keys.
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Der Siebziger-Soul-Vibe ist wieder da. Alicia Keys beschwört ihn im Song «Jill Scott» auf ihrem neuen Album «Alicia» in einem wunderbaren «La-la-la-la-la»-Refrain, so verzückt und intim, dass man es nur als Verbeugung vor Minnie Riperton hören kann. Die war in den Siebzigerjahren die Königin der spirituell-psychedelischen Soulmusik und sang in ihrem Hit «Lovin’ You» (1975) auch so ein laszives, weltumspannendes «La-la-la-la-la». Hier, bei Alicia Keys, ist sogar die echte Jill Scott als Gast dabei, was im ersten Moment verwirrend ist. Würde Lady Gaga einen Song mit einem Gastauftritt von Madonna «Madonna» nennen, oder Chris Martin einen Song mit Bono «U2»?

Dann wird aber klar: Es geht Keys um eine Huldigung an gleich mehrere Generationen, die das Erbe des afroamerikanischen Soul geprägt haben. Das ist nicht unwichtig zum Verständnis dieses siebten, sehr gelungenen Albums der New Yorker Sängerin und Pianistin. Denn ansonsten singt die 39-Jährige ja auch gerne Songs, bei denen nicht so ganz klar ist, woher sie kommen, dafür umso klarer, wohin sie wollen: an die Spitze der Charts.

Vintage-Soul ist das Kraftzentrum von «Alicia»

Soul in den Charts, das kann vorkommen, aber meist nur dann, wenn noch viel hochtechnologisches Sound-Drama und ein wenig Elton-John-Haftigkeit drangebastelt wird, und wenn ein dickes Bass-Stampfen drunterliegt. Auf «Alicia» gibt es solche Momente ebenfalls, aber Vintage-Soul ist das Kraftzentrum dieses Albums. «Mir ist bewusst geworden, dass ich lange keine Ahnung hatte, wer ich überhaupt bin», sagt die 15-fache Grammy-Preisträgerin über die Lebensphase, die den Aufnahmen vorausging.

Gut möglich also, dass mit dem «you» in «You Save Me» nicht jemand anders gemeint ist, sondern dass Keys sich selbst dankt. Sie singt den Song mit der schwedisch-persischen R&B-Aufsteigerin Snoh Aalegra, deren Stimme sich nur in Nuancen von Keys’ Stimme unterscheidet, wodurch das Ganze zum leicht gespenstischen Duett wird: zwei Soulstimmen, die eigentlich eine Soulstimme sind.

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In der Phase, in der sie sich selbst kennenlernte, hat Alicia Keys offenbar auch viel Solange gehört, die Schwester von Beyoncé Knowles. In «Time Machine» gibt es diese Passage, in der sich Keys’ Stimme genauso harmonisch auftürmt und sphärisch übereinanderschichtet wie im Solange-Hit «Cranes In The Sky» (2016). Das ist sicher auch als Hommage gemeint, und Solange hätte sich über eine urheberechtliche Erwähnung bestimmt gefreut.

Zum Schluss wendet sich Keys dem aktuellen Weltgeschehen zu. «Perfect Way To Die» ist eine polierte «Black Lives Matter»-Hymne, gesungen für George Floyd und andere Opfer des Polizei-Rassismus in den USA. Und jene mies bezahlten Menschen in systemrelevanten Berufen, die in den vergangenen Monaten vielleicht Applaus von Balkonen bekamen, aber immer noch mies bezahlt werden: Sie bekommen mit «Good Job» ihren Song. Keys hämmert ihn zugleich wütend und versöhnlich in ihr Klavier, und das «matter» aus dem Refrain («Don’t get too down / The world needs you now / Know that you matter») wiederholt sie dreimal. Damit es auch wirklich, wirklich, wirklich ankommt: Du zählst!

Alicia Keys, «Alicia», Sony