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Medikamentenverteilung pausiert
«Eine echte Katastrophe»: Trump stoppt Aids-Hilfe in armen Ländern

Frau in Kibera, Nairobi, nimmt Antiretrovirale Medikamente am Welt-Aids-Tag 2021.
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In Kürze:
  • Die US-Regierung stoppt die Verteilung von Aids-Medikamenten in ärmeren Ländern.
  • Experten warnen, dass die Finanzierungspause Millionen von Leben gefährdet.
  • Patienten befürchten Resistenzbildung und eine Verschärfung der Aids-Problematik.
  • Andere Akteure könnten das entstehende Vakuum füllen und den US-Einfluss schwächen.

Christoph Spinner hatte für die Patienten in den internationalen Aids-Programmen ohnehin schon das Schlimmste befürchtet, aber über Nacht hat sich die Lage offenbar noch einmal zugespitzt. «Viele Kollegen in der International Aids Society sind jetzt voller Sorge», sagt der Aids-Experte im Videocall. Gemeinsam mit rund 60 Chefärzten aus aller Welt nimmt der Infektiologe vom Klinikum der TU München an einem Kurs an der Harvard School of Public Health teil, wo die Runde durch einen Artikel der «New York Times» aufgeschreckt wurde.

Demnach hat die Regierung von US-Präsident Donald Trump nach dem angekündigten Austritt des Landes aus der Weltgesundheitsorganisation und dem Pausieren internationaler Gesundheitsausgaben nun auch noch das sofortige Ende der Verteilung von Aids-Medikamenten in armen Ländern verfügt. «Der Stopp der Aids-Projekte ist ein brutaler Rückschritt», sagt Spinner. «Und das bei einer Erkrankung, von der wir wissen, dass der Kampf gegen sie nicht auf nationaler Ebene gewonnen wird. Gegen Aids muss man global vorgehen.»

Für viele Patienten und Aktivisten in ärmeren Ländern sind die Nachrichten aus den USA umso mehr ein Schock. Für die Bevölkerung reicher Länder ist Aids kein grosses Problem mehr. Zwar könnten die Infektionszahlen noch kleiner sein, und ab und an wird eine gewisse Nachlässigkeit jüngerer Menschen im Umgang mit der Infektionskrankheit bemängelt. Aber wer sich den Aids-Erreger HIV zuzieht, dem kann mit einem sehr effizienten Cocktail verschiedener Medikamente geholfen werden.

Die Finanzierungspause bringt Millionen von Leben in Gefahr

In armen Weltregionen aber sieht das anders aus. Ohne die Hilfe reicher Länder ist eine Behandlung dort kaum möglich. Und die USA gehören seit mehr als 20 Jahren zu den grössten Geldgebern im Kampf gegen Aids. «Wenn die Gelder eingefroren bleiben, reisst das ein riesiges Loch», sagt der Aids-Experte Hans-Georg Kräusslich vom Universitätsklinikum Heidelberg. «Das ist eine echte Katastrophe.»

Die USA engagieren sich bereits seit 2003 in grossem Massstab gegen Aids. Damals initiierte US-Präsident George W. Bush das Programm PEPFAR – den President’s Emergency Plan for Aids Relief. 110 Milliarden Dollar sind seither in das Programm geflossen, Schätzungen zufolge hat es 26 Millionen Leben gerettet. Doch nun dürfen lokale Organisationen offenbar nicht einmal mehr die bereits vorliegenden Aids-Medikamente ausgeben, die mit US-Geldern erworben wurden. «Man kann ja Verständnis dafür haben, dass die USA auch von anderen wohlhabenden Ländern mehr Einsatz für die internationale Gesundheit erwarten», sagt Hans-Georg Kräusslich. «Aber wenn es stimmt, dass Medikamente nicht mehr ausgegeben werden dürfen, die bereits bezahlt sind und sicher keinen Nutzen für andere bringen werden, dann wirkt das einfach nur wie ein Erpressungsversuch. Das ist schlicht verantwortungslos.»

In jedem Fall werde die Finanzierungspause «Millionen von Leben in Gefahr bringen», hatte die International Aids Society (IAS) bereits in der vergangenen Woche gewarnt. Der globale Kampf gegen Aids sei eine Erfolgsgeschichte, sagte IAS-Präsidentin Beatriz Grinsztejn in einem Statement der Organisation. «Es ergibt keinen Sinn, dies so plötzlich zu stoppen.»

Menschen zünden Kerzen um das Rote Band an und beten für die Opfer von HIV/AIDS am Vorabend des Welt-AIDS-Tags in Kathmandu, Nepal.

Auch Christoph Spinner betont, es gehe «schlichtweg um Leben und Tod»: Die Zahl der Neuinfektionen gehe global seit einigen Jahren deutlich zurück. «Aber wenn man im Kampf nachlässt, kommt es sofort zum Wiedererstarken der Infektionsraten und zu Todesfällen», betont er. «Für die betroffenen Menschen ist das Einfrieren der Zahlungen deshalb lebensbedrohlich.»

Der Schaden für die Patienten trete schon binnen weniger Tage ein, wenn sie ihre Medikamente nicht mehr bekommen. Dann vermehrt sich das Virus und schwächt das Immunsystem, in der Folge kann der Tod eintreten. Zudem können unbehandelte Infizierte das Virus an andere weitergeben, jede dritte Schwangere dürfte HIV an ihr Kind und damit in die nächste Generation übertragen. Und schliesslich können durch Unterbrechungen der Therapie auch HIV-Stämme entstehen, die gegen die Behandlung resistent sind und dann um die Welt ziehen und auch in reichen Ländern Probleme bereiten.

Andere Akteure werden die Lücke füllen und den US-Einfluss untergraben

Die Verfügung Trumps ist Teil eines breiten Einfrierens von Hilfen für ärmere Länder, die er bereits direkt nach seinem Amtsantritt in der vergangenen Woche initiiert hat. Offiziell gilt der Stopp erst einmal für 90 Tage. Doch wie es danach weitergeht, ist völlig offen. Laut «New York Times» scheint das gesamte PEPFAR-Programm vor dem endgültigen Aus zu stehen. Die Computersysteme der Initiative seien heruntergefahren worden, berichtete die Zeitung am Montag. Mitarbeitende wurden demnach angehalten, schnell noch ihre Daten zu sichern. Das klingt nicht nach einer baldigen Wiederaufnahme der Aktivitäten.

Trump hatte bei Amtsantritt angekündigt, die USA wollten «nicht mehr blind Geld verteilen». Die Ausgaben der US-Regierung sollten vielmehr daran bemessen werden, ob sie Amerika «sicherer, stärker und reicher» machten. Doch genau dazu trage die Aids-Hilfe bei, betonte Elisha Dunn-Georgiou, die Präsidentin des Global Health Council, in einer Stellungnahme. Die globale Führungsrolle der USA sei durch ihre Fähigkeit zu lebensrettenden Interventionen und ihre Unterstützung Bedürftiger definiert. «Dies zu pausieren, hinterlässt ein Vakuum, das nicht nur verwundbaren Menschen Schaden zufügen wird, sondern auch feindlichen Akteuren die Gelegenheit gibt, die Lücke zu füllen, Regionen zu destabilisieren und den US-Einfluss zu untergraben.»