Urs Fischers Heldenreise in Berlin
Der Zürcher verhilft Union Berlin zum ersten Aufstieg in die Bundesliga. Beim Kultclub brechen alle Dämme.
Noch einmal ein Eckball. Noch einmal Zittern, Zittern in der Zweiten Liga. Dann ist Schluss, und es bricht etwas heraus aus dieser Berliner Nacht. Platzsturm, Jubel, Aufstieg. Und mittendrin: Urs Fischer. Der FC Union Berlin steigt zum ersten Mal in die Bundesliga auf, mit dem Zürcher als Trainer. Ein 0:0 im Barrage-Rückspiel gegen den VfB Stuttgart genügt nach dem 2:2 im Hinspiel. Die Alte Försterei, dieses kleine Stadion mit der grossen Akustik, steht Kopf.
Der Aussenseiter zeigt an diesem Abend Qualität für die zweite, aber Leidenschaft für die erste Liga in Deutschland. Nur zweimal hat sich in den letzten zehn Jahren die unterklassige Mannschaft in der Barrage um den Einzug in die Bundesliga durchgesetzt. Urs Fischer, Bundesligatrainer. «Der Verein hat jahrelang alles dafür gemacht», sagt er im rot-weissen Durcheinander. «Das ist ein fantastischer Club.»
Es ist ein grosser Abend für ihn. Besuch aus der Heimat ist da, sein früherer Spieler Alain Nef etwa, am Wochenende beim FCZ noch emotional verabschiedet, nun vor Ort, um seinen Ex-Trainer und sein Angel-Gspänli zu unterstützen. Der Abend ist auch der Höhepunkt einer abenteuerlichen Saison für Fischer in der 2. Bundesliga. Belächelt wurde sein Wechsel: In der Schweiz beurteilten ihn viele als Abstieg, und in der zweithöchsten Liga in Deutschland, wo sich in einem unruhigen Klima in der Regel junge Trainer die Klinke in die Hand geben, war man erstaunt über den Zuzug.
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Sportlich war es ein einziges Schneckenrennen. Hinter den beiden Bundesliga-Aspiranten Köln und Hamburg konnte niemand so recht. Erst duellierte sich Union mit St. Pauli, dann mit Heidenheim, schliesslich mit Paderborn um Rang 3 – und nach dem x-ten Trauerspiel beim HSV spielte Fischer mit seinem Team in der letzten Runde um Rang 2. Dafür reichte es knapp nicht.
Unions grosser Kampf
Noch im Winter sagte Fischer, die direkten Plätze seien für die Grossen aus Hamburg und Köln reserviert. «Dahinter können wir ein Wörtchen mitreden.» Es kam so – und doch anders. Im Spiel am Montagabend ist der VfB lange Zeit die bessere Mannschaft. Der Bundesligist ist auf jeder Position besser besetzt, es verteidigen Spieler wie Badstuber oder Weltmeister Pavard, es stürmen Donis oder der Zürcher Zuber, in der Pause kommt der einstige Nationalspieler Gomez. Sogar ein frühes Tor schiessen die Favoriten, es zählt aber nicht wegen Abseits, der Videoschiedsrichter greift ein. Union findet kaum ins Spiel, hält aber dagegen und trifft nach einer Stunde innert Minuten zweimal den Pfosten. Spielerisch ist es nach wie vor keine Offenbarung, aber Union kämpft und grätscht und verteidigt das 0:0.
Der erstmalige Aufstieg in die Bundesliga ist ein Meilenstein in der Geschichte eines Clubs, der im deutschen Fussball noch nie so richtig im Konzert der Grossen mitspielte. Früher in der DDR, im abgekarteten Championat, da konnte er; nach der Wende in der Regional- und später der zweiten Liga wollte er nicht so recht. 1968 gewann Union den Pokal in der DDR, 2001 stand man im deutschen Cupfinal und kam sogar zu Spielen im Uefa-Cup. Seit zehn Jahren spielt Union in der 2. Bundesliga, der Blick ging jedoch selten Richtung höchste Spielklasse.
Die DNA des Vereins ist eine eigentümlichen Mischung aus «Ostalgie» und Aussenseiter-Romantik. Die Vereinshymne singt die ostdeutsche Punk-Ikone Nina Hagen, Familien- steht über dem Erfolgsdenken. Vor zwei Jahren, als der Club aus dem Vorort Köpenick auch nah am Aufstieg dran war, waren einige insgeheim gar froh. «Scheisse, wir steigen auf» war damals auf Bannern in der Fankurve zu lesen.
«Aufstieg, jetzt!»
Dieses Zögern ist vorbei. «Aufstieg, jetzt!» war das Motto rund um die Spiele in der Barrage. Und auch der FC Union will wachsen. 22 000 Mitglieder hat er aktuell, 14 000 waren es noch vor drei Jahren. Die Alte Försterei soll auf 37 000 Plätze erweitert werden. Der Ausbau hätte 2020 fertig werden sollen, fürs Erste stockt er. Bauprojekte auf dem Abstellgleis, das ist nichts Neues in der Stadt. Wirklich kümmern tut das niemanden. Berlin ist, wenn es dann trotzdem klappt.
Für Fischer wird die Herausforderung in der Bundesliga sein, oben zu bleiben. Den Skeptikern hat er es mit seiner Reise vom kauzigen Neuen zum gefeierten Helden in Berlin aber gezeigt.
Telegramm:
Union Berlin -Stuttgart 0:0. - 22'012 Zuschauer (ausverkauft). - Bemerkungen: Stuttgart mit Zuber (bis 68.). 65. Pfostenschuss Abdullahi (Union Berlin). 66. Pfostenschuss Abdullahi (Union Berlin).
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