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Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger
Und wenn er doch tut, was er singt?

«Ich tu dir weh», singt er in einem Stück. Tut er das auch? Rammstein-Sänger Till Lindemann bei einem Auftritt im Juli 2019 in Deutschland. 
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Noch stehen Aussagen gegen Aussagen, noch hat kein Gericht ihn verurteilt. Aber mittlerweile werfen mehrere Frauen Till Lindemann, dem resoluten Sänger der deutschen Gruppe Rammstein, sexuelle Übergriffe vor. Dabei habe er seinen Status als Star missbraucht und ihnen Leid zugefügt.

Von Lindemanns Seite kommt ein allgemeines Dementi, sein Anwalt verweist auf die Privatsphäre des Mandanten. Eine ehemalige Freundin des Sängers unterstützt ihn und hält die Vorwürfe für erfunden. Auch Fans von Rammstein reagieren ausser sich.

Wir wissen also nichts Abschliessendes. Müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass die Recherchen der «Süddeutschen Zeitung» und des Norddeutschen Rundfunks (NDR) aufwendig gestaltet sind. Mehrere Frauen wurden befragt, deren Aussagen auf beklemmende Weise übereinstimmen. Dass diese Frauen anonym bleiben wollen, kann man verstehen.

Gewalt als Theater

Sollten die Vorwürfe stimmen, sind sie schockierend. Dann ist Lindemann genau der Typ Mann, von dem er in seinen Texten so sarkastisch, so theatralisch brutal und so lyrisch einfallsreich singt. «Till liebt die Frauen – und die Frauen lieben ihn», schrieb Rammstein-Keyboarder Flake zum 60. Geburtstag seines Freundes am 3. Januar dieses Jahres. Und verglich den Sänger mit Obélix – genauso stark und ebenso gutmütig.

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Und jetzt das. Ich hatte immer gedacht, der Künstler sei von seiner Kunst zu trennen. Und dass Lindemanns Texte und Rammsteins Konzerte nichts anderes darstellten als eine Inszenierung des Schrecklichen. Gewalt als Theater, gespielte Brutalität.

Auch Lindemann selber, den ich vor Jahren in Berlin traf, erwies sich im Gespräch als genauso reflektierend und schlagfertig, wie ich ihn erwartet hatte. Ein ruhiger, humorvoller Mann, intelligent und gelassen. Und dieser Mann soll so mit Frauen umgegangen sein?

Ohne die Bestätigung dafür zu haben, dass ihre Vorwürfe stimmen, registriere ich bereits den Kollaps einer Idealisierung: der Vorstellung, das Leben dieses Mannes und seine lyrische Inszenierungen hätten nichts miteinander zu tun. Die Vorstellung auch, dass seine Texte über sexuelle Gewalt als Beschreibung funktionierten und nicht als Triebwünsche.

Sie sind am Abschiednehmen

Till Lindemann trifft der kollektive Vorwurf nicht nur als Sänger, Dichter und Texter. Sondern er trifft ihn in einer Zeit, da er und seine Gruppe den öffentlichen Abschied feiern. Schon «Zeit», die letzte Platte von Rammstein, klang wie eine letzte Platte. Und auch die Tournee, auf der die sechs Musiker sich befinden und die sie im Juni zweimal nach Bern ins ausverkaufte Stadion Wankdorf führen wird, kommt einem vor wie eine Verneigung vor dem Abgang.

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Sie sind ja schon lange nicht mehr jung, wie Lindemanns 60. Geburtstag andeutete. Sie kommen auch von weit her: Der Sänger, Sohn eines Kinderbuchautors und einer Kulturjournalistin, wuchs in der DDR auf. Und hat sich neben seinen Auftritten beim Verlag Kiepenheuer & Witsch als Dichter empfohlen mit einer Lyrik, die auf die deutsche Spätromantik verweist.

Zwei Gedichte von ihm fallen einem in diesen Tagen auf: «Ich schlafe gerne mit dir, wenn du schläfst», schreibt er im einen und endet mit: «Etwas Rohypnol im Wein (etwas Rohypnol im Glas) / Kannst dich gar nicht mehr bewegen / Und du schläfst / Es ist ein Segen.» In einem anderen Gedicht liest man: «In stillen Nächten weint ein Mann / Weil er sich erinnern kann.»

Auch ein Pornofilm, in dem der Sänger Frauen erniedrigt und sein Buch zweckentfremdet wird, gibt zu reden. Kiepenheuer & Witsch hat die Zusammenarbeit mit Till Lindemann mit sofortiger Wirkung eingestellt.