Und plötzlich liebte sie eine Frau
Heirat, Kinder, Familienglück: eigentlich passte alles im Leben einer Winterthurerin. Bis sie sich vor einem Jahr in eine Frau verliebte. Seither steckt sie im Dilemma.

Als Anna* ihre Eva* kennenlernte, gerieten mehr als zwei Leben aus den Fugen. Die Anziehung der Frauen, beide verheiratet, beide junge Mütter, war gross. Sie trafen sich in kurzer Folge, immer wieder. «Ohne Rücksicht auf Verluste. Wir waren frisch verliebt», erzählt Anna. Doch auf den Rausch folgte die Ernüchterung. «Was machst Du da eigentlich?», habe sie sich selbst gefragt. «Du setzt doch deine Familie aufs Spiel.»Ein Jahr ist seither vergangen, ein schwieriges Jahr, in dem Anna nach Antworten suchte. In der Familie, in der Ehe will sie nicht den Auslöser sehen. «Harmonisch» sei ihr Familienleben gewesen, sagt Anna. Die Ehe war gleichberechtigt. Beide arbeiteten Teilzeit, kümmerten sich um die Kinder. «Mein Mann und ich, wir hatten nie eine Krise. Ich liebe ihn auch heute noch», sagt sie und ergänzt, niemals wohl hätte sie sich in einen anderen Mann verliebt.
Auf der Suche nach sich selbst
Ist es eine Schwärmerei, ein Verliebtsein, das sie mit Eva verbindet? Oder hat eine unterdrückte lesbische Neigung in ihr die Oberhand gewonnen? Sie kenne die Antwort noch nicht, sagt Anna. Schon in ihrer Jugend hatte sie sich auch in Frauen verliebt, Beziehungen aber immer nur mit Männern gehabt. «Wenn ich mich in eine Freundin verliebte, getraute ich mich nicht, etwas zu sagen, aus Angst sie zu verlieren.» Ihr Mann habe schon früh gewusst, das sie «auch auf Frauen steht». Doch das war für beide lange ohne Relevanz.
«Er lässt mir Raum, um herauszufinden, was ich will und wer ich bin, darüber bin ich froh.»
Dass sie sich in eine Frau verliebt hatte, erzählte Anna ihrem Mann, nachdem sie Eva das erste Mal geküsst hatte. «Natürlich war er zuerst schockiert», sagt sie. Er habe aber gefasst reagiert und keinen Druck gemacht. Die beiden leben heute noch mit den Kindern als Familie zusammen. «Er lässt mir Raum, um herauszufinden, was ich will und wer ich bin, darüber bin ich froh.» Evas Ehemann habe weit weniger Verständnis gezeigt.
Ihren Eltern habe sie davon erzählt, sagt Anna. «Ich war erstaunt, wie offen und konstruktiv sie damit umgegangen sind.» Doch nach diesem einen guten Gespräch hätten sie das Thema totgeschwiegen. Auch zwei, drei Freundinnen habe sie sich anvertraut, sagt Anna. Ihrem Bruder will sie es bald erzählen, «wenn wir einen Moment zu zweit haben».
Anna spricht sehr zurückhaltend, wählt ihre Worte mit Bedacht. Erstaunt stellt sie selbst fest, dass sie sich manchmal in Widersprüchen verstrickt.
Nicht vor und nicht zurück
Anna ist innerlich zerrissen. Immer wenn sie ihre Freundin treffe, sei die Gefahr da, dass sie nicht mehr zu ihrer Familie zurückkehren werde. Sie und Eva versuchen, sich körperlich zurückzunehmen. «Damit niemand verletzt wird.»
«Mein Leben ist mit ihr schöner geworden.»
Unteressen habe sie etwas Ruhe gefunden und nicht mehr das Gefühl, sofort eine Entscheidung treffen zu müssen. Das schlechte Gewissen sei natürlich geblieben. «Das mache ich mir selbst, denn mein Mann hat sich mit der Situation soweit arrangiert und weiss, dass er nichts erzwingen kann», fügt sie hinzu.
«Ich muss mich erst finden», sagt Anna. Wann sie soweit sei, lässt sie offen. Das könne Jahre dauern. Ihr Herz wolle mit Eva zusammen sein, aber auch die Familie nicht auseinanderreissen. Es sind doppelte Verlustängste, es ist ein Dilemma. Trotz aller Widrigkeiten, die ihre Liebe zu einer Frau mit sich bringe, sagt Anna: «Mein Leben ist mit ihr schöner geworden.» Gleichzeitig weiss sie, dass dieser Schwebezustand nicht von Dauer sein kann.
*Namen geändert.
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