Glosse zur WillkommenskulturUnd die Rechnung für die TV-Gebühren ist schon da
Kaum am neuen Schweizer Wohnort registriert, erhält eine Flüchtlingsfamilie aus der Ukraine Post von Serafe. Denn auch sie muss Radio- und Fernsehgebühren zahlen.
Die Bekannten in Winterthur stellen die leere Wohnung der kürzlich verstorbenen Grossmutter gratis zur Verfügung. SBB und Stadtbus lassen die Familie aus der Ukraine umsonst mitfahren. Dank der Swisscom können sie in die Heimat telefonieren, ohne sich Sorgen um Roaming-Gebühren zu machen. Das Konto bei der Credit Suisse kostet ebenfalls nichts. Die neuen Nachbarn haben der Mutter einen ersten Job vermittelt. Die Kinder wurden ruckzuck in den Kindergarten aufgenommen.
Seit ihrer Ankunft in der Schweiz vor zwei Monaten hat die Flüchtlingsfamilie viele Momente erlebt, in denen das Land eine echte Willkommenskultur gezeigt hat. Doch die andere Schweiz, die kleinliche, bürokratische – sie ist schon noch da. Da sollte sich niemand täuschen.
Gezeigt hat sie sich der Familie vor einigen Tagen. Da lag ein Couvert im Briefkasten. 335 Franken stellt die Serafe AG in Rechnung. Die Radio- und Fernsehgebühren für ein Jahr. Seit der Anmeldung als Flüchtlinge mit Schutzstatus S in Winterthur sind erst ein paar Wochen vergangen.
In diesem Fall einfach ein Auge zudrücken? Unmöglich, heisst es.
Das habe schon seine Richtigkeit, stellt der Sprecher der Serafe klar. Die Rechnung wurde nach dem Eintrag des neuen Haushalts ins Einwohnerregister automatisch generiert und ausgestellt. Aufgrund der monatlichen Datenlieferungen aus den Gemeinden und Kantonen sei für Serafe nicht ersichtlich, wo Flüchtlinge mit Status S leben (mehr zum Thema: Wer kommt in die Schweiz und wo werden die Menschen untergebracht?).
Das spielt für die andere Schweiz auch gar keine Rolle. Ob Geflüchtete oder Sozialhilfeempfänger – vor dem Radio- und Fernsehgesetz sind alle gleich, sobald sie in eine eigene Wohnung ziehen, wie das Bundesamt für Kommunikation bestätigt. Die Möglichkeit, sie von der Abgabe zu befreien: nicht vorgesehen – und vom Stimmvolk 2015 so gutgeheissen.
Bei der ukrainischen Familie einfach ein Auge zudrücken? Unmöglich, sagt auch der Serafe-Sprecher. Möglich sei aber die Bezahlung über Dreimonatsrechnungen; in «äussersten Ausnahmesituationen» könnten Teilzahlungsvereinbarungen getroffen werden.
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