Mit Paypal und Twint Überraschung: Menschen geben in der Pandemie mehr Trinkgeld
Cafés und Restaurants sind eingeschränkt geöffnet oder geschlossen. Doch wer Essen bestellt oder dem Pöstler die Tür öffnet, ist einer Studie zufolge jetzt spendabler als sonst. Wieso?
Wie viel Trinkgeld sollte man geben? Das hängt immer vom Gesamtbetrag und den beteiligten Personen ab.
Fussballstar Cristiano Ronaldo addierte nach einem Griechenland-Urlaub mit seiner Freundin mal 22'000 Franken auf die Hotelrechnung – allerdings verdient der Mann auch über 30 Millionen Franken im Jahr. In dem Film «Der Einwanderer» von 1917 schafft es der bettelarme Vagabund, gespielt von Charlie Chaplin, mit einer einzigen vom Trinkgeld eines anderen Restaurantgastes stibitzten Münze, sein Essen zu bezahlen und die Frau seines Herzens zu erobern. Die Spanne ist also riesig.
Aber wie viel Trinkgeld zahlt ein Normalo, irgendwo zwischen Ronaldo und armem Schlucker? Diese Frage stellt sich momentan nur indirekt, da die Gelegenheiten zum direkten Bezahlen von Restaurant-, Hotel- und anderen Dienstleistungsrechnungen eher selten sind.
Es gibt zwar weniger Möglichkeiten, der Bedienung etwas extra zukommen zu lassen. Aber wenn Konsumenten derzeit mal eine Essensrechnung zahlen, sind sie umso dankbarer. Bei einer Studie des Meinungsforschungsunternehmens Civey sagten 32 Prozent von 10'000 Befragten, während der Covid-19-Pandemie deutlich mehr Trinkgeld zu geben als vorher.
Trinkgeld ist eine Art innerer Ablasshandel mit dem schlechten Gewissen.
«Diese Studie ist überraschend, da das Trinkgeld-Verhalten beim Bestellen per App oder Telefon anders ist als beim Barzahlen», sagt Soziologe Christian Stegbauer. Der Wissenschaftler hat bei einem Forschungsseminar vor der Pandemie an der Frankfurter Goethe-Universität ein Semester lang Kellner, Kellnerinnen und Gäste zum Thema Trinkgeld befragt.
Eines der Ergebnisse: Trinkgeld ist viel mehr als eine finanzielle Reaktion auf die Servicequalität. Es hänge nicht nur von Normen ab, sondern auch von psychologischen Faktoren, wie viel man gibt, sagt Stegenberger: «Wenn ein Mann eine Frau zum ersten Date ausführt, ist er wahrscheinlich grosszügiger als sonst.»
Dem Anthropologen George Foster zufolge ist Trinkgeld eine Art innerer Ablasshandel mit dem schlechten Gewissen. Während man es sich gut gehen lässt, müssen andere dafür arbeiten. Um gegen Neid und Scham anzukommen, bezahlt man dem Servicepersonal etwas Schmerzensgeld.
Während des vergangenen Jahres hat sich dieser Kontrast noch verschärft. Beschäftigte der Gastronomie haben deutlich weniger bis gar keinen Kontakt mit Gästen, es geht ihnen finanziell schlechter als sonst – also legt man beim Abholen der To-go-Pizza gerne noch etwas mehr drauf, aus Solidarität. Auch dem gestressten Pöstler kann man ein Trinkgeld geben, kontaktlos per Kreditkarte, Twint oder Paypal.
Der Trinkgeld-Standard liegt in der Schweiz immer noch bei rund zehn Prozent der Rechnung. Studierende und Arbeitslose geben der Untersuchung zufolge überdurchschnittlich viel Trinkgeld, während reichere Menschen eher knauserig sind. Das ist kein Klischee, das stimmt so.
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