Zu viele SpielabsagenU-20-WM in Kanada nach Corona-Ausbrüchen abgebrochen
Nachdem drei Spiele abgesagt worden waren, zog der Weltverband am Mittwochabend die Notbremse. Bitter auch für die Schweizer, die im WM-Chaos viel erlebt haben.
Plötzlich wurde es hektisch. Um 13 Uhr Ortszeit traf sich die Spitze des Weltverbands (IIHF) zum ausserordentlichen Direktorats-Meeting mit folgender Fragestellung: Macht es unter diesen Umständen noch Sinn, die U-20-WM auf Gedeih und Verderben durchzuzwängen? Innert weniger Stunden hatten zuvor zwei weitere Partien wegen Corona-Fällen abgesagt werden müssen: Tschechien verlor forfait gegen Finnland, Russland in der Schweizer Gruppe gegen die Slowakei. Das Gremium kam sehr schnell zum Schluss: Nein. Kurz darauf wurde das Turnier offiziell abgesagt – die Höchststrafe für alle Beteiligten.
Begonnen hatte alles am Vortag im Schweizer Lager mit den Gedanken: «Nein, nicht schon wieder.» Diese Worte schossen einigen Schweizern durch den Kopf, als der Teammanager am Dienstag um etwa 11 Uhr Lokalzeit verkündete, das Spiel gegen die USA könne nicht stattfinden. Schon wieder Corona-Fälle in den eigenen Reihen? Es wäre wie vor dem Testspiel am 23. Dezember gegen Tschechien gewesen, als das Schweizer Team praktisch aus dem Warm-up in die Quarantäne geschickt worden war.
«Wir sind Sportler, und hier soll es um Sport gehen.»
Diesmal kam rasch die Entwarnung. Zwei Fälle bei den Amerikanern hatte es gegeben, ein Goalie war positiv getestet worden und ein Feldspieler. Die Folge aufgrund der Regeln des Internationalen Eishockeyverbandes (IIHF): 1:0-Forfaitsieg für die Schweiz. «Uns ist natürlich ein Stein vom Herzen gefallen, dass es nicht wieder uns getroffen hat», sagt der Schweizer Cheftrainer Marco Bayer im Telefongespräch Dienstagnacht Schweizer Zeit, fügt aber an, dass keinerlei Freude aufgekommen sei: «Wir sind Sportler, und hier soll es um Sport gehen. Für die Amerikaner tut es uns unglaublich leid.»
Alles kam anders, als man es erwartet hätte
Ein guter Coach zeichnet sich auch dadurch aus, dass er so viele Eventualitäten wie möglich in seine Planungen einbezieht. Dass er allerdings auch eine Mischung der Fantasien von John Grisham und Agatha Christie mitbringen muss, steht normalerweise nicht im Stellenprofil. In den Tagen der Reise nach Red Deer wären hellseherische Fähigkeiten aber durchaus zupassgekommen, denn erstens kam es anders und zweitens, als man dachte. Und zwar fast immer. Bis hin zu dieser Forfaitentscheidung.
«Das ist der Gipfel von dem, was hier bis jetzt passiert ist», sagt Bayer. Dass es sich hier möglicherweise um eine Weltpremiere handelte, schliesst auch er nicht aus: «Ich wüsste jedenfalls von keinem vergleichbaren Fall, auch nicht aus der Schweiz.» Es sollte nur eine kurze Weltpremiere sein.
Fünf Spiele hätten die Schweizer, die am 15. Dezember nach Kanada geflogen waren, bis gestern austragen sollen, die Tests gegen Kanada, Deutschland und Tschechien sowie die WM-Partien gegen Russland und die USA. Ausser dem 2:4 zum Turnierauftakt gegen Russland fielen alle Partien den Corona-Massnahmen zum Opfer, mit Simon Knak verlor das Team auch den designierten Captain wegen positiver Corona-Tests.
Die Weihnachtsfeier wurde nachgeholt
Von Bayer und seinen Mitarbeitern – und ebenso von ihren Pendants in anderen Nationen – war in den letzten zwei Wochen maximale Anpassungsfähigkeit gefragt. Es galt, permanent flexibel zu sein, die Mannschaft immer wieder neu einzustellen, auch, sie bei Laune zu halten, die eigenen Bedenken nicht auf die Spieler zu übertragen. Bayer windet seinen Mitarbeitern und dem Team ein Kränzchen: «Wir vom Staff sind stets optimistisch geblieben und haben keine Energie mit Lamentieren verloren. Die Mannschaft liess sich nicht verunsichern, es herrscht sogar Aufbruchstimmung.» Die Aufgabenteilung war klar: Bayer und seine Trainerkollegen fokussierten aufs Sportliche, alle anderen Aufgaben erledigten der Teammanager oder der Arzt.
Dann, wenn normalerweise Feststimmung ist, harrten sie allein in ihren Zimmern aus.
Besonders hart war es mental für die jungen Spieler, Heiligabend in Quarantäne zu verbringen. Dann, wenn normalerweise Feststimmung ist, mussten sie allein in ihren Zimmern ausharren, nur durch Zoom mit der Aussenwelt verbunden. Eine kleine Feier habe es dann aber doch gegeben, verrät Bayer: «Wir haben ihnen versprochen, dass wir diese nachholen würden. Das haben wir dann nach der Entlassung aus der Quarantäne auch gemacht, und das war wichtig. Wir haben uns ein feines Essen gegönnt, wir hatten einen Weihnachtsbaum in unserem Aufenthaltsraum, und es gab ein paar Geschenke.»
Allzu viel überrascht, so dachte man, könnten die Beteiligten in diesen Tagen nicht mehr werden, die Vorfreude auf die weiteren Spiele war gross. Er hoffe nur, dass die teilnehmenden Nationen und das ganze Turnier vor weiteren Quarantänen möglichst verschont bleiben, schloss Bayer: «Das wäre unglaublich bitter für alle, wenn noch mehr Spiele abgesagt werden müssten. Hoffen wir, dass uns allen der Hockey-Gott wohlgesinnt ist.» Seine Hoffnung, und die von Millionen Hockeyfans rund um den Globus, hat sich nicht erfüllt.
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