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Handelsstreit USA und China
Trumps tägliches Chaos nützt den Chinesen

Mal Freund, mal Feind: Donald Trump mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping bei einem Treffen vor einem Jahr.
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US-Präsident Donald Trump will China für «repressive Aktionen» gegen die Menschen in Hongkong zur Rechenschaft ziehen und hat dafür ein Sanktionsgesetz gegen Peking unterzeichnet: Das Gesetz gebe der Regierung wirksame neue Werkzeuge, um gegen Personen und Institutionen vorzugehen, «die Hongkongs Freiheit auslöschen», erklärte er.

Damit gibt Trump wieder einmal den starken Mann, der sich dem Weltmachtstreben der Volksrepublik entschlossen in den Weg stellt und gar mit einer «vollständigen Entkopplung» der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen droht. Bei anderen Gelegenheiten schwärmt er aber auch von seiner «Freundschaft» zum Amtskollegen Xi Jinping, mit dem er Handelsverträge schliesse, die niemand anderes je zustande gebracht habe.

Es brennt an allen Ecken und Enden

Ob Trumps Vorgehen besonders ausgefeilt oder eher Ausdruck von Konzeptionslosigkeit ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Fakt ist, dass es in den amerikanisch-chinesischen Beziehungen seit einiger Zeit an allen Ecken und Enden brennt: Im Handelsstreit haben sich die Fronten nach der Einigung auf ein erstes, dürftiges Teilabkommen im Januar wieder verhärtet, im Kampf gegen das Coronavirus versuchen beide Seiten, eigene politische Fehler dem jeweils anderen in die Schuhe zu schieben.

Hinzu kommen die Auseinandersetzung über Pekings aggressives Vorgehen in Hongkong, der Territorialkonflikt im Südchinesischen Meer sowie der Vorwurf der Amerikaner, Tech-Anbieter wie Huawei und Tiktok sammelten Daten von US-Bürgern, um sie an die kommunistische Führung ihres Landes weiterzureichen. Und über allem schwebt die Frage, wer im Kampf um die Rolle der politischen und wirtschaftlichen Weltmacht des 21. Jahrhunderts die Oberhand behält.

Von einer Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen kann keine Rede sein.

Wie vertrackt die Lage mittlerweile ist, zeigt ein genauerer Blick auf den Handelskonflikt, der auch sechs Monate nach der feierlichen Unterzeichnung des sogenannten Phase-eins-Abkommens weiter kräftig schwelt. Nicht nur, dass zwei Drittel aller chinesischen Warenlieferungen in die USA weiter mit hohen Strafabgaben belegt sind, von einer Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen also keine Rede sein kann. Vielmehr erweist sich der immense Durchschnittszollsatz, der mit 19 Prozent immer noch sechsmal so hoch liegt wie vor Ausbruch des Konflikts, für die US-Wirtschaft als zusätzlicher Hemmschuh bei der Überwindung der Corona-Rezession.

Streit gibt es auch um Pekings aggressives Vorgehen in Hongkong: Polizisten rüsten sich gegen Demonstranten.

Vor allem aber: China hält seine Versprechen aus dem Phase-eins-Abkommen nicht ein. Die USA hatten im Januar auf die angekündigte Verhängung weiterer Zölle verzichtet, weil sich die Volksrepublik im Gegenzug verpflichtete, in grossem Stil Agrar-, Industrie- und Energieprodukte in den Vereinigten Staaten zu kaufen. Davon, so das Kalkül der US-Regierung, sollten vor allem Trump-treue Landwirte und Angestellte von Energiekonzernen in ländlichen Regionen profitieren.

Die jüngsten Zahlen zeigen jedoch, dass China beim Kauf von Sojabohnen, Schweinefleisch, Flüssiggas und zahlreichen anderen Waren den eigenen Zusagen um mehr als 50 Prozent hinterherhinkt. Mehr noch: Bei Soja verordneten die chinesischen Behörden den Staatskonzernen des Landes jüngst sogar einen Importstopp.

Das ist weder Zufall noch eine Panne, wie Gary Hufbauer, Handelsexperte am renommierten Peterson-Institut für Internationale Wirtschaft in Washington, glaubt: «Präsident Xi benutzt die Importzusagen geschickt, um seine eigene politische Agenda voranzutreiben», so Hufbauer. «Wenn es ihm daheim politische Vorteile bringt, stoppt er die Einfuhren. Wenn er dagegen glaubt, ein besseres Verhältnis zu Trump sei kurzfristig in seinem Interesse, lässt er sie wieder anlaufen.» Xi betreibe nicht Wirtschafts-, sondern Machtpolitik.

Ganz generell hält der Handelsexperte den Krawallkurs der USA in der Handelspolitik bisher für einen ziemlichen Fehlschlag. Zwar könne es Trump innenpolitisch als Erfolg verbuchen, dass heute neben den Republikanern auch die oppositionellen Demokraten auf stramm antichinesischem Kurs seien. Umgekehrt habe er mit seinem rabiaten Vorgehen aber auch die Reihen der kommunistischen Partei in China geschlossen. Xi nutze das, um etwa Hongkong stärker an die Kandare zu nehmen und die politische Kontrolle über die Wirtschaft wieder massiv zu verschärfen.

Amerikanische Exporte nach China sinken

Rein ökonomisch gesehen, kann Trump aus Sicht Hufbauers bisher nicht einmal Teilerfolge vorweisen. Zwar gingen die US-Importe aus China 2019 nach jahrelangem, meist stetigem Wachstum wie gewünscht deutlich zurück. Zugleich sorgte der Konflikt aber dafür, dass auch die Exporte amerikanischer Firmen in die Volksrepublik auf das Niveau von 2011 sanken. Die versprochene drastische Reduzierung des US-Handelsdefizits fiel damit geringer aus als geplant – oder anders gesagt: Die Geschäfte, die früher US-Konzerne mit China machten, machen jetzt Konkurrenzfirmen aus Europa, Asien und Südamerika.

In manchen Wirtschaftsbereichen passiert derzeit sogar das Gegenteil der von Trump angedrohten «Entkopplung» der bilateralen Beziehungen: So steigerten US-Konzerne ihre Investitionen in China im vorigen Jahr um fast zehn Prozent, vor allem grosse Finanzfirmen wie etwa Paypal gingen auf Einkaufstour. Wenn überhaupt etwas einbrach, dann waren es die chinesischen Direktinvestitionen in den USA: Sie erreichten 2019 mit 4,8 Milliarden Dollar gerade noch ein Zehntel jenes Höchstwerts, der 2016 verbucht worden war.

In den Sog der Krise mit den USA geraten: Die chinesische Videoplattform Tiktok.

Auch in Hongkong ist der Handelsstreit mittlerweile angekommen. Nachdem Chinas Nationaler Volkskongress Anfang Juli ein sogenanntes Sicherheitsgesetz für die einstige britische Kronkolonie erlassen hatte, kündigten die USA den Hong Kong Policy Act von 1992 auf, mit dem sie die Metropole zur eigenständigen Zollzone erklärt hatten. Seither gelten Trumps Strafzölle auch in Hongkong, zudem behandeln US-Behörden die dortigen Firmen nicht mehr wie amerikanische. Vor allem für an der Börse in Hongkong notierte Unternehmen könnte das zum Problem werden.

In den Sog der Krise geraten ist auch Tiktok, die erste chinesische Handy-App, die weltweit Erfolg hat. Tiktok lässt die meist jugendlichen Nutzer selbst erstellte Videos hochladen, anschliessend sorgt eine künstliche Intelligenz dafür, dass fortan nur noch Clips abgespielt werden, die erstaunlich exakt auf den jeweiligen Anwender zugeschnitten sind. Jugendliche verbringen so Stunden mit der App, die Entwicklungsfirma Bytedance ist mittlerweile mehr als 75 Milliarden Dollar wert. Tiktok bestreitet, dass man der Pekinger Regierung Nutzerdaten liefere, dennoch droht Trump damit, die App in den USA zu verbieten.

China profitiert von Trumps Chaos

Im Zuge des US-Präsidentschaftswahlkampfs hat Trump den Druck auf China zuletzt weiter erhöht. Schon seit Wochen versucht er, sich selbst als harten Hund und seinen Herausforderer Joe Biden als Weichling darzustellen. China, so Trump, warte nur darauf, dass «Sleepy Joe» – der «verschlafene Joe» – die Wahl gewinne.

Das Magazin «The Atlantic» analysierte allerdings jüngst, dass es auch ganz anders sein könnte: Zwar würde mit Biden wieder mehr Verlässlichkeit ins Weisse Haus einkehren, so die Autoren. Wenn es den Machthabern in Peking aber darum gehe, den eigenen Einfluss in Asien und der Welt auszubauen, sei das Chaos, das Trump tagtäglich anrichte, für sie von viel grösserem Nutzen.