Alfa Romeo in der Formel 1Trotz Corona rund um die Welt – wovon Teamchef Vasseur träumt
Der Königsklasse steht eine Monstersaison bevor mit 23 Rennen auf 4 Kontinenten – und der Schweizer Rennstall hat einiges gutzumachen. Sein Vorteil: ein Kostenlimit.
Die Welt hält wegen Covid-19 den Atem an. Doch wer das Programm der Formel 1 sieht, könnte meinen, es sei nichts. 22 Länder, 4 Kontinente, 23 Rennen. So lautet der Plan, der für die Teams ab Sonntag ansteht, wenn in Bahrain der Start in die längste Saison der Geschichte erfolgt, die zwei Wochen vor Weihnachten in Abu Dhabi enden soll.
Es ist eine Mammutaufgabe, die auf die Rennställe zukommt. Frédéric Vasseur ist einer der Teamchefs. 2017 löste der Franzose Monisha Kaltenborn an der Spitze von Sauber ab, mittlerweile drehen seine Autos längst als Alfa Romeo ihre Runden. 23 Grands Prix seien schon eine Menge, sagt der 52-Jährige im Video-Interview, «aber im vergangenen Jahr hatten wir wegen des Coronavirus 17 Rennen in fünf Monaten, nun sind es 23 in neun, das ist besser für jeden. Wir haben ja auch alle eine grosse Passion für das, was wir tun. Millionen Menschen würden es lieben, in der Formel 1 zu arbeiten.»
Nur ist fraglich, ob es das richtige Zeichen ist, wenn in der angespannten Situation 1500 Menschen von Land zu Land und Kontinent zu Kontinent reisen, um dem Motorsport zu frönen – auch wenn es weiter viele Restriktionen, andauernd Tests und keine Kontakte zur lokalen Bevölkerung gibt. «Es ist durchaus ein gutes Zeichen», findet Vasseur, «wir können zeigen, dass so etwas noch möglich ist und mit strengem Corona-Protokoll funktionieren kann. Ich hoffe aber sehr, dass wir bald zurück sein werden in der Normalität. Vielleicht ist es ja nur ein Traum, aber ich brauche ein Licht am Ende des Tunnels.» Das gilt beim Chef von Alfa Romeo gerade auch sportlich.
Die Hoffnungen ruhen auf Ferrari
2020 sah es ziemlich düster aus für Alfa Romeo: 8 Punkte, 8. Platz, 99 Punkte Rückstand auf das siebtplatzierte Alpha Tauri. Es war nicht das, was in Hinwil erwartet worden war nach einer ganz ordentlichen Saison 2019. «Wir hatten Probleme mit dem Motor und machten zu Beginn einige Fehler. Doch dann wurden wir immer besser», sagt Vasseur. «Immerhin haben wir teils auf Augenhöhe mit Ferrari gekämpft – ich denke, das ist die beste Referenz.»
Die Italiener sind es schliesslich, die den Antrieb ins Zürcher Oberland liefern. Ein äusserst schwacher war es im letzten Jahr, nachdem der Weltverband FIA eingegriffen hatte, weil es beim Ferrari-Motor Unregelmässigkeiten bei der Benzindurchflussmenge gegeben hatte.
Was Vasseur an den drei Testtagen in Bahrain vorige Woche sah, stimmt ihn zuversichtlich, dass es nun vorwärtsgeht. «Das Tempo war besser als 2020. Ich vertraue Ferrari, dass es einen guten Job gemacht hat. Wir spulten jedenfalls viele Runden ohne Probleme ab», sagt er. Die Indizien der Testtage deuten darauf hin, dass es für die Schweizer eine deutlich stärkere Saison geben könnte. Auch wenn die Zeiten wenig aussagekräftig sind, war es doch ein Ausrufezeichen, dass Kimi Räikkönen die viertschnellste Runde überhaupt drehte.
Ja, Räikkönen ist immer noch da
Ja, der Finne ist immer noch da, 41 mittlerweile – und kein bisschen müde. Viel wert sei er für sein Team, sagt Vasseur. «Wir stecken sehr viel Energie in die Entwicklung des Autos im Windkanal. Da ist es sehr wichtig, einen Fahrer zu haben, der ein gutes Verständnis davon hat, wie es um die Performance des Wagens steht und wo wir uns verbessern können.»
Räikkönens Teamkollege heisst erneut Antonio Giovinazzi. Der 27-jährige einstige Ferrari-Nachwuchspilot hat in seinen zwei Formel-1-Jahren nicht immer überzeugt, machte oft dann Fehler, wenn er Punkte hätte holen können. «Wenn ich aber 2020 mit seinem Premierenjahr 2019 vergleiche, sehe ich, dass er viel konstanter geworden ist», sagt Vasseur. Überhaupt sei schnell klar gewesen, dass er an diesem Duo festhalten würde, «denn wir haben gemeinsam schon eine Menge Zeit in das Projekt 2022 gesteckt».
Auf dann wurde die grosse Reglementsänderung wegen Covid-19 verschoben, die schon in diesem Jahr hätte kommen sollen. Grosse Räder, einfachere Flügel, aerodynamisch weniger sensibel, so sollen die neuen Fahrzeuge werden. Den Teams stellt sich parallel zum diesjährigen Renngeschehen eine riesige Aufgabe. «Wenn neue Autos gebaut werden, kann man normalerweise das vorherige als Basis nehmen. Nun geht das nicht, haben wir ein weisses Blatt vor uns und keine Vergleiche», sagt Vasseur. «Wir müssen unsere Ideen in alle möglichen Richtungen öffnen und jede Philosophie prüfen. Das bedeutet viel Arbeit, aber auch eine grosse Chance für alle. Wir müssen nur cleverer sein als die anderen.»
Endlich ist der Kostendeckel da
Einen Vorteil für Teams wie Alfa Romeo, das zwar auf 500 Mitarbeiter angewachsen ist, aber dennoch zu den eher kleineren Rennställen gehört, sieht Vasseur im Kostendeckel, der bereits in dieser Saison gilt. Schliesslich arbeiteten die Schweizer ausser zu BMW-Zeiten nie mit Budgets, die über diesen neu festgelegten 145 Millionen Dollar (rund 136 Millionen Franken) lagen. Für die finanzstärksten Rennställe dagegen, die rund eine halbe Milliarde Franken pro Jahr ausgaben, ist der Einschnitt gross – auch wenn etwa Fahrergehälter, Marketingausgaben oder Reisen und Hotels nicht dazugezählt werden. «Der Kostendeckel bedeutet für uns mehr Möglichkeit als Risiko», sagt Vasseur. «Auch die Verteilung der Einnahmen durch die Formel 1 wird gerechter. Es geht vieles in die richtige Richtung.»
So soll sich sein Team langsam wieder ans Mittelfeld heranpirschen. Schon in diesem Jahr lautet Vasseurs oberstes Ziel, den Abstand auf die Spitze zu verringern. Und die Saison nicht wieder mit 8 mickrigen Punkten zu beenden. Dazu hat es 23 Chancen – so Corona will.
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