Datenanalyse zeigt PlatzmangelTrotz Camping-Boom schrumpft das Angebot in der Schweiz
Die Pandemie hat Campingferien noch beliebter gemacht. Trotzdem nimmt die Zahl der Anlagen und der verfügbaren Stellplätze ab. Warum?
Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben den Schweizer Tourismus hart getroffen und viele Betriebe vor existenzielle Herausforderungen gestellt – mit Ausnahme der Campingplätze. Während Hotels und Kollektivunterkünfte wie Alphütten oder Ferienlagerhäuser grosse Einbussen verkraften mussten, passierte beim Camping das Gegenteil.
Zwischen 2019 und 2021 stieg die Zahl der jährlichen Logiernächte von 3,8 auf 5,4 Millionen. Im vergangenen Jahr, als die letzten Corona-Massnahmen aufgehoben wurden und die Schweizerinnen und Schweizer wieder vermehrt ins Ausland verreisten, ging sie zwar wieder zurück, lag mit 4,8 Millionen aber immer noch deutlich über dem Vor-Pandemie-Level. Und auch 2023 rechnet der Touring-Club Schweiz (TCS), der grösste Campinganbieter in der Schweiz, mit «ähnlich guten Ergebnissen».
Schon seit 2016 legt das Camping viel stärker zu als die Hotellerie. Und die Pandemie hat diesen Trend nochmals verstärkt. Denn im Gegensatz zu den Hotels konnten die Campingplätze den Rückgang bei der ausländischen Kundschaft durch die gestiegene inländische Nachfrage mehr als kompensieren. Grundsätzlich sind sie weniger auf Touristen aus dem Ausland angewiesen als Hotels, wo diese fast die Hälfte aller Übernachtungen buchen.
Auf hiesigen Campingplätzen machen Schweizerinnen und Schweizer 68 Prozent der Gäste aus. Der Rest kommt vor allem aus Deutschland und den Niederlanden.
Mit Abstand am beliebtesten ist bei Camperinnen und Campern das Tessin. Die dortigen Betriebe haben seit 2008 stark zugelegt und im vergangenen Jahr mehr als 1 Million Übernachtungen verbucht. Obwohl die Tourismusregionen Bern und Wallis über mehr Campingplätze verfügen, können sie nicht mit dem Südkanton mithalten, der nicht nur in den Ferien, sondern auch an Wochenenden viele Gäste anlockt.
Verhältnismässig am meisten zugelegt hat aber die Tourismusregion Aargau. Sie kann sich über satte 221 Prozent mehr Übernachtungen freuen als noch vor 15 Jahren. Die Regionen Ostschweiz, Zürich und Luzern-Vierwaldstättersee profitieren ebenfalls überdurchschnittlich vom Campingtrend. Nur Basel verzeichnet gegenüber 2008 ein Minus bei den Übernachtungen.
Auffällig ist, dass trotz steigender Nachfrage die Zahl der Betriebe sowie der Dauermieter- und Passantenplätze abnimmt. In fast allen Tourismusregionen stagniert die Entwicklung, oder sie ist gar rückläufig. Der Aargau ist mit einer Zunahme der verfügbaren Stellplätze um 39 Prozent die Ausnahme.
Zum einen werden kaum neue Campingplätze gebaut, zum anderen gehen immer wieder bestehende zu. Etwa die Anlage in Auslikon ZH, die zum besseren Schutz der Natur am Pfäffikersee dieses Jahr schliessen muss. Oder der Campingplatz Fanel am Neuenburgersee bei Gampelen (BE), der von der Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission als umweltrechtswidrig beurteilt wurde und Ende 2024 seinen Betrieb einstellen muss.
Schweizweit geht die Schere zwischen Angebot und Nachfrage immer mehr auseinander. Seit 2008 ist die Zahl der Dauermieter- und Passantenplätze um 7 Prozent gesunken. Gleichzeitig haben die Übernachtungen um 43 Prozent zugenommen.
Spontanes Camping an schönen Wochenenden ist mittlerweile oft nicht mehr möglich. An beliebten Orten muss teils weit im Voraus gebucht werden. Warum wird das Angebot hierzulande nicht ausgebaut und der steigenden Nachfrage angepasst?
«Es ist sehr schwierig, neue Terrains zu finden, auf denen Campings installiert werden können», sagt Oliver Grützner, Leiter Tourismus und Freizeit beim TCS. Es müssten genügend grosse Flächen an guten Standorten sein, die gewisse Bedingungen erfüllen. So dürfen Campingplätze etwa nicht in Gebieten gebaut werden, die durch Hochwasser, Erdrutsche oder Felsstürze gefährdet sind.
«Die Auflagen werden immer strenger und verhindern neue Campingplätze.»
Auflagen rund um Naturschutzgebiete und geschützte Biotope spielen ebenfalls eine Rolle. «Diese Auflagen werden immer strenger und verzögern oder verhindern neue Campingplätze in der kleinräumigen Schweiz», sagt Grützner. Ihm zufolge ist der TCS trotzdem bemüht, sein Angebot auszubauen und wenn möglich neue Anlagen zu errichten. «Gespräche und Verhandlungen, die teilweise vorangeschritten sind, werden derzeit an zahlreichen Standorten geführt.»
Auch Kantone und Gemeinden reagieren auf den Ansturm, wie zwei Beispiele zeigen: Die Bündner Regierung hat Anfang Jahr die Erweiterung des Campingplatzes Gravas in Lenzerheide genehmigt. Und Davos hat temporäre Stellplätze geschaffen, um dem verbotenen Wildcampen entgegenzuwirken. Zudem plant die Gemeinde den Bau eines zweiten Campingplatzes. Die Bevölkerung muss einer Teilrevision der Ortsplanung aber erst noch zustimmen.
Im Zuge des Booms sind auch Angebote abseits der traditionellen Campingplätze entstanden. Auf Onlineplattformen wie Nomady zum Beispiel können Übernachtungen auf Bauernhöfen, im Wald oder in einem Tiny House gebucht werden. Solche individuellen Campingerlebnisse sind im Trend. Viele wollen mit ihrem Wohnmobil, Wohnwagen, Zelt oder umgebauten Van etwas Spezielles, Einzigartiges erleben.
Laut dem TCS, der einer der Partner von Nomady ist, können solche alternativen Übernachtungsmöglichkeiten die hohe Nachfrage nicht auffangen. «Aber jedes neue Angebot hilft dem Tourismusland Schweiz», sagt Grützner. Denn er rechnet damit, dass der Campingboom anhält: «Die Leute wollen wieder vermehrt in der Natur und in der Schweiz Ferien machen, anstatt um den ganzen Globus zu jetten.»
Dem jüngsten TCS-Reisebarometer zufolge hat die Hälfte der Bevölkerung auch in diesem Jahr vor, Ferien im Inland zu verbringen. Die beliebten Campingplätze werden für den Sommer schon gut gefüllt bis ausgebucht sein. Grützner blickt positiv in die Zukunft: «Auch 2023 entwickelt sich ähnlich wie die beiden Vorjahre und wir sind zuversichtlich, dass die Ergebnisse gut werden.»
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