Trendfarbe «Sad Beige»Traurig, trauriger, beige
Helle, sanfte Farben galten lange als Lieblinge in der Inneneinrichtung. Doch der Trend scheint nun zu kippen – und wird in sozialen Medien verspottet.
Wer in den letzten Jahren durch eine Zeitschrift für schönes Wohnen blätterte oder sich auf Pinterest inspirieren liess, sah vor allem: viel Taupe, Biskuit, Sand und noch mehr Haferbrei – also alle Farbvariationen von Beige.
Das passt zum Minimalismus-Trend, der spätestens dann populär wurde, als die japanische Bestsellerautorin Marie Kondo begann, im grossen Stil Häuser auszumisten. Viele Menschen setzen deshalb auf karg eingerichtete Häuser ohne Nippes und Krimskrams, welche die in der heutigen Zeit ohnehin gereizten Sinne stressen könnten. Und was sich nicht entbehren lässt, wird eben in zurückhaltenden und neutralen Farben wie Beige, Weiss und Hellgrau angeschafft – ein Farbtupfer verirrt sich nur selten in die Räume im Uni-Look.
Doch der gemeinhin beliebte Einrichtungstrend scheint nun zu kippen. In den sozialen Medien polarisiert er gerade und sorgt unter dem Begriff «Sad Beige» – also auf Deutsch «trauriges Beige» – für teils heftige Diskussionen. Besonders bemerkbar machte sich die zunehmende Abneigung gegen den Beige-Wahn unter dem Tiktok-Video einer jungen Frau aus Norwegen. Dabei wollte Emma Ganzarain lediglich zeigen, wie sie der Wohnung ihres Freundes ein Umstyling verpasst hatte.
Steril wie die Wohnung eines Serienkillers
Auf den Vorher-nachher-Bildern ist zu sehen, was sie alles umdekoriert und renoviert hat: Wo früher weisse Holzdielen waren, hat Ganzarain einen hellen Fischgrätparkettboden verlegt. Die dunkle Küche ist einer modernen Hochglanzküche in Beige gewichen. Auch im Wohnzimmer gibt es kleinere Veränderungen: Die violette Pendelleuchte wurde gegen eine weisse ausgetauscht. Und wo vorher ein brauner Sessel stand, steht jetzt ein cremefarbiger Stuhl aus Boucléstoff.
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«Alle Männer brauchen eine Frau in ihrem Leben», schreibt die Norwegerin zu dem Video – und erntet statt Zustimmung eine Welle von Kritik. «Vorher war es viel besser», heisst es in den rund 60’000 Kommentaren wiederholt. Ganzarain habe damit die Wohnung ihres Freundes ruiniert, der Wohnung die Wärme und den Charakter genommen. Einen Kommentator erinnert die neue Einrichtung gar an Patrick Bateman – den Serienkiller aus dem Film «American Psycho». Als «Sad Beige» bezeichnen viele den sterilen Look der renovierten Wohnung.
Mit einer ähnlich negativen Rückmeldung sah sich jüngst eine Mutter konfrontiert. Sie zeigte in einem Video, wie sie den ursprünglich in allen Farben leuchtenden Spielzeug-Weihnachtsbaum ihrer Tochter mit neutraler Farbe besprayte – damit er besser zur minimalistischen Ästhetik ihrer Wohnung passe, wie Nattie Jo Powell erklärt.
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Das Video geht viral, die Mutter wird daraufhin als «Beige Mom» beschimpft. «Trauriges beiges Spielzeug für traurige beige Kinder», schreibt eine Kommentatorin. Denn viele weisen darauf hin, dass Kinderspielzeug absichtlich in knalligen Farben hergestellt werde, um die kognitive Entwicklung von Kindern zu fördern. Das sei wichtiger als die Ästhetik, argumentieren einige Nutzer.
Wohnen wie im Kloster
Und auch Kim Kardashian wird gerade aufgrund ihres beigen Lifestyles verspottet. Der Star ist bekannt für sein Zuhause, das gänzlich in einem biederen Beige daherkommt und das mit seinen karg eingerichteten Räumen eher an ein Kloster erinnert. Designt hat es der belgische Innenarchitekt Axel Vervoordt, dessen Arbeit von der japanischen Wabi-Sabi-Ästhetik geprägt ist.
Doch Kardashian treibt das Commitment zur Farbe Beige auf die Spitze: Diese Woche zeigte sie auf Instagram ihre Weihnachtsdekoration, die so gar keine vorweihnachtliche Lebensfreude versprüht. Die Villa ist zwar mit Dutzenden schneebedeckten Weihnachtsbäumen gefüllt – die sind jedoch weitgehend undekoriert.
Während einige Bäume noch mit einer warmweissen Lichterkette verziert sind, findet man sonst keinerlei Baumschmuck. Weder Weihnachtskugeln noch eine Weihnachtsbaumspitze oder Lametta. Das farblose Bild wird durch eine weitere Aufnahme komplettiert, auf der fünf beige Weihnachtsstrümpfe über dem beigen Kamin hängen. Auch hier folgt auf Social Media deshalb rasch der Vorwurf: Kardashian sei eine «Beige Mom».
Ein Zeichen für Wohlstand?
Den Begriff «Beige Mom» – wie auch «Sad Beige» – ins Leben gerufen hat Hayley DeRoche. Die Amerikanerin führt den Instagram-Account @officialsadbeige, der rund 370’000 Follower zählt. Dort persifliert DeRoche, die hauptberuflich Bibliothekarin ist, den beigen Lifestyle.
Wie sie der «New York Times» erklärt, handelt es sich dabei um eine spezifische Ästhetik, die Neutraltöne fast schon übertrieben stark einbezieht. In Anspielung auf die Kardashians fügt DeRoche hinzu, dass der geradlinige, fast farblose Look ein Zeichen für Wohlstand sein könne.
Trotz ihrer Abneigung zu Beige betont DeRoche, dass sie es nicht richtig finde, wenn der Begriff «Sad Beige» in angriffiger Art und Weise eingesetzt werde. Emma Ganzarain hatte aufgrund ihres Videos unter anderem auch Morddrohungen erhalten.
Weniger Minimalismus, mehr Gemütlichkeit
Dennoch sieht DeRoche die starke Reaktion auf Ganzarains Video als Zeichen dafür, dass es gerade einen grösseren Wandel in der Inneneinrichtung gibt. Und zwar weg vom aufgeräumten und polierten Minimalismus, hin zu mehr Gemütlichkeit. Tatsächlich herrscht zurzeit ein Hang hin zum kompletten Gegenteil vom Minimalismus – nämlich zum Maximalismus.
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Vom Beige-Wahn Geläuterte zeigen auf Tiktok, wie sie sich in ihrem einst puristischen Zuhause nun kreativ austoben. Anstatt zu reduzieren, wird jetzt aufgetürmt: mit reichlich Accessoires, verschiedenen Texturen und Farben und Mustern, die theoretisch nicht zusammenpassen – Hauptsache nicht langweilig.
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