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Tatort-Schauspielerin Rachel Braunschweig
«Ab 35 Jahren müssen Frauen kämpfen, dass sie sichtbar bleiben»

Horgen, Die Schauspielerin Rachel Braunschweig ist in den Fernsehkrimis Tatort zu sehen, hat im Film "Die göttliche Ordnung" mitgespielt und ist in Horgen aufgewachsen. 10.1.2024 Bild: Sabine Rock
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Rachel Braunschweig ist eine der gefragtesten Schweizer Schauspielerinnen. Bemerkenswert ist dabei nicht nur, dass sie mit ihrer Leinwandkarriere erst nach 40 durchstartete. Sondern auch, dass sie sich mit Nebenrollen ins Bewusstsein eines grossen Publikums spielte. Rachel Braunschweig spielt längst Hauptrollen und bekommt Angebote für internationale Filme. Die 55-Jährige, die in Horgen aufgewachsen ist, gilt als wandelbare Schauspielerin, die ihre Figuren intensiv ausfüllt.

Rachel Braunschweig ist demnächst in neuen Produktionen auf der Leinwand und dem Bildschirm zu sehen. Als Staatsanwältin Anita Wegenast ermittelt sie im Zürcher «Tatort». Gleich zwei Schweizer Folgen dieser Krimiserie werden dieses Jahr ausgestrahlt. Die kommende «Tatort»-Folge «Von Menschen und Affen» ist zudem für den deutschen Krimipreis nominiert. Unter anderem wurde dafür in Kilchberg im ehemaligen See-Spital gedreht. Und die TV-Serie «Neumatt» geht in die dritte Staffel. Gefilmt wurde dafür auch im Hirzel.

Sie sagen, die beiden «Tatort»-Folgen, die dieses Jahr ausgestrahlt werden, gefielen Ihnen besonders gut. Wieso?

Rachel Braunschweig: Die nächsten beiden Folgen wurden von den beiden Autoren geschrieben, die auch die Figuren zu Beginn des neuen Zürcher «Tatorts» entwickelt haben. Wir waren uns von Anfang an einig, dass der schräge Humor der Staatsanwältin ihr Markenzeichen sein soll. Dieses Konzept löst sich in diesen beiden Folgen wieder vermehrt ein.

Sie haben unter anderem eine Staatsanwältin, eine Äbtissin oder eine Bäuerin gespielt. Wie viel von Ihnen selber steckt in den Figuren?

Die Charaktere der Figuren sind vorgegeben. Es ist meine Aufgabe als Schauspielerin, sie auszufüllen und anzureichern. Mir ist es ein Anliegen, dass ich die Personen vielschichtig erzähle. Aber schliesslich bin ich die, die ich bin, und sehe so aus, wie ich aussehe.

Sie spielen starke Persönlichkeiten und bleiben dem Publikum deshalb auch in Erinnerung. Sehen Sie das auch so?

Dazu gibt es eine Anekdote. Der Bauer, der uns in der Serie «Neumatt» begleitet und beraten hat, sagte mir, ich hätte so «einen Grind, den man nicht vergisst». Andere Schauspielerinnen könne er hingegen nicht auseinanderhalten. Es ist lustig, so etwas zu hören, aber eigentlich geht es um die inhaltliche Arbeit an meinen Figuren, die offenbar Zuspruch findet. Das freut mich.

Sie sind ja verhältnismässig spät zum Film und zu Berühmtheit gekommen. Wieso?

Ich machte zuvor vieles parallel: Schauspiel, Dramaturgie, Regie, Theaterpädagogik. Mit 40 fragte ich mich, wofür mein Herz eigentlich schlägt und welches Ziel ich habe.

Dann entschieden Sie sich für eine Karriere im Film?

Ja. Ich sagte mir, ich kann nicht alles machen und muss mich fokussieren und positionieren. Ich habe bei den Castings klar signalisiert, dass ich bereit bin für eine Hauptrolle. Man muss sagen können, ich traue mir eine grosse Rolle zu und ich kann das stemmen.

Sie sind bekannt geworden in einem Alter, in dem andere Schauspielerinnen beklagen, dass sie keine guten Rollenangebote mehr bekommen. Stimmt diese Aussage also nicht mehr?

Doch. Frauen müssen bereits ab 35 dafür kämpfen, dass sie sichtbar bleiben. Sie spielen in Filmen die Mütter, oder sie sind vielleicht noch die Geliebten und später die Grossmütter. Aber es gibt wenige Rollen, in denen sie eine für die Geschichte tragende Figur darstellen.

Woran liegt das?

Das liegt in erster Linie am noch immer herrschenden Frauenbild in unserer Gesellschaft, dem die Filmindustrie meint entsprechen zu müssen, was aber schon längst nicht mehr die demografische Entwicklung abbildet. Man möchte das junge Publikum erreichen. Für dieses Segment gibt es viele Fördermittel. Von da kommen auch die Shootingstars.

Sie haben es dennoch geschafft. Was haben Sie dafür gemacht?

Ich habe vor allem insistiert und mich in der Branche behauptet. Ich erhalte viel positives Feedback von Frauen, die sich mit meinen Figuren identifizieren. Es scheint also ein Bedürfnis im Publikum vorhanden zu sein, nicht nur Geschichten von Zwanzigjährigen zu sehen.

Wie schlüpfen Sie in eine Figur?

Das ist Handwerk, das habe ich gelernt. Da gibt es viele Herangehensweisen.

Können Sie ein Beispiel geben?

Die Bäuerin Katarina arbeitet in der zweiten Staffel von «Neumatt» bei einem Discounter. Ich habe deshalb auch in einem Supermarkt gearbeitet und mit den Frauen über ihre Themen, Probleme und Ansichten gesprochen. Das eröffnete mir eine neue Welt. Ich glaube, es braucht dieses Interesse, die Liebe zu den Figuren, damit der Funke überspringt.

Was denken Sie, wenn sie einen Film, in dem Sie mitspielen, zum ersten Mal sehen?

Ich betrachte den Film aus professioneller Sicht und frage mich, ob ich so wirke, wie ich die Figur vermitteln wollte. Es ist wie ein erster Kontrollblick. Wenn ich in einem Kinosaal sitze, erlebe ich auch noch die Reaktionen des Publikums. Das ist ein intensives Erlebnis, vor allem wenn ich merke, dass ich verstanden wurde.

Als Schauspielerin exponieren Sie sich. Gibt es da manchmal Hemmungen?

Wenn das Drehbuch gut ist und die Figuren fertig gedacht sind, bin ich bereit dazu, mich zu zeigen. Ich kann mich mühelos einbringen, wenn es Sinn macht für die Geschichte und etwas über die Figur erzählt.

Welche Filme sehen Sie selber gerne?

Ich gehe sehr gerne an Festivals, wo ich Filme sehe, die zumeist nicht in die Kinos kommen. Blockbuster schaue ich weniger, vielleicht mal zusammen mit meinem Sohn. Begeistert haben mich zuletzt Kinofilme wie «Perfect Days» von Wim Wenders und «Anatomie d’une chute» von Justine Triet, «La Chimera» von Alice Rohrwacher oder der Schweizer Kurzfilm «All Inclusive».

Wie erholen Sie sich zwischen den Filmdrehs?

Ich muss mir ganz bewusst Zeit schaffen für anderes. Ich treffe gerne Freundinnen und Freunde. Das ist mir wichtig, ich bin ein sozialer Mensch. Ich reise auch gerne und kann mich so aus allem herausnehmen. Das ist die einzige Möglichkeit, Abstand zur Arbeit zu bekommen. Eigentlich möchte ich gerne mehr lesen. Die Bücher stapeln sich bei mir zu Hause. Für ein Hobby habe ich keine Zeit.

Sie sind in Horgen aufgewachsen. Was verbindet Sie heute noch mit diesem Dorf?

Meine Mutter wohnt noch in Horgen. Ich besuche sie da gerne. Horgen hat sich aber sehr verändert. Ich bin im Tannenbachquartier neben einer Wiese aufgewachsen. Wir sind dort Ski gefahren. Heute ist die Wiese überbaut.

Als Jugendliche haben Sie im legendären Club Ugly in Richterswil verkehrt. Welche Erinnerung ist Ihnen geblieben?

Mein damaliger Freund hat Musik aufgelegt, und ich habe an der Bar gearbeitet. Das war während der Gymi-Zeit. Wir blieben am Freitag bis 4 Uhr morgens, und ich fuhr danach direkt mit dem «Gipfelischiff» in die Schule nach Küsnacht. Damals hatten wir am Samstag noch Schule. Spätestens um 11 Uhr nickte ich dann auf meinem Pult ein.

Wie geht es für Sie beruflich weiter?

Ich habe letztes Jahr viel gedreht und stand auch wieder auf der Bühne. Es stehen also einige Filmpremieren an. Der Kinofilm «In Liebe, eure Hilde» von Andreas Dresen läuft im Rennen um den Goldenen Bären an der Berlinale. Meine nächste Station ist also Berlin. Im Frühjahr wird der «Tatort» ausgestrahlt. Im Herbst 2024 kommt der Kinofilm «Friedas Fall» in die Kinos, und «Neumatt» geht mit der dritten Staffel an den Start. Zurzeit bereite ich mich auf die neuen «Tatort»-Folgen vor, und dann liegen da noch ein paar Ideen auf meinem Schreibtisch, die auf ihre Weiterentwicklung warten.

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