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Sven Andrighettos Leidensweg
«Ich habe nicht trainiert, damit ich in der Badi cool aussehe»

Portrait von Sven Andrighetto in der Swiss Life Arena. 16.11.23

Der ZSC-Stürmer hat sich nach einer komplizierten Handgelenkverletzung empor gekämpft, spielt aber ständig mit Schmerzen. Sein beschwerlicher Weg zurück zur alten Form 4500 bis 5000 Z.
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Nach dem tödlichen Unfall reagierte er sofort. Seit eine Schlittschuhkufe dem Amerikaner Adam Johnson Ende Oktober in einem Spiel in Sheffield die Halsschlagader durchtrennt hat, trägt Sven Andrighetto immer einen Halsschutz, auch im Training. «Ich hatte mir das vorher gar nicht gross überlegt», sagt der 30-Jährige. «Aber dieser Unfall gab mir zu denken. Wenn man sich schon schützen kann, sollte man das auch tun. Und wir sind ja auch Vorbilder für die Jungen. Wenn wir einen Halsschutz tragen, ist es für sie auch cool, sich zu schützen.»

Andrighetto ist besonders sensibilisiert, weil er jüngst selbst erfuhr, wie schnell auf dem Eis etwas Unerwartetes passieren kann. Glücklicherweise traf es ihn nicht so schwer. Aber jene Szene vom 17. Dezember 2022 prägt sein Leben bis heute. Zwölf Jahre war er ohne grössere Verletzung durch die Karriere gekommen, als ihn vor elf Monaten an den Swiss Ice Hockey Games in Freiburg ein Tscheche bei einem Checkversuch an der Bande unglücklich erwischte. Statt an der Schulter traf er Andrighetto am Arm, dabei knickte dessen linke Hand nach hinten.

Er spielte trotzdem fertig

«Ich merkte sofort: Etwas ist nicht gut», erzählt Andrighetto. «In der ersten Pause tapten wir die Hand. Es tat weh, aber ich spielte die Partie fertig. Ich wusste ja noch nicht, wie schlimm es war.» Tags darauf fuhr er zurück nach Zürich, und das MRI in der Schulthess-Klinik zeigte, dass das Kahnbein gebrochen war. Ein kleiner, aber für die Stabilität der Hand wichtiger Knochen – der grösste von acht Handwurzelknochen, der auf der Daumenseite des Handgelenks liegt.

«Leider ist das auch einer der am schlechtesten durchblutete Knochen im ganzen Körper», erklärt Andrighetto. Was bedeutet, dass er nicht von allein zusammenwächst. Eine Operation war unumgänglich, doch weil diese für ihn das Saisonende bedeutet hätte, schob Andrighetto sie hinaus. «Ich wollte im Playoff unbedingt dabei sein», sagt er. «Denn ich schätzte unsere Chancen, Meister zu werden, als sehr gut ein. Also wartete ich mit der OP.» 

Schmerztabletten und Eisbeutel

Kurz vor dem Playoff gab er sein Comeback. Er quälte sich mit Schmerztabletten und einer Schiene an der linken Hand durch die Matches. «Wenn du im Spiel drin bist, bist du von Adrenalin durchströmt und merkst es nicht gross. Aber danach tat es weh, weil ich die Hand gereizt hatte. Ich legte immer sofort Eis auf.» Trotz seines Handicaps schoss er drei Tore im Playoff, darunter das 3:2 in der Overtime des vierten Viertelfinalspiels gegen Davos. Doch im Halbfinal gegen Biel (0:4) waren die Zürcher chancenlos.

Zwei Tage später legte er sich unters Messer. Ein Teil des Unterarmknochens wurde entnommen, beim Kahnbein eingesetzt und mit einer Schraube fixiert, um dieses zu stabilisieren. Den ganzen Sommer musste er einen Gips tragen. Eine quälend lange Zeit, in der er keinen Stock in die Hand nehmen konnte. So trainierte er individuell. Auch im August im Trainingslager in Zell am See. «Es gab Tage, an denen ich brutal genervt war. Ich wollte aufs Eis und mit den Jungs spielen. Doch das ging nicht. Also fokussierte ich mich darauf, was in meiner Macht liegt.»

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Wie besessen feilte er an seiner Fitness, zusammen mit Kraft- und Konditionstrainer Mattia Stendahl. Im Kraftraum, aber auch auf dem Eis, wo er etwa mit einer zwölf Kilo schweren Bleiweste Sprints machte. Er legte 4,5 Kilo an Muskelmasse zu. «Ich trainierte nicht, um einen riesigen Bizeps zu haben, damit ich in der Badi cool aussehe», sagt er schmunzelnd. «Obschon das im Sommer natürlich auch nicht so schlecht ist. Aber mir ging es vor allem um die Beine.»

Mit 86 Kilo ist Andrighetto so schwer wie noch nie. Die Wendigkeit und Spritzigkeit hätten darunter nicht gelitten, sagt er. Im Gegenteil. «Ich bin schneller geworden, und mein Körperfettanteil ging auch runter, auf 8,5 Prozent. Das zeigte mir: Wenn du wirklich investierst, kannst du auch mit 30 körperlich noch Fortschritte machen.»

Er spielt mit einer Spezialschiene

Doch eigentlich wollte er ja primär Eishockey spielen. Als seine Kollegen im September in die neue Saison starteten, musste er sich weiter gedulden. Am 13. Oktober bei einem 3:0 gegen die SCL Tigers gab er im zwölften Saisonspiel sein Comeback. Der kleine Knochen im Handgelenk ist zwar noch nicht ganz zusammengewachsen. Doch Andrighetto fixiert die linke Hand mit einer speziell angefertigten Schiene, die über die Handfläche und das Handgelenk reicht.

Sven Andrighetto, ZSC Lions, Zürich, 28.9.2020, Foto Dominique Meienberg

«Bei gewissen Bewegungen habe ich noch Schmerzen», sagt er. «Vor allem, wenn ich schiesse. Aber irgendwann hatte ich lange genug gewartet.» Er wird die Schiene, die ihn in seiner Bewegungsfreiheit etwas einschränkt, wohl die ganze Saison tragen. «Beim Schiessen und bei der Stockführung ist sie gewöhnungsbedürftig. Aber du lernst, damit umzugehen.» Am Karjala-Cup in Tampere gab er jüngst auch sein Comeback im Nationalteam.

«Zürich wurde 2018 zum letzten Mal Meister. Es ist wieder einmal Zeit.»

Sven Andrighetto

Andrighetto kehrte 2020 nach neun Jahren in Nordamerika und Russland nach Zürich zurück, um mit seinem Herzensclub Meister zu werden. Das ist ihm noch nicht gelungen. Der verpasste Titel von 2022, als die Zürcher im Final gegen Zug eine 3:0-Führung verspielten, schmerzt ihn noch heute. Er sagt: «Zürich wurde 2018 zum letzten Mal Meister. Es ist wieder einmal Zeit. Und jetzt haben wir die beste Mannschaft zusammen, seit ich hier bin. Nicht nur auf dem Papier, auch auf dem Eis und in der Garderobe.»

Andrighetto, der Student

Seine Verletzung habe ihm die Augen geöffnet, sagt Andrighetto. «Ich begann, meine Gesundheit mehr zu schätzen. Und ich machte mir Gedanken, was ich neben dem Eishockey noch tun könnte.» Im Sommer arbeitete er zwei Nachmittage in einem Treuhandbüro, nun hat er an der Fernfachhochschule ein Onlinestudium in Betriebsökonomie und Sportmanagement begonnen, zusammen mit anderen Hockeyprofis. Bald hält er mit Klotens Marc Marchon sowie Servettes Roger Karrer und Vincent Praplan einen Vortrag.

«Ich wollte den Kopf noch anders gebrauchen», sagt er. Denn ihm ist bewusst geworden: Ein unglücklicher Zusammenprall, und es kann vorbei sein mit der Karriere.