Umbau polarisiert«Super» bis «katastrophal»: Das sagen Gäste zum neuen Sprüngli
Das altehrwürdige Café am Paradeplatz wurde radikal umgestaltet. Bei vielen Besuchern sorgt aber etwas anderes für viel mehr Ärger.
- Der Umbau des Sprüngli am Paradeplatz polarisiert die Besucher stark.
- Einige Gäste loben das moderne Design, andere vermissen den alten Stil.
- Spontanbesuche sind schwierig, weil der Ansturm riesig ist. Das sorgt für Ärger.
Die Meinungen in den Kommentarspalten waren sehr geteilt, als die Medien Ende November die ersten Bilder aus dem umgebauten Sprüngli am Paradeplatz veröffentlichten. Denn der alte, im Wiener Kaffeehaus-Stil gehaltene Gastraum im Obergeschoss ist Geschichte. Er ist einem modernen Boutiquehotel-typischen Interieur gewichen.
Was sagen die Gäste dazu? Wir wollten es drei Wochen nach der Neueröffnung genau wissen – und werden erst mal abgewiesen. Die Sprüngli-Medienabteilung lässt keinen offiziellen Besuch zu. Zu viel Rummel, Weihnachtszeit.
Auch ein spontaner Inkognito-Besuch am Samstagmorgen scheitert. Das Café ist voll, um 10 Uhr zieht sich die Schlange auf der Treppe bis ins Erdgeschoss, es fühlt sich ein bisschen an wie vor einer Bergbahn. Böse Blicke inklusive, wenn es ein Gast mit Reservation wagt, sich an den Leuten vorbeizudrängeln. Mit 15 Minuten Wartezeit müsse man rechnen, mindestens, sagt ein Sicherheitsmann.
Man muss mit der Zeit gehen. Muss man?
Unter jenen, die es bis nach oben geschafft haben, sind die Meinungen zum Umbau geteilt. Martin Kauer gehört zu den Begeisterten. Er ist seit 50 Jahren regelmässig im Sprüngli, wie er erzählt, und kann die Kritik nicht nachvollziehen.
Kauer findet den neuen Gastraum super: «Jene, die dem früheren Zürich nachtrauern, sollen halt die alten Kurt-Früh-Filme schauen und nicht ins Sprüngli gehen.» Zürich sei eine Touristen- und Expat-Stadt geworden, und dem müsse man sich anpassen.
Ein Rentnerpaar, das sich nicht namentlich äussern will, findet den Umbau ebenfalls sehr gelungen. Die beiden verkehren oft im Café, und das luftige, helle Design gefällt ihnen.
Eher ambivalent sind Elisabeth Feierabend und Antonio Casu. Klar sei das neue Design moderner, «aber immerhin ist es nicht kalt modern, die Wärme ist geblieben», findet Casu. Gebraucht hätte es den Umbau nicht, sagt Feierabend: «Sie haben es gut gemacht. Trotzdem war das alte Café viel schöner.»
Ganz anderer Ansicht ist ein Vater, der mit seinen zwei kleinen Söhnen an der Hand aus der Tür tritt. Er ist in Eile, der Coiffeur wartet, so viel aber sagt er zum Redesign: «Katastrophe!» Dann eilt er davon.
Auch Carsten Heinen und Luana Servan sind nicht besonders begeistert. Die beiden sind oft im Sprüngli. Doch an diesem Samstag kamen sie nur bis oben an die Treppe, dann mussten sie umkehren. Kein Platz. Eine wirkliche Meinung hätten sie sich deshalb noch nicht bilden können, aber der erste Eindruck ist nicht sehr positiv. «Früher hatte das Café Stil», sagt Heinen. «Das neue Interieur ist statisch, starr.»
Spontane Gäste werden abgewiesen
Für viel mehr Irritationen als der Umbau sorgt unter den befragten Gästen aber das, was Heinen und Servan passiert ist: dass spontane Besucher schon kurz vor 11 Uhr abgewiesen werden, weil ab 11.30 Uhr Lunch serviert wird und die Tische reserviert sind.
Verärgert ist beispielsweise Esther Tuor, die einst Stammgast hier war und nun wieder einmal ein «Zmittägli» im Sprüngli nehmen wollte: «Ich finde es unverhältnismässig, dass man vor Weihnachten an einem Samstag zwischen elf und halb zwölf zumacht. Das können Sie ruhig schreiben!»
Auch andere müssen unverrichteter Dinge abziehen. Manche tun das schulterzuckend, andere mit unverhohlenem Ärger und Kopfschütteln.
Zumindest erstaunt ist Pianist Chris Wiesendanger. Er frühstücke immer mal wieder hier, erzählt Wiesendanger, «das konnte man doch früher bis nach dem Mittag». Ob er sich im neuen Sprüngli wohlfühlt? Das muss er erst noch herausfinden, aber er ist eher einer, der dem traditionellen Kaffeehaus-Stil nachtrauert. Das «fancy Zeug» sei nicht sein Ding: «Ich bin oldschool, mir gefallen diese schönen alten Cafés.» Dass solche Orte in Zürich immer mehr verloren gehen, findet er schade.
Reaktionen sind positiv, heisst es bei Sprüngli
Oliver Moritz ist gastronomischer Leiter bei Sprüngli. Er sagt, zurzeit sei der Ansturm am Paradeplatz tatsächlich riesig. Obwohl nur zwei Drittel der Tische reserviert werden könnten, müssten spontane Gäste spätestens ab 11 Uhr damit rechnen, keinen Platz mehr zu bekommen. Aber: «Wie vor dem Umbau sind wir weiterhin für unsere Gäste durchgehend geöffnet, sofern es die Kapazität zulässt.»
Ab 14 Uhr sehe es dann anders aus, sagt Moritz: Dann sind keine Reservationen mehr möglich, es gilt «first come, first served».
Die Reaktionen auf den Umbau seien mehrheitlich positiv, so Moritz. Man müsse auch sehen: Vieles im alten Café sei nicht mehr zeitgemäss gewesen, die sanitären Anlagen veraltet, die Akustik schlecht. Aber klar: «Der Umbau eines so ikonischen Cafés wirkt für viele zunächst überraschend, aber wir freuen uns über die vielen Komplimente. Jede Tradition beginnt mit einer Innovation, und viele Innovationen werden irgendwann zur Tradition.»
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