Von Port Elizabeth nach KapstadtSüdafrika – das Schlaraffenland für Naturfreunde und Weinliebhaber
Malerische Küsten, quirlige Städte, Begegnungen mit Giraffen, Erdmännchen und den «Big Five»: Eine Reise auf der Panoramastrecke Garden Route eröffnet grossartige Blicke auf die Schönheit Südafrikas.
Dieser Artikel stammt aus der Schweizer Familie
Übrigens: In Südafrika lief der König der Tiere auf mich zu, blieb in zwei Meter Entfernung stehen, gähnte – und trottete davon.»
Das wird künftig in jeder Blufferrunde mein Trumpf sein! Passiert ist es im Kariega Private Game Reserve, eineinhalb Fahrstunden von Port Elizabeth entfernt, wo unsere Garden-Route-Reise begonnen hat. Auf einer Fläche von 10’000 Hektaren – das ist etwas grösser als der Zürichsee –, ist das Reservat nichts Geringeres als ein Schlaraffenland für Naturliebhaber.
Zu Kariega gehören nämlich Ökosysteme wie die Savanne, das Grasland, üppige Busch- und Waldlandschaften sowie die Feuchtgebiete des Bushman’s und des Kariega River. Hier leben die berühmten «Big Five», also der genannte Löwe, Elefanten, Leoparden, Büffel und Nashörner. Aber ebenso Giraffen, Flusspferde, Hyänen, Zebras, Gnus, Spring- und Wasserböcke, diverse Antilopen- und knapp 300 Vogelarten, Echsen und Schlangen.
Diese Reise ist ein Angebot der Schweizer Familie, mehr Infos finden Sie hier.
Es hat Lodges im modernen Wildlife-Stil, die dank ihrem Komfort und einer erstklassigen, gesunden Küche die Outdoortrips durch eine gute Portion Entspannung und Genuss ergänzen. Fehlt noch etwas? Ja, die Field Guides! Es sind je nach Saison bis zu 30 Frauen und Männer, welche die Erkundungsfahrten im offenen Geländewagen durchführen, die man im Jargon «Game Drives» nennt.
Die Pirsch schult fürs Leben
Unser Berufsabenteurer heisst Johan Jacobs, gerufen wird er aber von allen bloss JJ, ausgesprochen als «Dschei-Dschei». Der sympathische Mittvierziger ist ein alter Safarihase mit entsprechend vollgepacktem Erfahrungsrucksack. Also ein Field Guide, dem die achtsame, sinnliche Pirsch wichtiger ist als eine «Trophäenjagd», sprich möglichst viele Tiersichtungen. Anders gesagt: JJs Touren sind eine Art Lebensschule.
Einmal halten wir in der Morgendämmerung auf einer nebelverhangenen Graslandebene, es ist feierlich still. Dann, völlig unerwartet, durchbohren Sonnenstrahlen wie Laser den milchigen Schleier. Ich denke: «Wow, wie in einem ‹Star Wars›-Film» – bis zwei vorwitzige Impalas ins Bild springen und meine Fantasie beenden. Schon gleiten wir im Boot den Kariega River hinauf, er präsentiert sich als flüssiger Spiegel. Jemand sagt «magisch», jemand anders «kitschig». Beides trifft zu.
Eine Stunde später zeigt uns JJ im Sand frische Nashornspuren, lenkt den Landcruiser auf ein Hochplateau, et voilà: Zwei dieser schutzbedürftigen Riesen watscheln direkt vor uns über die Naturstrasse. Den genüsslich äsenden Giraffen wiederum kommen wir durch knackende und raschelnde Büsche auf die Spur. Das stoische Kauen hat etwas von einer Meditationsübung. Just in dem Moment, als ich selbst in Yogastimmung verfalle, ertönt der Funkspruch eines Field-Guide-Kollegen – und nach kurzer Fahrt dürfen wir als Zaungäste am grossfamiliären Herdentreffen der Kariega-Elefanten teilnehmen.
Doch nicht überall im Reservat geht es friedlich zu und her: Auf einer Lichtung beobachten wir einen Sekretär, der mit seinen scharfen Greifvogelkrallen eine Puffotter in mundgerechte Stücke zerlegt. Später, beim «Sundowner»-Apéro, der – magisch-kitschig die Zweite – unter glutrotem Himmel stattfindet, will jemand wissen, ob die Guides niemals ins Geschehen der Natur eingriffen. «Doch», sagt JJ, «bei schwer verwundeten Tieren. Oder beim Ausbruch eines Feuers.»
Nach dem leckeren Abendessen in der Ukhozi Lodge gönnen wir uns einen Schlummertrunk. Es ist unser letzter Abend in Kariega, Zeit für die ganz grossen Fragen. «JJ, was war dein unglaublichstes Tiererlebnis?» Er lächelt. Und erzählt, wie er vor vielen Jahren in einem anderen Reservat mit einer Safarigruppe für eine Kaffeepause in eine Talsenke fuhr.
Unversehens war der Geländewagen von einer grossen Elefantenherde umringt, die zufällig da durchmarschierte. Eine brisante Situation, es gab kein Vor und kein Zurück. Wären die Elefanten in Aufruhr geraten, sagt JJ, hätten sie alles niedergetrampelt. Also habe er begonnen, mit ruhiger Stimme zur alten Leitkuh zu sprechen: «Grandma, wir kennen uns schon lange. Nun brauche ich deine Hilfe. Kannst du uns einen Weg frei machen, damit wir hier rauskommen? Kannst du das für mich tun, Grandma?»
Minuten später habe sie sanft ein paar Jungtiere zur Seite bugsiert, und er sei langsam rausgefahren. Einige Gäste hätten Tränen in den Augen gehabt, sagt JJ. «Aber nicht vor Angst, sondern vor Rührung.» Fotograf Philipp und ich sind, was wir selten sind: sprachlos.
Der Genuss guter Geschichten
Zumindest baff sind wir auch am übernächsten Morgen, auf der Bootsfahrt vom Küstenstädtchen Knysna zum Featherbed-Naturreservat. Grund dafür ist der Kapitän: Der Kerl hat am letzten Austernfest in bloss 77 Sekunden 35 Stück der glibberigen Muscheln verschlungen und den Wettbewerb zum sechsten Mal gewonnen.
Das berichtet Reiseleiterin Gertie auf der Überfahrt. Und sie kennt noch andere gute Geschichten. Etwa, dass Knysna Heads, der enge, von schroffen Sandsteinklippen begrenzte Meerdurchgang vom Indischen Ozean zur Lagune, von der Royal Navy als «gefährlichste Einfahrt der Welt» bezeichnet wurde. Zu Recht, weiss Gertie, für Wracktaucher sei die Stelle eine wahre Fundgrube. Und bis heute gebe es weltweit keine Schiffsagentur, die für diese Durchfahrt eine Versicherung ausstelle.
Nach der Ankunft auf Featherbed bringt uns ein Lastwagen im Schritttempo über eine steile Strasse hinauf zum Ausgangspunkt einer leichten Wanderung. Von den verheerenden Bränden, die das Reservat 2017 heimgesucht haben, ist kaum noch etwas zu sehen. Für Hühnerhaut sorgen dafür die Wellen, die sich da unten mit stets neu aufbrausender Wucht an die Felsen werfen, so, als wäre es die letzte Runde in einem aussichtslosen Kampf zweier Titanen. Während des Abstiegs zum Ausgangspunkt beginne ich zu verstehen, weshalb diese Lagunenlandschaft als «Juwel der Garden Route» bezeichnet wird. Weshalb dieses Farben Pingpong zwischen Land und Wasser – grellbunte Blumen, Büsche und Sträucher in allen Grüntönen, ockerfarbener Sand, ein Meer von Türkis bis Schwarzblau – bei Besucherinnen und Besuchern Begeisterungsstürme auslöst.
«Kann es noch besser werden?», frage ich meinen afrikakundigen Reisebegleiter, als wir tags darauf von der Küste über den Robinsonpass ins Landesinnere fahren. Er grinst: «Heute dürfte es vor allem amüsant werden.» Das Ziel heisst Oudtshoorn. Die mit gut 60’000 Einwohnerinnen und Einwohnern grösste Stadt der Hochebene Kleine Karoo ist für zweierlei berühmt: Queen Elizabeth II selig und die Straussenfarmen.
Das Versprechen einer Prinzessin
1947, damals noch im Range einer Prinzessin, begleitete Elizabeth ihre Eltern nach Südafrika. In Kapstadt hielt sie an ihrem 21. Geburtstag die berühmt gewordene Rede, in der sie erklärte, ihr ganzes Leben, sei es lang oder kurz, dem Dienst der grossen imperialen Familie zu widmen. Und in Oudtshoorn? Da genoss sie einen Afternoon-Tea im Queen’s Hotel, Fotos in der Lobby zeugen vom Besuch.
Beim Spaziergang durch den Ort stechen prächtige, komplett aus der Zeit gefallene Herrschaftshäuser ins Auge. Man nennt sie leicht despektierlich «Federpaläste», errichtet wurden sie von den sogenannten Straussenbaronen zur Blütezeit der Zucht um 1880. Damals war die Straussenfeder ein Luxusgut und nach Gold, Diamanten und Wolle das viertwichtigste Exportprodukt Südafrikas.
Heute sind Strausse auch eine Touristenattraktion. Zu diesem Zweck besuchen wir die Safari Ostrich Show Farm. Beim Rundgang erfahren wir, dass die Männchen bis 2,5 Meter gross und 145 Kilo schwer werden. Wegen des Gewichts kann der Vogel nicht fliegen, rennend jedoch erreicht er eine Spitzengeschwindigkeit von 70 km/h. Auch interessant: Sein Hirn hat die Grösse einer Walnuss, und fressen tut er alles, was ihm vor den wild pickenden Schnabel kommt; selbst Autoschlüssel, Korkenzieher oder Schmuck. Auf dieses feinmotorische «Handicap» hatte mein Kollege morgens im Auto angespielt – und so sieht er erheitert zu, wie mir ein stattlicher Strauss beim Fütterungsversuch den Kübel aus der Hand hämmert.
Deshalb schafft es der urzeitliche Riesenvogel auch nicht in die Top Ten der Garden-Route-Hitparade, die wir als lockeren Zeitvertreib während der Fahrten erstellen. Ganz im Gegensatz zu den Meerkat genannten Erdmännchen. Auf der Buffelsdrift Outlook Lounge nahe Oudtshoorn haben wir Gelegenheit, das einstündige Morgenritual der drolligen kleinen Geschöpfe mitzuverfolgen – ein Intermezzo, das selbst durch viele Abenteuer gestählte Männerherzen schmelzen lässt.
Die Weiterreise führt über die Passstrassen der Route 62. Die Strecke serviert ein «Buffet» aus imposanten Gebirgsformationen und verblüffenden Panoramablicken. Der Himmel bittet den einen oder anderen Regenbogen auf seine Bühne, derweil in der Landschaft grünblaue Seen, signalrote Aloe-Blüten oder leuchtstiftgelbe Rapsfelder den Eindruck vermitteln, die Natur veranstalte gerade eine Pop-Art-Ausstellung.
Wir landen in Montagu. Die Kleinstadt ist reich an kapholländischer und viktorianischer Architektur. Und der ideale Ausgangsort für Ausflüge aller Art in eine Natur, die sich aufführt wie ein Tausendsassa. In unsere erwähnte Hitparade schafft es auch die Mimosa Lodge. Das denkmalgeschützte Haus war in seiner langen Geschichte schon Altersheim, Internat und Bordell. Heute indes sorgt mit Bernhard Hess ein Schweizer Patron dafür, dass prima genächtigt und ausgezeichnet getafelt werden kann, den köstlichen Rotwein zum Essen produziert er selbst. «Kann es noch besser werden?» Die Frage wird zum Running Gag, Fotograf Philipps Standardantwort lautet: «Lass dich überraschen.»
Mach ich. Im malerischen Hermanus geschieht das durch den unvergleichlichen Klippenpfad. Er ist mehrere Kilometer lang, dank dem rauschenden Meer ausgestattet mit eigenem Soundtrack und gesäumt von vielen Dutzend romantischen Parkbänken. Sie werden – dafür ist der Touristenort berühmt – meist für Walbeobachtungen genutzt. Im nicht minder pittoresken Provinznest Franschhoek geschieht es durch Cafés, Bistros, Boutiquen, Kunstgalerien und einen im besten Wortsinn verrückten Weinladen. Ein Hauch französisches Savoir-vivre fernab von Europa – schräg, aber gut.
Eine Rede für die Gleichheit
Und in Kapstadt? Nun, da fällt die Antwort vielschichtiger aus. Eben so, wie sich die 4,6-Millionen-Metropole am Westkap, für viele Menschen der Sehnsuchtsort schlechthin, den Besuchern präsentiert. Natürlich gehört die atemberaubende Silhouette des majestätischen Tafelberg-Massivs mit Devil’s Peak, Lion’s Head, Signal Hill oder den Zwölf Aposteln dazu. Ebenso wichtig: die historische Bedeutung der Stadt. Hier, auf dem Balkon des Rathauses, hat der spätere Friedensnobelpreisträger und Präsident Nelson Mandela am 11. Februar 1990, wenige Stunden nach der Freilassung aus seiner 27 Jahre dauernden Gefangenschaft, die erste öffentliche Rede gehalten.
Zu nennen sind auch die Aspekte Lifestyle und Konsum. Sie werden verkörpert durch die Bars und Clubs in Camps Bay und durch die Victoria & Albert Waterfront mit dem Two Oceans Aquarium, afrikanischen Food- und Markthallen und kulinarischen Spitzenlokalen. Und aus Schweizer Sicht gehört auch Roger Federers sechster «Match for Africa» dazu, den er im Februar 2020 im Fussballstadion vor 51’954 Zuschauern gegen Rivale und Freund Rafael Nadal bestritt – was bis dato Weltrekord für einen Tennismatch bedeutet.
Beim finalen Abendessen im Waterfront-Restaurant Karibu – als persönliche Weltpremiere probiere ich das Krokodil-Carpaccio und werde das nicht wiederholen – diskutieren wir den Endstand der Garden-Route Hitparade. Nach dem zweiten Glas des hervorragenden Pinot noir sind wir uns einig.
Kapstadt verdrängt Knysna auf Platz drei, die Erdmännchen auf Rang vier, knapp vor der Mimosa Lodge und den zahllosen VW Käfer-Oldtimern, die uns während der Reise begegnet sind. Der Sieger jedoch bleibt unangetastet, er heisst Kariega Game Reserve.
Diese Reportage entstand in Zusammenarbeit mit unserem Partner Knecht Reisen.
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