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Arbeitsunfähig wegen Konflikten
Streit im Büro macht krank

Konflikte am Arbeitsplatz belasten nicht nur das Arbeitsklima, sondern können sich auch auf die Gesundheit der Beteiligten auswirken.
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Konflikte am Arbeitsplatz sind der wichtigste Grund dafür, dass Menschen wegen psychischer Beschwerden krankgeschrieben werden. Sehr oft dauert die Arbeitsunfähigkeit so lange, dass die betroffenen Personen gar nicht mehr in ihren Betrieb zurückkehren; sie verlieren ihre Stelle, nicht selten landen sie in der Invalidenversicherung (IV).

Das zeigt eine neue Studie der Krankenkasse Swica, die 1350 Dossiers von Versicherten untersuchte, die aus psychischen Gründen krankgeschrieben waren. «Psychische Beschwerden sind das Haupteingangstor zu Langzeitarbeitslosigkeit und Invalidität», sagte Niklas Baer, Autor der Studie von Workmed, einem Kompetenzzentrum der Psychiatrie Baselland. Etwa die Hälfte aller neuen IV-Renten wird jedes Jahr aufgrund psychischer Befunde vergeben. Die Studie zeigt, dass auch eine längere Behandlung und Arbeitsunfähigkeit in den meisten Fällen keine Besserung der Konflikte am Arbeitsplatz bringt. «Kränkungen und Konflikte bei der Arbeit können extrem lange nachwirken», sagte Baer. «Es wird unterschätzt, wie entscheidend eine lange Krankschreibung für den Rest des Lebens ist.»

Akzeptanz gewachsen

Es sei ein «Megatrend der letzten 20 Jahre», dass die Zahl der diagnostizierten psychischen Krankheiten stark zunehme, erklärte Baer. Das habe aber nicht damit zu tun, dass die Bevölkerung insgesamt öfter an psychischen Beschwerden leide. «Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass es seit dem Zweiten Weltkrieg keine Zunahme von psychischen Störungen gibt, auch nicht bei jungen Menschen.» Vielmehr seien das Bewusstsein und die Akzeptanz für solche Krankheiten allgemein gewachsen und damit auch die Behandlungsmöglichkeiten. «Es gibt kein Land, das psychologisch so gut versorgt ist wie die Schweiz», betonte Baer. Allein in der Schweiz seien jedes Jahr eine halbe Million Menschen in psychiatrischer Behandlung. «Das ist ein Fortschritt.»

Zwar machen psychisch bedingte Krankschreibungen nur ein Drittel aller Fälle der Arbeitsunfähigkeit aus –zwei Drittel werden durch körperliche Beschwerden ausgelöst. Aber die psychisch belasteten Menschen fallen deutlich länger aus: im Durchschnitt 218 Tage, also etwa sieben Monate. Und diese Fälle verursachen besonders hohen Aufwand für die Versicherung, wie Roger Ritler, Leiter Leistungen Unternehmen bei Swica, sagte: «Wenn es um die Dienstleistungen für Krankheiten nach einer Arbeitsunfähigkeit geht, beträgt der Anteil der psychisch bedingten Fälle zwei Drittel.»

Verwaltung, Banken, Erziehung

Frauen werden öfter wegen psychischer Beschwerden krankgeschrieben als Männer, befand die Studie; bei Arbeitsunfähigkeit aus körperlichen Gründen sind Männer und Frauen ähnlich oft betroffen. Dabei sind die Fälle über alle Altersgruppen zwischen 30 und 60 Jahren verteilt, mit einer geringen Häufung bei Menschen zwischen 30 und 39 Jahren.

Auffällig sind die Branchen, in denen Arbeitsausfälle aus psychischen Gründen gehäuft auftreten. Dazu gehören die öffentliche Verwaltung, Banken und Versicherungen wie auch der Erziehungsbereich. Es handle sich um Bereiche im Dienstleistungssektor, in denen die Anforderungen an Disziplin und Zuverlässigkeit besonders hoch seien, hält die Studie fest. Auch ausgeprägte Fähigkeiten beim Umgang mit Menschen seien gefragt, und oft sei der Erfolgsdruck hoch.

In der grossen Mehrheit der Fälle wird eine Form der Depression diagnostiziert. Dabei werde wohl sehr oft nur die akute Situation berücksichtigt, aber die Krankheitsgeschichte der Betroffenen ausgeblendet, kritisiert die Studie. Denn mehr als die Hälfte hatte schon eine gewisse Verletzlichkeit, die frühere Anstellungen beeinträchtigte oder sogar schon in der Schulzeit auftrat.

Konflikte werden «psychiatrisiert»

Hier sieht die Studie Verbesserungspotenzial beim Umgang mit psychischen Beschwerden. Behandelnde Ärzte und Psychiater sollten die Arbeitsbiografie ihrer Patientinnen und Patienten genauer betrachten. Und öfter mit Arbeitgebern Kontakt aufnehmen. «Führungskräfte müssen ein Gespür für solche Probleme entwickeln», meinte Roger Ritler von Swica. Viele der Krankschreibungen könnten vermieden werden. «Der Schlüssel liegt in der frühzeitigen Erkennung.» Das könnte Kündigungen verhindern und die Betroffenen entlasten, aber auch Unternehmen und Gesellschaft. Immerhin, so betont die Studie, sind die Betroffenen in der Regel nicht grundsätzlich arbeitsunfähig, sondern nur an ihrem aktuellen Arbeitsplatz.

Immer öfter würden Arbeitsplatzkonflikte «psychiatrisiert», also als gesundheitliches und nicht organisatorisches Problem betrachtet, kritisierte Baer. Konflikte aufgrund von Reorganisationen, einem Chefwechsel oder Frustrationen führten zu ärztlicher Behandlung, auch wenn die betroffene Person in der Vergangenheit keine psychiatrischen Probleme gehabt habe. Hier müsste eine Diskussion stattfinden, um einen adäquaten Umgang mit psychischen Problemen zu finden.