Kriegsbeginn in der UkraineHunderte Menschen forderten in Bern Frieden für die Ukraine
Auf dem Waisenhausplatz haben sich am Donnerstagnachmittag etwa 600 Personen versammelt, um gegen den russischen Militäreinsatz in der Ukraine zu protestieren.
Um 16 Uhr stand eine grosse Menschenmenge schweigend auf dem Waisenhausplatz in einem Oval. Waren es anfangs etwa 150 Personen, strömten mit der Zeit immer mehr Menschen hinzu, proportional dazu stieg auch der Lautstärkepegel. Gegen 16.45 Uhr waren es schätzungsweise 500 bis 600 Teilnehmende.
Sie trugen ukrainische Flaggen und Schilder mit Aufschriften wie «Stop Putin, Stop War» oder «Pray for Ukraine!». Ein langes Transparent wurde ausgezogen und von den Teilnehmenden gehalten – von kleinen Mädchen bis zu älteren Herren. Später sangen sie die ukrainische Nationalhymne.
«Meine Eltern sind heute Morgen von Explosionen aufgewacht. Wir befinden uns in einem Krieg», sagte Sascha Volkov. Er gehört der Westschweizer Sektion des Ukrainischen Vereins an, der die Kundgebung organisiert hat. Volkov fordert vom Bundesrat sofortige und stärkere Sanktionen für Russland; es sollen keine Gelder mehr nach Russland fliessen.
Der Ukrainische Verein werde weiter aktiv bleiben und sich für seine Forderungen einsetzen. «Wir haben keine andere Möglichkeit als zu handeln. Ansonsten wird auch die Schweiz die Folgen davon spüren in Form von Flüchtlingsströmen», sagte Volkov.
Nur Putin sei für den Krieg
Seit 10 Jahren wohnt Vladyslav Vichyk in Solothurn. Der Ukrainer ging heute nicht zur Arbeit, weil er sich zu sehr um seine Familie in der Heimat sorgt. Ausser Putin wolle niemand den Krieg. Trotzdem überlegt er sich, in die Ukraine zurückzukehren und sich dem Widerstand anzuschliessen: «Ich würde für meine Heimat sterben.» Er hofft, dass die Nato der Ukraine beistehe, auch wenn sich der Konflikt dadurch zu einem dritten Weltkrieg entwickeln könnte.
Unter den Teilnehmerinnen befand sich auch die Russin Anna Nachesa. Sie hatte bis heute gehofft, dass es nicht zur Eskalation kommen würde, weil ein Krieg verheerende Folgen für beide Nationen haben werde. Seit 20 Jahren lebt sie in Europa, aktuell in Zürich. Von ihren Verwandten in der Heimat habe sie noch nichts gehört.
Anders Nataliia Kiefer, die mit ihrem Mann Michael in der Schweiz eine Familie gegründet hat. Ihre Eltern seien am Morgen von Explosionen geweckt worden. «Die Schweiz muss sich langsam Fragen, auf welcher Seite sie steht», findet Michael Kiefer. Wenn grosse Nationen kleinere einfach «auffressen», könne er nicht nachvollziehen, wie man für beide Seiten Verständnis aufbringen könne. Die Schweiz habe das Glück, von freundlichen Nachbarländern umgeben zu sein. Aber sie müsse handeln und könne sich nicht länger auf Neutralität berufen.
Auch Berns Stadtpräsident Alec von Graffenried gesellte sich zwischenzeitlich zur Kundgebung dazu und beteuerte, die Stadt trage Solidaritätsbekundungen mit. Gegen 17.30 Uhr beginnt sich die Menschenmenge langsam zu lichten. Sascha Volkov ist mit einer kleineren Gruppe weitergezogen zur ukrainischen Botschaft.
Demo war bewilligt
Die Solidaritätsbekundung erfolgte relativ spontan: Am Donnerstagmorgen rief Olena Goloborodko bei der Gewerbepolizei an und reservierte den Waisenhausplatz. Dabei war Goloborodko dem Ukrainischen Verein erst am Mittwoch beigetreten. Sie habe einfach etwas unternehmen wollen, auch wenn sie kaum etwas ausrichten werde. Diese Machtlosigkeit sei das Schlimmste, auch am Telefon mit der Polizei habe sie ihre Tränen nicht zurückhalten können.
Dass die Solidarität in Bern dermassen gross sein würde, damit hatte sie offenbar nicht gerechnet: Ursprünglich habe sie mit 15 Personen gerechnet. Diese Zahl wurde im Laufe des Tages laufend nach oben korrigiert.
Polizei erhöht Botschaftsschutz
Nachdem bereits am Mittwoch ein Protest vor der russischen Botschaft in Bern stattgefunden hatte, kursierte aus linksautonomen Kreisen auch für Donnerstagabend ein entsprechender Aufruf. Wie ein Augenschein vor Ort zeigte, sind ihm etwa 30 Personen gefolgt. Mit Plakaten und Transparenten wie «Kein Krieg zwischen den Staaten, kein Frieden zwischen den Klassen» protestierten sie lautstark.
Nach 20 Uhr zogen die Demonstrierenden ab, eine kleine Gruppe begab sich noch auf den Bundesplatz. Zu nennenswerten Zwischenfällen ist es nach aktuellen Kenntnissen nicht gekommen. Im Vorfeld hatte die Kantonspolizei in Bern nicht nur den Schutz der russischen Botschaft erhöht, sondern auch den des russischen Konsulats.
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