ÖV-Grossprojekt in ZürichDie Stadt soll dem Kanton 325 Millionen Franken vorschiessen
Der Kanton Zürich verzögert das Tram Affoltern. SP, FDP und Mitte wollen das Grossprojekt wieder beschleunigen. Die Stadt soll es vorfinanzieren.

- Das Projekt für das Tram Affoltern verzögert sich wegen finanzieller Engpässe des Kantons.
- Die Stadt Zürich könnte die Finanzierung des Kantons vorübergehend übernehmen.
- SP, FDP und Mitte/EVP fordern rasches Handeln zur Vermeidung weiterer Verzögerungen.
- Rekursverfahren und Verhandlungen mit Einsprechenden laufen parallel zur Finanzierungsplanung.
Das Tram Affoltern kommt nur schleppend voran. Im Sommer gingen gut 100 Einsprachen gegen das Grossprojekt ein, darunter eine des VCS. Monate später hat der Kanton die Finanzierung der neuen Tramlinie um zwei Jahre verschoben.
Der Kanton wird 325 Millionen Franken ans 450-Millionen-Projekt zahlen. Geld, das er gemäss dem Regierungs- und Kantonsrat aktuell nicht hat.
Nun soll die Stadt Zürich einspringen und die Verzögerung verhindern. SP, FDP und Mitte/EVP fordern mit einer Motion, dass die Stadt den vorgesehenen Zeitplan trotzdem einhält. Dazu könnte sie gemäss Motion den Anteil des Kantons vorfinanzieren.
Das heisst: Die Stadt würde die 325 Millionen zuerst selbst bezahlen. Später würde sie den Betrag vom Kanton erstattet erhalten.
Neu ist dieser Ansatz nicht. Beim Bau der Durchmesserlinie war es im Jahr 2008 der Kanton Zürich, der dem Bund 500 Millionen Franken vorschoss. Damit ermöglichte der Kanton einen schnellen Bau des unterirdischen Bahnhofs.
SP, FDP und Mitte/EVP verfügen im Gemeinderat über eine Mehrheit. Sie wollen ihre Motion für dringlich erklären. Das Parlament wird den Vorstoss daher schon in den nächsten Monaten diskutieren und überweisen. «Unser Ziel ist, dass es möglichst wenig Verspätung gibt», sagt Mit-Motionär Benedikt Gerth (Mitte). Im letzten April hatte der Stadtrat noch mit einer Fertigstellung auf Ende 2029 gerechnet. Dafür reiche es wohl nicht mehr. «Aber je schneller wir eine Lösung finden, desto schneller geht es», sagt Gerth.
Motionäre: ÖV schon heute überlastet
Die drei Motionärinnen und Motionäre wohnen selbst in Affoltern oder haben dort gelebt. Sie sagen, dass das Quartier das Tram dringend brauche. Eine deutliche Mehrheit der Bewohnenden stehe hinter dem Projekt. «Es hat schon so viele Verzögerungen gegeben. Eine weitere liegt nicht mehr drin», sagt Anjushka Früh (SP).
Die S-Bahnen und Busse Richtung Stadtzentrum seien zu den Stosszeiten bereits heute überlastet, sagt Benedikt Gerth. «Es fehlt eine stabile Verbindung.» Affoltern werde in den nächsten Jahren stark wachsen; und damit auch das ÖV-Problem. Dieses lasse sich nur mit dem Tram beheben.
Laut Gerth sind zudem mehrere weitere Bauprojekte von einer schnellen Fertigstellung des Trams abhängig. «Eine Verzögerung bremst die Entwicklung Affolterns.» Thomas Hofstetter (FDP) weist darauf hin, dass ein Hinausschieben des Baustarts das Projekt deutlich verteuern würde.
Baumer kritisierte Walker Späh
Der zuständige Stadtrat Michael Baumer (FDP) wollte sich auf Anfrage nicht zur Motion äussern. Allerdings kritisierte Baumer den Beschluss des Regierungsrats, das Tram Affoltern warten zu lassen, im Oktober öffentlich. Seither laufen Gespräche zwischen ihm und der zuständigen Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (FDP). Diese seien noch nicht abgeschlossen, sagt ein Sprecher von Michael Baumer.
Das genaue Vorgehen, um den Zeitplan einzuhalten, überlässt die Motion dem Stadtrat. In seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage schlägt der Stadtrat vor, zur Finanzierung eine gemeinsame Projektierungsgesellschaft von Stadt und Kanton zu gründen. Anjushka Früh sagt: Das Ziel sei aber nicht, den Kanton von seiner finanziellen Verantwortung zu entlasten. «Am Ende sollen die Beteiligungen gleich bleiben wie vorgesehen.»
Neben den 325 Millionen des Kantons hat der Bund 100 Millionen zugesichert. Er zahlt allerdings nur, wenn die Bauarbeiten bis spätestens März 2029 begonnen haben. Die Stadt Zürich soll 22 Millionen beisteuern.
Parallel zum Ringen um die Finanzierung laufen die gut 100 Rekursverfahren. Laut den Verkehrsbetrieben der Stadt Zürich (VBZ) finden momentan Verhandlungen mit den Einsprechenden statt. Wenn es keine Einigung gibt, wird das Bundesamt für Verkehr als erste Instanz entscheiden.
Mitarbeit: Patrice Siegrist
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