Umsetzung der PflegeinitiativeSo will der Bundesrat den Pflegenotstand beheben
Die Regierung macht Vorschläge für bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor. Unklar ist, woher das Geld für höhere Löhne und den Stellenausbau kommen soll.

Die Pflegeinitiative, der Volk und Stände im November 2021 zugestimmt haben, verlangt mehr Pflegefachpersonal und bessere Arbeitsbedingungen. Das Geld für eine Ausbildungsoffensive hat das Parlament bewilligt. In einem zweiten Schritt sollen nun die Arbeitsbedingungen attraktiver werden.
Verlässlichere Dienstpläne für das Personal
Notfallmässige Arbeitseinsätze und kurzfristige Änderungen im Dienstplan sind für das Pflegepersonal belastend und ein häufiger Grund für Kündigungen. Der Bundesrat will gesetzlich festlegen, dass Dienstpläne mindestens vier Wochen im Voraus festgelegt werden müssen. Kurzfristige Änderungen sollen zwar möglich bleiben, müssen aber mit einem Lohnzuschlag entschädigt werden: Je kurzfristiger ein Arbeitseinsatz ist, desto höher muss die Entschädigung sein.
Die Pflegeinstitutionen müssen zudem einen Personalschlüssel festlegen. Mit diesem sogenannten Skill-Grade-Mix wird bestimmt, wie hoch der Anteil von Personal mit einem bestimmten Ausbildungsabschluss sein soll. Damit soll sichergestellt werden, dass ausreichend qualifiziertes Personal für die Qualität der Pflege sorgt. Zu den Qualifikationen gehören neben den Fachpersonen Gesundheit (Fage) vor allem Pflegefachleute mit dem Abschluss einer Fachhochschule oder einer höheren Fachschule sowie Pflegeexpertinnen und -experten mit Mastertitel.
Pflicht zur Aushandlung von Gesamtarbeitsverträgen
Für die konkrete Verbesserung der Arbeitsbedingungen – Löhne und Arbeitszeiten – sind auch künftig die Sozialpartner zuständig. Der Bundesrat will diese verpflichten, über Gesamtarbeitsverträge (GAV) zu verhandeln. Diese Verhandlungen müssen in den Kantonen geführt werden. Ausgehandelt werden können etwa höhere Mindestlöhne oder eine Reduktion der Arbeitszeiten für besonders belastende Pflegeaufgaben. Es gibt aber keine Garantie, dass Gewerkschaften und Berufsverbände mit den Arbeitgebern eine Einigung erzielen. Offen lässt der Bundesrat, ob die GAV-Verhandlungspflicht nicht nur für private Pflegeinstitutionen, sondern auch für öffentlich-rechtliche der Kantone und Gemeinden gelten soll. (Lesen Sie zum Thema Pflegekrise: «Die Verschlechterung des Gesundheitswesens ist krass»)
Wie lange dauert die Umsetzung der Pflegeinitiative?
Der Bundesrat will die konkreten Gesetzesänderungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen erst 2024 in die Vernehmlassung geben. Bis das Gesetz vom Parlament beraten ist und die notwendigen Verordnungen geschrieben sind, dauert es aber nochmals gut zwei Jahre, sodass das Gesetz erst 2027 in Kraft treten dürfte, wie Gesundheitsminister Alain Berset ausführte.
Etwas rascher geht es mit der Ausbildungsoffensive. Das Parlament hat im Dezember eine halbe Milliarde Franken für die Ausbildungsoffensive in der Pflege bewilligt. Die Kantone sollen sich mit dem gleichen Beitrag beteiligen. Der Bundesrat will bis im Sommer die Kriterien für die Ausrichtung von Ausbildungsbeiträgen festlegen. Ab Mitte 2024 können die Kantone dann während acht Jahren Bundesbeiträge beantragen, sofern sie selber entsprechende gesetzliche Grundlagen geschaffen haben.
Wie werden die besseren Arbeitsbedingungen finanziert?
Der Bund habe keine Kompetenzen, um die angemessene Abgeltung der Pflegeleistungen zu regeln, sagt der Bundesrat. Vor dem Hintergrund steigender Gesundheitskosten und Prämien könne nicht einfach mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Spitäler, Heime und Spitex sollen deshalb aus den vorhandenen Mitteln Geld für bessere Arbeitsbedingungen freischaufeln. Dazu will der Bundesrat alle Akteure an einen runden Tisch bringen.
Wie reagieren die Initiantinnen?
Der Bundesrat habe den Ernst der Lage erkannt, hält der Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen (SBK) fest. Allerdings daure die Umsetzung der Pflegeinitiative zu lange. SBK-Geschäftsführerin Yvonne Ribi fordert deshalb einen «Rettungsschirm Pflege» von den Kantonen, die in erster Linie für die Gesundheitsversorgung zuständig sind. Die Kantone müssten die Arbeitsbedingungen des Personals rasch verbessern, um den Ausstieg der Pflegenden aus dem Beruf zu stoppen. Bereits heute seien 7000 Stellen für Pflegefachleute offen, insgesamt seien im Pflegebereich rund 14’000 Stellen nicht besetzt, sagt Ribi.
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