Spitalchefs zur Corona-Lage in Zürich«Jetzt Ski zu fahren, kommt für mich nicht infrage»
Zürichs Spitäler sind am Anschlag. Ihre Chefs sehen keine Alternative zu einem raschen Lockdown. Und sie rufen die Bevölkerung auf, ihren Beitrag zu leisten. Wir haben live berichtet.
Das Wichtigste in Kürze:
Die Direktoren von Unispital, von den beiden Stadtspitälern und vom Kantonsspital Winterthur sorgen sich um die stabil hohe Zahl an Covid-Fällen im Kanton und den R-Wert von 1.16.
Die Intensivpflegebetten sind nahezu ausgelastet, beziehungsweise die Zahl der Intensivpflegebetten für Nicht-Covid-Patienten ist derzeit zu knapp. Im Unispital liegen derzeit 28 Personen auf der Intensivstation, im Triemli sind es 13 und im Kantonsspital Winterthur 14. Im Unispital liegen mehrere Patienten schon 50 Tage lang.
Das Intensivpflegepersonal ist stark belastet. Am Universitätsspital sind derzeit zudem 101 Mitarbeitende in Isolation oder Quarantäne. Einen Ferienstopp gibt es an keinem der Spitäler.
Im Unispital sind acht Operationssäle geschlossen, es werden nur 63 Prozent der Operationen durchgeführt. Die Operation des jungen Tumorpatienten, die vergangene Woche verschoben werden musste, wurde am Montag nachgeholt.
Aus Sicht der Spitaldirektoren kann nur ein Lockdown die Situation beruhigen.
Zusammenfassung
Das Fazit der drei Spitaldirektoren Gregor Zünd (Universitätsspital Zürich), André Zemp (Zürcher Stadtspitäler) und Rolf Zehnder (Kantonsspital Winterthur) ist einstimmig: Die Covid-bedingte Situation in den Spitälern ist prekär. Die Zahlen sind stabil hoch, der R-Wert liegt bei 1.16, die Ansteckung sei noch voll im Gang. Deshalb informieren die Spitäler auch ohne die kantonale Gesundheitsdirektion an ihrer Seite.
Es seien zwar nicht ganz alle Betten auf den Intensivstationen ausgelastet. Aber viele Covid-19-Patienten besetzten Betten, die eigentlich für Nicht-Covid-Patienten vorgesehen wären. «Und genau das ist das Problem», sagt Rolf Zehnder, «uns fehlen diese Plätze.» Das Universitätsspital zählt derzeit mehrere Patienten, die bereits über 50 Tage auf der Intensivstation liegen. Die meisten Patienten auf der Intensivstation sind zwischen 60 und 70 Jahre alt. Alle Spitaldirektoren betonen, dass sie das Ausmass dieser zweiten Welle, insbesondere deren Länge, unterschätzt hätten.
Das Risiko einer Ansteckung im Spital werten alle drei Direktoren aber als gering. Im Unispital hat sich eine Person angesteckt, im Triemli waren es fünf, in Winterthur sechs.
Zudem leidet das Personal unter der Belastung. «Es absolviert einen Marathon und weiss nicht, wie lange er dauert», sagt etwa Gabi Brenner, Direktorin der Pflege am Universitätsspital Zürich. Damit das Personal auch noch länger einsatzfähig bleibt, verhängen die Spitäler keinen Ferienstopp.
Aus Sicht der Spitaldirektoren kann nur ein totales Herunterfahren des Lebens die Situation an den Spitälern im Kanton beruhigen. Gregor Zünd vom Universitätsspital sagt: «Wir werden nicht um einen Lockdown herumkommen.» Alle raten auch dringend, auf das Skifahren zu verzichten, weil sie dort ein erhöhtes Risiko einer Ansteckung fürchten und dies zu einer dritten Welle führen könnte.
Ende der Medienkonferenz
Die Medienkonferenz und die Fragerunde sind zu Ende. Vielen Dank fürs Interesse.
Wie lange bleiben die Covid-Patienten auf der Intensivstation?
Die Aufenthaltsdauer von Covid-Patienten auf der Intensivstation des Universitätsspitals beträgt durchschnittlich 9 Tage. Gezählt wird aber nach dem Austritt. Gemäss Peter Steiger, stellvertretendem Leiter des Instituts für Intensivmedizin am Unispital Zürich, liegen derzeit aber auch mehrere Personen schon 50 und mehr Tage auf der Intensivstation des Unispitals. «Genau diese Überschichtung macht die Sache schwierig. Diese Patienten belegen die Betten durchschnittlich lang.»
Müssen Nicht-Covid-Patienten im Spital eine Ansteckung fürchten?
Das Ansteckungsrisiko sei im Spital gering, heisst es von allen Spitaldirektoren. Gemäss Annelies Zinkernagel, Direktorin der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am Universitätsspital Zürich, hat das Unispital das Screening von Patienten erhöht.
Im Universitätsspital kam es bisher zu einer Ansteckung, in den Stadtspitälern zu fünf Fällen und in Winterthur hat das Spital sechs Fälle registriert.
Könnte man auch Personen auf das wenig ausgelastete Kinderspital verlegen?
Das Kinderspital ist nicht auf die Behandlung von Erwachsenen ausgerichtet und kann deshalb nicht als zusätzliche Kapazität genutzt werden. Warum das Kinderspital derzeit weniger ausgelastet ist als zur selben Zeit in anderen Jahren, ist nicht klar. Im Kantonsspital Winterthur musste kurzzeitig ein Patient auf die Kinderabteilung verlegt werden.
Die Spitaldirektoren rufen dir Bevölkerung aber trotz der aktuellen Situation dazu auf, bei einem Krankheitsverdacht den Notfall aufzusuchen.
Inwiefern fehlt es an Fachpersonal für die Intensivpflege?
Derzeit steht überall genügend Personal zur Intensivpflege zur Verfügung. Doch die Spitaldirektoren sorgen sich um deren Belastung. Deshalb gewähren ihnen die Spitäler auch Ferien. Rolf Zehnder sagt: «Wir wollen auch nicht, dass es wegen der Belastung zu Fehlern kommt.»
Gleichzeitig wird auch der Nachwuchs ausgebildet. Gregor Zünd sagt: «Wir können kein Personal im Ausland rekrutieren und müssen es deshalb selber ausbilden.»
Haben am Wochenende tatsächlich Corona-Skeptiker das Unispital betreten?
Gemäss Gregor Zünd sind einige Personen am Wochenende auf das Gelände des Unispitals Zürich vorgedrungen. Die Situation hätte sich aber schnell beruhigt.
Wie geht es dem Pflegepersonal?
Die Pflege von Covid-Patienten sei sehr aufwändig und belastend. «Wir sind in einem Marathon und wissen nicht, wie lange der noch dauert», sagt Gabi Brenner, Direktorin Pflege des Universitätsspital Zürich. Jedem Spital liege das Personal sehr am Herzen. Man wolle vor allem nicht, dass zu viel Personal kündige.
Wie sieht es mit den verschobenen Operationen aus?
Im Universitätsspital Zürich sind derzeit 8 Operationssäle geschlossen, es werden nur noch 63 Prozent aller Operationen ausgeführt. Der Tumorpatient, der wegen seiner Abweisung vergangene Woche für Schlagzeilen sorgte, wurde inzwischen erfolgreich operiert.
Braucht es einen Lockdown?
Die Spitaldirektoren sorgen sich um die stabil hohen Zahlen und den stets hohen R-Wert, der aktuell bei 1.16 liegt. Rolf Zehnder (Kantonsspital Winterthur) sagt: «Die Infektion ist noch aktiv.» Es deshalb zentral, die Infektionsrate so schnell als möglich zu senken. Gregor Zünd (Unispital Zürich) sagt: «Wir können uns nicht vorstellen, dass wir um einen Lockdown herumkommen.» Zwischen den Zeilen wird klar: Je schneller, desto besser.
Wie stehen Sie zum Skifahren und zur Übernahme von Patienten aus Skigebieten?
Die Zürcher Spitäler haben in der Vergangenheit oft Patienten, die in einem Skigebiet verunfallt sind, übernommen. Das sei derzeit aus Kapazitätsgründen kaum noch möglich. Alle Spitaldirektoren raten deshalb vom Skifahren ab. Genau da komme es oft zur Missachtung der Hygienemassnahmen. Gregor Zünd sagt: «Das Risiko einer Ansteckung beim Skifahren während der Weihnachtsferien ist hoch.» Rolf Zehnder, bekennender Skifan, sagt: «Jetzt Ski zu fahren, kommt für mich nicht infrage.»
Durchschnittsalter auf der Intensivstation
Das Universitätsspital hat keine entsprechenden Daten erhoben. Die meisten Patienten sind zwischen 60 und 69 Jahre alt.
Situation am Kantonsspital Winterthur
In Winterthur liegen derzeit 56 Covid-Patienten, 11 davon auf der Intensivstation. Am Wochenende waren von den 18 Intensivpflegebetten 14 durch Covid-Patienten belegt, 4 Betten waren frei für Nicht-Covid-Patienten. Spitaldirektor Rolf Zehnder sagt: «Das ist das Problem. Wir haben zu wenig Kapazität für Nicht-Covid-Patienten.» Auch das Kantonsspital Winterthur baut deshalb seine Kapazität aus.
Starke Belastung
Für André Zemp,, Direktor Triemli und Waid, ist die Arbeit auf Covid-Intensivstationen sehr belastend. Er hat selber eine 9-Stunden-Schicht geleistet und kann nachvollziehen, dass dabei Personal an den Anschlag gerät.
Tests in Zürich
Auch die Testkapazität in Zürich ist derzeit stark ausgelastet. In der vergangenen Woche liessen sich rund 5000 Personen auf dem Kasernenareal und beim Triemli testen, wie André Zemp, Direktor der Zürcher Stadtspitäler, sagt.
Situation am Triemli
Am Dienstagmorgen liegen im Triemlispital 65 Covid-19-Patienten. 13 der 18 Corona-zertifizierten Intensivpflegebetten sind belegt.
An den Stadtspitälern sind von 4000 Mitarbeitenden 21 in Isolation und 4 in Quarantäne.
Aktuelle Situation am Unispital
Gregor Zünd, Leiter Unispital, informiert über die aktuelle Situation am Dienstagmorgen um 6 Uhr. 28 Covid-Patienten liegen auf der Intensivstation, 11 davon aus anderen Kantonen. Auf der Intermediate-Care-Station liegen 5 Personen. Von den total 82 Covid-19-Patienten sind 12 aus anderen Kantonen. 101 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in Isolation oder in der Quarantäne.
Das Unispital baut noch diese Woche eine zusätzliche Abteilung für Covid-Patienten auf.
Die Medienkonferenz beginnt
Eigentlich war eine gemeinsame Veranstaltung mit der Gesundheitsdirektion des Kantons geplant. Dann haben sich die Spitäler aber für eine separate Pressekonferenz entschieden, um von der Front zu sprechen.
Ausgangslage
Die Zürcher Spitäler stossen zunehmend an ihre Grenzen. Gemäss einer Mitteilung des Verbandes der Zürcher Krankenhäuser (VZK) vom Montag spitzt sich die Lage von Tag zu Tag zu.
Die Zahl der Covid-19-bedingten Spitaleintritte nimmt stetig zu. Zudem steigt auch die Zahl der Patienten, die wegen eines schweren Verlaufs der Krankheit auf den Intensivstationen gepflegt werden müssen. Alle Covid-19- zertifizierten Betten im Kanton sind derzeit belegt. Für Nicht-Covid-Patienten stehen nur noch 47 Prozent der Intensivpflegeplätze zur Verfügung. Und auch diese sind voll. VZK-Sprecher Ronald Alder sagt: «Wenn die Zahl weiter so steigt, kann man die Lage nicht mehr bewältigen.»
Auch wenn die Spitäler betonen, sie möchten alle Patienten behandeln, müssen als Folge der hohen Auslastung derzeit in diversen Spitälern geplante Operationen verschoben werden. Das Kantonsspital Winterthur musste zudem bereits Patienten in andere Spitäler verlegen (Lesen Sie hier den Bericht dazu).
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